1 ...7 8 9 11 12 13 ...16 Wirklich, so redete sie andauernd. Worin dabei der Anreiz für mich bestehen sollte, ein Mädchen mit nach Hause zu bringen, war mir schleierhaft.
Aber das war sowieso egal, denn sie würde Janet nie treffen. Warum sollte ich mich also überhaupt aufregen? Diesen Gedanken fand ich beinahe tröstlich.
»Du wirst sie nie treffen«, lächelte ich.
»Rede keinen Unsinn, natürlich werde ich das. Allerspätestens bei der Hochzeit.«
Ich grinste. »Niemals.«
»Ach, was du manchmal für einen Quatsch erzählst.«
Ich lächelte bloß noch einmal und wiederholte leise: »Niemals.«
Mum sah mich für einige Sekunden an, dann verdrehte sie angewidert die Augen.
»Ian, du hast sie doch nicht etwa umgebracht?«
»Ich habe ihr den beschissenen Schädel weggepustet. Du hättest es sehen sollen.«
»Oh nein, nicht schon wieder!« Mit einem traurigen Seufzen schüttelte sie den Kopf.
»Was meinst du mit schon wieder ? Das hört sich an, als würde ich das andauernd machen. Es war erst das zweite Mal.«
»Ian, sieh mal, du musst aufhören, Leute umzubringen. Du wirst nie ein nettes Mädchen finden und dir ein schönes Heim mit ihr aufbauen, wenn du sie jedes Mal ermordest, sobald nicht alles so läuft, wie du es gerne hättest. Dein Vater hat nie jemanden umgebracht.«
»Wovon redest du? Er war in Korea, er hat jede Menge Leute getötet.«
»Ja, aber das waren nur Chinesen, die zählen nicht. Ich meine echte, richtige Menschen. Das ist nicht nett.«
»Und ich wüsste auch nicht, dass Dad jemals ein nettes Mädchen getroffen hätte«, sagte ich.
»Das kommt alles von den Leuten, mit denen du arbeitest. Das sind keine angenehmen Zeitgenossen. Warum gehst du nicht weg von denen und suchst dir eine normale Arbeit? Du warst doch immer so gut mit Zahlen. Warum wirst du nicht Buchhalter?«
»Oh, bitte! Jetzt fang nicht wieder damit an.«
»Wieso versuchst du es nicht wenigstens mal?«
»Weil ich nicht will. Mir gefällt das, was ich tue.«
»Aber du weißt doch gar nicht, wie es ist, wenn du es nicht versuchst, und ich glaube, wenn du dir ein bisschen Mühe gibst …«
»Nein! Nein, ich will kein Buchhalter werden. Ich mag den Job, den ich habe. Ich will nichts anderes ausprobieren.«
»Weißt du, was ich gar nicht leiden kann, sind Menschen, die Dinge von vornherein ausschließen und sich nicht einmal anhören, was andere für Ideen und Meinungen haben«, sagte sie ohne ein Fitzelchen Selbstironie. »Versuch es doch wenigstens mal.«
»Nein.«
»Aber warum nicht? Vielleicht würdest du feststellen, dass du eine echte Begabung dafür hast.«
»Nein, würde ich nicht.«
»Natürlich nicht, wenn du es gar nicht erst versuchst.«
»Mum, ich will nicht. Ich mag das, was ich tue.«
»Es könnte doch sein, dass du Buchhaltung auch mögen würdest.«
Ich hörte auf zu diskutieren, doch es machte keinen Unterschied.
»Woher willst du das wissen? Woher willst du das wissen?«, plapperte sie immer weiter. »Erinnerst du dich an Onkel Brian, der mal bei uns gewohnt hat (mietfrei und ständig betrunken) und immer seine eigene Sandwichbar aufmachen wollte, aber er dachte, er würde keinen Kredit bekommen, um …«
»Aufhören!« Jesus Christus, war es denn vollkommen unmöglich, zu ihr durchzudringen? Offensichtlich ja, denn sie laberte immer weiter von dem verschissenen alten Sack, der irgendwann genug Kohle zusammengeschnorrt hatte, um ein rattenverseuchtes Loch unter einem Eisenbahnbogen zu kaufen und zu beweisen, was für einen blendenden Erfolg man im Leben haben kann, wenn man nur will. Falls es euch interessiert, die Tasty Snack Sandwich Bar wurde vom Gesundheitsamt dichtgemacht, nachdem Onkel Brian ein halbes Dutzend Kunden mit seinen selbstgemachten Hühnchenpasteten ins Krankenhaus gebracht hatte. Er machte sich aus dem Staub und soff sich mit dem bisschen Geld, das er noch hatte, in den Alkoholismus, bevor die Kredithaie ihn erwischten. Ein echter Unternehmer, der gute verstorbene Onkel Brian.
»Ich will doch nur das Beste für dich. Ich will nur, dass du glücklich bist«, sagte sie immer wieder und wieder. »Ich liebe dich.«
»Nein«, schluchzte ich. »Niemand liebt mich. Niemand mag mich auch nur.«
»Ich hätte dich lieben können«, mischte sich plötzlich Janet ein. Wasser und Blut troffen auf den Teppichboden. Ihr Gestank brachte mich zum Würgen.
Ich schloss die Augen und schüttelte den Kopf.
»Ich habe dich aber nicht geliebt.«
»Du kanntest mich doch gar nicht«, sagte Janet.
»Ich hätte dich nie lieben können.«
»Weil ich dick war.«
»Nein, nicht, weil du dick warst. Damit hatte es nichts zu tun. Es lag an etwas völlig anderem.«
»Was ist so schlimm am Dicksein?«, redete Mum dazwischen. »Hallo, ich bin übrigens seine Mutter.«
»Hallo, ich bin Janet«, sagte Janet lächelnd und reichte Mum die Hand.
»Ich habe nicht gesagt, dass es schlimm wäre, dick zu sein. Es hatte nichts mit Dicksein zu tun.«
»Warum konntest du mich nicht lieben, Ian?«
»Ich habe es einfach nicht gefühlt.«
»Was hast du nicht gefühlt?«
»Es. Den Funken. Das gewisse Etwas. Ich habe nichts für dich gefühlt. Es tut mir leid.«
»Also, ich finde, sie ist ein ganz reizendes Mädchen«, sagte meine Mutter.
»Ich habe sie nicht geliebt«, beharrte ich.
»Und genau das ist dein Problem, dass du niemanden liebst. Du kannst niemanden lieben. Du bist gar nicht fähig dazu.«
»Das bin ich doch.«
»Nein, bist du nicht. Du weißt ja nicht einmal, was das Wort Liebe bedeutet. Du bist nicht in der Lage, irgendjemanden außer dir selbst zu lieben. Du bist selbstsüchtig.«
»Das stimmt nicht. Ich werde dir beweisen, dass das nicht stimmt.«
»Mich hast du nicht geliebt«, warf Janet ein.
»Das hat nichts zu sagen.«
»Wirklich nicht? Du bist nie geliebt worden und das wirst du auch nie. Und weißt du, warum? Weil du es einfach nicht in dir hast. Es ist ganz egal, mit wie vielen Mädchen du noch ausgehst, du wirst den Rest deines Lebens alleine verbringen.«
»Das werde ich nicht. Ich bin fähig zu lieben, ihr werdet schon sehen. Und wenn ich jede Frau in England umbringen muss, das ist mir egal. Irgendwann finde ich die Richtige.«
Da war wieder dieses Geräusch, noch lauter als vorhin. Näher. Ich sah mich nach seinem Ursprung um, aber es schien aus jeder Richtung zu kommen. Es war definitiv vor den Bäumen, doch so sehr ich mich auch bemühte, ich konnte nichts sehen. Logan versuchte mir etwas zu sagen, auf das ich mich nicht konzentrieren konnte. Als ich von der kleinen Gruppe wegging, um herauszufinden, was das Geräusch verursachte, kamen alle hinter mir her. Irgendwie war es erschreckend, dass ich der Einzige zu sein schien, der es hören konnte. Schließlich hatte Prinz Charles die Schnauze voll und sagte: »Gehst du denn nie an dein beschissenes Telefon?«
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