„Diarra!“
Ich schreckte aus meinen Gedanken auf und sah Griorr über mir stehen. Seiner Miene war nicht zu entnehmen, in was für einer Laune er sich befand. Hatte er bemerkt, wie ich seine Gefährtin und seinen Sohn angestarrt hatte? Dachte er, ich wäre eine Gefahr für sie, wegen meiner Eifersucht?
Griorr rückte einen Stuhl zurecht und setzte sich. Um meine innere Unruhe zu verbergen, verschränkte ich meine zittrigen Hände in meinem Schoß. Ich wagte nicht, Griorr direkt anzusehen und so starrte ich auf den Tisch zwischen uns. Griorr seufzte.
„Du hast dir keinen neuen Mann genommen“, sagte er. Eine Feststellung mit einer versteckten Frage.
Ich zuckte mit den Schultern.
„Hattest du keine Angebote?“
„Ein paar“, erwiderte ich ausweichend.
„Aber ...?“
„Ich war ... nicht interessiert.“
„Verstehe.“
„Sie ... Die Männer waren – alt.“
„Ich weiß, dass ich dir wehgetan habe und das tut mir leid, Diarra. Doch du weißt, dass wir beide nie besonders nah waren. Du bist eine wundervolle Frau, die viel zu geben hat. Der Mann, der dich bekommt, kann sich glücklich schätzen. Du verdienst jemanden, der dich zu schätzen weiß. Vielleicht hättest du woanders mehr Glück, einen passenden Mann zu finden.“
Mein Herz klopfte schneller.
„Du ... du willst mich aus dem Dorf verstoßen?“
„Nein, Diarra. Natürlich will ich dich nicht verstoßen. Doch du bist offensichtlich unglücklich hier. Und wie es sich ergibt, hat sich eine einzigartige Möglichkeit aufgetan, die dir vielleicht zusagen würde.“
„Was ... was für eine Möglichkeit?“
Ich hatte keine Ahnung, was für eine Möglichkeit er meinen könnte. Ich wagte nicht zu hoffen, dass ich vielleicht doch noch mein Glück finden konnte. Wenn ich zu sehr hoffte und es nicht geschah, dann würde es mich endgültig brechen. Doch als ich Griorr ansah, darauf wartend, dass er mir erklärte, was er meinte, klopfte mein dummes Herz aufgeregt in meiner Brust und mein Magen war hoffnungslos und schmerzhaft verknotet.
„Die Alien Breeds und die Menschen haben eine neue Siedlung zwischen der Kolonie im Westen und der im Osten. Sie wollen diese Siedlung mit Breeds, Menschen und Jinggs bevölkern. Es würde uns helfen, voneinander zu lernen und zusammen zu wachsen. Jeder Stamm wird ein paar Männer und Frauen zu der neuen Siedlung senden. Natürlich nur Freiwillige.“ Ich gaffte ihn ungläubig an, und er sah mich abwartend an. „Nun? Wärst du interessiert?“
„Ich ... ich weiß nicht. Ich ...“
Ich hatte Schwierigkeiten, die Neuigkeiten und die damit verbundenen Möglichkeiten zu verarbeiten. Eine neue Siedlung? Eine, wo ich mit Jinggs, Alien Breeds und Menschen leben würde? Das Dorf, in dem ich geboren und aufgewachsen war, verlassen? Der Gedanke erfüllte mich mit Aufregung und Angst gleichermaßen. Es wäre eine große Veränderung. So viel Neues. Alles was ich bisher kannte, was mir vertraut war, würde ich hinter mir lassen und komplett von vorne anfangen. Konnte ich das tun? Ich hatte nie Kontakt mit Menschen gehabt und Diamond war die einzige Alien Breed, die ich etwas näher kannte. Ich wusste wenig über diese Fremden, was für Sitten sie hatten, wie sie dachten, fühlten. Drei unterschiedliche Völker zusammen in einer Siedlung. Konnte so etwas überhaupt gut gehen? Was, wenn die Unterschiede zwischen den einzelnen Parteien zu groß war? Ich kannte nur den Weg der Jinggs. Unsere Art zu leben. Unsere Struktur und Hierarchie der Gesellschaft. An Diamonds Beispiel allein konnte ich sehen, wie unterschiedlich die Breed Frauen waren zu und Jinggs. Diamond war stark, stur, mutig. Sie hatte keine Angst, sich gegen ihren Gefährten zu behaupten oder gar sich gegen ihn aufzulehnen. Ich hatte viele Male mitbekommen wie die beiden sich manchmal stritten. Ich könnte niemals so sein wie sie.
„Du hast drei Tage Zeit, es dir zu überlegen“, unterbrach Griorr meine rasenden Gedanken. „Wenn du dann nicht zugesagt hast, muss ich einen anderen Freiwilligen finden.“
Mein Herz galoppierte schneller und das Blut rauschte in meinen Ohren. Ich würde eine Entscheidung treffen müssen, wenn ich meine Chance nicht vertun wollte. Eine Chance, neu anzufangen. Wo niemand von meiner Schande wusste, dass mein vorheriger Herr mich nicht mehr gewollt hatte, weil er – eine andere gefunden hatte. Trotz meiner Angst vor dem Unbekannten hatte der Gedanke etwas Verlockendes. Ein neues Leben, wo ich vielleicht einen Mann finden konnte, der mich wollte. Ich könnte meinem Leben neuen Sinn geben, indem ich mithalf, ein neues Dorf aufzubauen. Doch wenn ich mich nicht entschied, dann würde jemand anderer die Chance bekommen.
Ich schreckte aus meinen Gedanken auf, als ich gewahr wurde, dass Griorr aufgestanden war und im Begriff war zu gehen.
„Ich ... Ja, ich will gehen!“, rief ich aus.
Griorr sah mich prüfend an.
„Bist du sicher? Du hast noch drei Tage Zeit, es dir in Ruhe zu überlegen.“
„Ich bin sicher! Ich will gehen!“
Ein Lächeln trat auf Griorrs Gesicht. Er nickte.
„Okay. Dann komm in vier Tagen eine Einheit vor dem Morgenmahl hierher, und ich werde dir und den anderen Freiwilligen die Einzelheiten erklären.“
„Okay. Ich werde da sein!“, versprach ich.
Griorr nickte erneut, dann wandte er sich ab und ging durch den Saal in Richtung seiner kleinen Familie. Ich schloss die Augen und zum ersten Mal seit einer Ewigkeit, verzogen sich meine Lippen zu einem Lächeln. Aufregung erfüllte mich, als ich begann mir auszumalen, wie mein neues Leben aussehen könnte. Eine einzelne Träne lief über meine Wange, doch es war eine Träne des Glücks und der Hoffnung.
Kapitel 1
Diarra
Ich wusste sofort,wann Olly den Raum betrat. Ich konnte seine Anwesenheit stets spüren. Mein Herzschlag wurde schneller und mein Atem kam schwer. Ein Kribbeln ging über meinen Leib. Eine Welle von schmerzlicher Sehnsucht erfasste mich, als ich seine Stimme hörte. Er unterhielt sich mit Ted, seinem Freund. Olly hatte eine angenehme Stimme. Tief und ruhig. Doch noch besser als seine Stimme war sein Lachen. Er lachte nicht oft, doch wenn, dann war es laut und offen. Wenn er lächelte, dann wurden meine Knie weich und die Stelle zwischen meinen Beinen feucht. Wie lange hatte ich keinen Mann mehr gehabt, der sich um meine Bedürfnisse kümmerte? – Zu lange. Es war nicht dasselbe, wenn ich es mir selbst machte. Griorr war zwar nicht oft in mein Bett gekommen, doch er war ein guter Liebhaber. Er hatte sich stets viel Zeit genommen, mich gründlich zu befriedigen, ehe er an seine eigenen Bedürfnisse gedacht hatte. Was für ein Liebhaber mochte Olly sein? Er war ein eher ruhiger, doch freundlicher Typ. Sicher würde er im Bett nicht egoistisch sein.
„An wen denkst du?“, riss mich Tigress Stimme aus meinen Gedanken.
„W-was?“, fragte ich, Tigress über den Tisch hinweg verwirrt ansehend.
„An wen hast du gerade gedacht?“
„W-wieso?“, fragte ich mit klopfendem Herzen.
Tigress lehnte sich mit einem Grinsen über den Tisch und flüsterte: „Ich kann deine Erregung riechen, Diarra.“
Hitze stieg in meine Wangen als mir bewusst wurde, was Tigress gesagt hatte. Andere Breeds oder Jinggs die in der Nähe waren würden es ebenfalls riechen können. Lediglich die Menschen mit ihren schlecht ausgeprägten Sinnen würden nicht gewahr sein, dass ich erregt war.
„Niemand Bestimmtes“, erwiderte ich leise, Tigress’ Blick ausweichend. „Es ist nur ... eine Weile her, dass ... dass ich ...“
„Was?“, fragte Tigress, grinsend eine Augenbraue hebend. „Dass du es seit einer Ewigkeit nicht mehr anständig besorgt bekommen hast?“
Читать дальше