Rolf Anton Bartonek
Aus dem bösen Wirtschaftsleben
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Inhaltsverzeichnis
Titel Rolf Anton Bartonek Aus dem bösen Wirtschaftsleben Dieses ebook wurde erstellt bei
Zum Inhalt
Kapitel 1: Ratschläge
Kapitel 2: Anrüchiges
Kapitel 3: Geliehenes
Kapitel 4: Böser Arbeitsmarkt
Kapitel 5: Leidender Chef
Kapitel 6: Geld und Kommunikation
Kapitel 7: Verführung und Komplott
Kapitel 8: Küchenhorror und Gespenster
Kapitel 9: Mond und Sonne
Kapitel 10: Wutbürger
Kapitel 11: Widersprüchlichkeiten
Kapitel 12: In der Politik
Kapitel 13: Die Tiefen der Kultur
Impressum neobooks
Edel sei der Mensch, hilfreich und gut? Aber doch nicht in der Wirtschaft! Hier geht es hart zu. Der Chef ist natürlich ein Idiot, du selber baust nur Mist und willst dafür auch noch eine Gehaltserhöhung. Es fehlt an brauchbaren Geschäftsideen, kreiert werden analotive statt in-novative Produkte, ein Öko-Klo bringt dem Hintern Licht. Posten werden am Biertisch ergattert. Um dir die Karriere zu vermasseln, wählen dich die lieben Kollegen sogar zum Betriebsrat.
Der „Held“ des in Du-Form geschriebenen Glossenbuchs „Böse ist das Wirtschaftsleben“ durchläuft viele Stationen in vielen Unternehmen. Er erlebt Firmenpleiten und befindet sich ständig auf Jobsuche. Er lernt, das „sozialverträglicher Abbau“ besser klingt als „gesundschrumpfen“ und wie man seinen alten Chef vernichtend lobt, um selbst eine neue Chance zu bekommen. „Make the Future“ steht für das Englisch-Geschwätz von PR-Agenturen, in denen Menschenfreunde fehl am Platze sind, wenn es um Werbung für Finanzdienstleister geht.
Bei einem Strukturvertrieb ist das gesamte Streben darauf ausgerichtet, keine graue Maus, sondern ein Tiger zu sein. Unser „Held“ landet als Leiharbeiter am Band eines Autokon-zerns, wo es mit der Freiheit, der Gleichheit und vor allem der Brüderlichkeit absolut nicht klappt. Er versucht sich als Ein-Euro-Sklave, als Denkmal auf dem Bau und als illegaler Fahrkartenkontrolleur. Mit einer eigenen Reinigungsfirma scheitert er kläglich, wird sie nur durch kriminellen Verkauf wieder los. Für eine Zeitung produziert er Horoskope und Rätsel fürs dumme Volk. Später erfährt er viel über Bestechlichkeit am Bau, gerät selber in den Knast und landet schließlich als Tellerwäscher in einer Kantine. Bei einem Sicherheitsdienst bekommt er es mit scheißenden Gespenstern zu tun, verkauft dann Mondland, gerät in die von den Chinesen gebeutelte Solarbranche. Schließlich engagieren ihn die Berufs-Wutbür-ger, die gegen alles kämpfen – von der „blöden“ Solar-, Atom-, Wind- und Kohlekraft bis hin zu Autos und Straßen. Wegen fäkaler Waldverschmutzung muss er beim Kleckskommando im Straßenbau rackern, in einem Nordseebad findet er als Kassierer Wege, Kurtaxe privat einzunehmen. Endlich gerät er in die Politik, wo er es mit fehlenden und überlaufenden Ideen, einem Reiterdenkmal, verarmten Ärzten und einer Rhetorikschule zu tun bekommt und irrtümlich in Verdacht gerät, ein Kommunist zu sein.
Immer wieder, ob als von einem Hund tyrannisierter Gärtner oder gescheiterter Selbst-mörder, lernt unser „Held“ das Wirtschaftsleben von seiner bösen Seite kennen. Der „kleine Mann“ hat es eben nicht leicht, sich in der heutigen Gesellschaft zu behaupten. Erst als er seine Memoiren schreibt, hat er Erfolg. Vom Verlag zunächst abgelehnt, bringt er sein Buch selbst heraus und verkauft ein einziges Exemplar. Doch eine öffentlich inszenierte Verbrennung seiner Bücher beschert ihm mediale Aufmerksamkeit und einen Verlag. Der Verkauf läuft aber bald wieder äußerst schleppend. Die Deklaration zum schlechtesten Buch Deutschlands bringt endlich den Durchbruch und eine hohe Auflage.
Die einzelnen Geschichten sind in Kapiteln zusammengefasst, die zum großen Teil unab-hängig voneinander verstehbar sind. Das Prolog-Kapitel hebt sich absichtlich stilistisch von den anderen etwas ab, weil es, gewissermaßen als Eingangstür ins Buch, Verhaltensregeln im bösen Wirtschaftsleben aufstellt.
Dein Chef ist ein Idiot? Halt bloß den Mund! Der darf nicht mal ahnen, dass du so etwas denkst. Schon der leiseste Verdacht wäre tödlich. Du willst doch auch mal ein Häuschen bauen und ein Auto kaufen. Deine Frau stellt gewisse Ansprüche ans Leben, und Urlaub machst du richtig gern. Außerdem wird alles teurer. Glaubst du wirklich, dass sich deine Vorstellungen von einem guten Leben mit schlechten Gedanken über deinen Chef vertragen?
Nehmen wir mal an, er ist wirklich blöd. Kommt ja vor. Na und? Ist doch Privatsache. Der Chef darf alles und natürlich alles sein. Oder etwa nicht? Diese ewige Besserwisserei bringt dich garantiert nicht weiter. Stattdessen brauchst du positive Gedanken. Positive! Weißt du überhaupt, was das ist? Betrachte es doch mal von der günstigen Seite: Wenn jemand so viel Verantwortung trägt wie dein Chef, dann ist Dummheit etwas Außerge-wöhnliches.
Dein Chef ist also außergewöhnlich. In jeder Hinsicht. Alles, was er sagt, fällt aus dem Rahmen. Auf so was wärst du nie gekommen. Das darfst du ihm ruhig kundtun. Aber Vor-sicht, nicht zu plump. Du sollst schon schmeicheln, dein Chef erwartet das. Er ist in dieser Hinsicht sensibel wie eine Frau. Nur beachte gefälligst: Beide legen Wert auf glaubwürdige Unterwerfung. Sätze wie „Wenn Sie wüssten, wie recht Sie haben!“ bringen auf Dauer nichts. Denn der Chef weiß sowieso, dass er recht hat.
Von seinen Untertanen verlangt er mehr als bloßes Nachplappern. Logisch, wozu sonst bezahlt er all diese Dilletanten? Das viele Geld könnte er auch anderweitig einsetzen und es beispielsweise auf den Malediven verprassen. Aber nein, er plagt sich mit euch herum. Damit ihr was zu beißen habt, ihr undankbares Volk. Dafür könntet ihr ruhig ein bisschen nachden-ken. Für dich kommt es also darauf an, die Aussagen des Chefs nicht nur zu bestätigen, son-dern sie gleichzeitig intellektuell anzureichern. Der Chef muss sich darüber freuen können, was er gesagt hat.
Ein einfaches Beispiel: Dein Chef hasst Querulanten. Deshalb will er keinen Betriebsrat. Du greifst seine Idee auf und erklärst, dass ein Betriebsrat unötig ist bei so einem guten Chef, der stets die wirtschaftliche Gesamtlage und die Arbeitsplätze im Blick hat. Du machst also aus einer ungesetzlichen generellen Ablehnung eine auf den Einzelfall zugeschnittene konkrete, verbunden mit einer Brise Dankbarkeit. Mit dieser Korrektur ist dein Chef in der Öffentlichkeit tolerierbar, und diese Sozial-Faulenzer haben trotzdem verstanden, was die Stunde geschlagen hat.
Bei so einer Grundhaltung wird das eher was mit deinem Häuschen, deinem Auto, deiner anspruchsvollen Gemahlin und deinen Urlaubsreisen. Aber pass auf, was du bei deiner Rede für eine Grimasse ziehst. Dein Chef darf um Himmels Willen niemals den Verdacht schöpfen, dass du etwas nicht so meinst, wie du es sagst. Gelächter auf seine Kosten, das wäre dein sofortiger Untergang. Du würdest schneller absaufen als die Titanic. Andererseits darfst du beim Beipflichten auch nicht dreinschauen wie ein Trottel. Versetz' dich doch mal in die Lage des Chefs: Wie steht er in der Öffentlichkeit da, wenn ihm zuallererst immer ein Trottel zustimmt?
Also rein mit dir ins Schlafzimmer, und hin vor den großen Spiegel. Üben, üben, üben. Sprich tausend-, besser zehntausendmal den Satz: Mein Chef ist der klügste Mensch auf der ganzen Welt. Du wirst sehen, am Anfang lachst du dabei noch wie wild, dann grinst du eine Weile. Aber später, mit wachsender Erschöpfung vom lauten Wiederholen dieses Satzes, wirst du ernster und ernster. Der Satz gräbt sich in jede Furche deines Hirns und formt sich schließlich zum zentralen Betriebssystem in deinem Schädel. Erst jetzt vermagst du die Außergewöhnlichkeit deines Chefs voll zu begreifen und erkennst, wer tatsächlich der Trottel ist: Er steht vor dem Spiegel.
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