Shirley Sennewald
My Siobhan
Nicht von dieser Welt
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Inhaltsverzeichnis
Titel Shirley Sennewald My Siobhan Nicht von dieser Welt Dieses ebook wurde erstellt bei
In den Hallen von Kivale In den Hallen von Kivale Helle Aufregung herrschte in den Hallen Kivales. Die bleichen Wesen, die aus Pergament zu sein schienen, schwebten unruhig durch die Nacht. Keine Farbe schmückte sie, dennoch war ihr Anblick außergewöhnlich. Ihre Haut war makellos und eben flächig wie feinst gefertigtes Porzellan. Ruaidhri stampfte mit seiner königlichen Art vor seinem Thron hin und her. Wie oft hatte er ihr verboten, in den Ebenen zu tanzen? Die Winde waren dort tückisch. Er konnte ihr nicht helfen, nicht bevor die folgende Nacht heran brach. Erst wenn sich erneut die Dunkelheit übers Land legte, würde er seine Tochter zurück holen können. „Wie konnte das nur passieren?“, dröhnte seine Stimme durch die gläserne Halle. Alannah und Pearl, seine beiden jüngeren Töchter schluchzten. Die Ungewissheit über den Verbleib ihrer älteren Schwester ließ sie bitteren Tränen weinen, die sich wie ein Regenmeer über die Wiesen des gesamten Countys ergossen. Alle im Reich waren durcheinander und aufgebracht. Niemand traute sich nur einen Mucks zu sagen oder zu denken. Ihr König herrschte über den Wolken, im Reich Kivales. Doch auf der Erde war seine Macht begrenzt. „Was wirst du nun tun?“, schrieb Alannah mit kivalischen Buchstaben auf den Wolkenteppich neben den Thron ihres Vaters. Ruaidhri blickte, wissend, dass die Sonne sich schon bald über die Ebenen von Maurice legen würde, zum westlichen Horizont. Entschlossen griff er sein aus Malera bestehendes Zepter und richtete es auf die Kastanie, unter der Siobhan verweilte. Sie versteckte sich in der schützenden Dunkelheit unter der Baumwurzel. Ihrem kindlichen Tanze verfallen, missachtete sie die Verbote ihres Vaters und verirrte sich in den sehnsüchtigen Küssen der Erde. Sollten die ersten Sonnenstrahlen sie berühren, würde sie augenblicklich verbrennen. Verängstigt harrte sie aus im Schutz des Morgennebels, der sich wie eine Decke über den Waldboden legte. In den Fängen des Waldes war ihre Hülle nur ein Hauch von irgendwas. Auch mit gezieltem Blick konnte man sie nur erahnen. Siobhan war perfekt getarnt. Ruaidhri schickte einen Blitz los. Und sein Schlag traf genau in ihr Herz. Ein Schrei, gleich dem eines Kindes, durchbrach die nächtliche Stille des Waldes im selben Moment, da das erste Licht des Morgens ihren Körper erreichte.
Erinnerung
Der erste Fall
Die erste Begegnung
Schwarze Tage
Der zweite Fall
Sile und Angus
Auf dem Markt
Eine Nachricht
Der erste Kuss
Trotan
Erscheinung
Erste Leidenschaft
Louis Zimmer
Feuer in Kivale
Aufbruch
Heiße Gier
Tage, wie dieser
Der Vorschlag
Der Wolf
Besuch
Treffen am See
Falsches Spiel
Böse Tat, gute Tat
Dezembernacht
Ein Geschenk
Der achte Tag
Nach Inchagoill
Im Haus des Inquisitors
An den Ufern von Corrib
Das Tor nach Kivale
Abschied
Lennons Pfeil
Impressum neobooks
Helle Aufregung herrschte in den Hallen Kivales. Die bleichen Wesen, die aus Pergament zu sein schienen, schwebten unruhig durch die Nacht. Keine Farbe schmückte sie, dennoch war ihr Anblick außergewöhnlich. Ihre Haut war makellos und eben flächig wie feinst gefertigtes Porzellan.
Ruaidhri stampfte mit seiner königlichen Art vor seinem Thron hin und her. Wie oft hatte er ihr verboten, in den Ebenen zu tanzen? Die Winde waren dort tückisch.
Er konnte ihr nicht helfen, nicht bevor die folgende Nacht heran brach. Erst wenn sich erneut die Dunkelheit übers Land legte, würde er seine Tochter zurück holen können.
„Wie konnte das nur passieren?“, dröhnte seine Stimme durch die gläserne Halle.
Alannah und Pearl, seine beiden jüngeren Töchter schluchzten. Die Ungewissheit über den Verbleib ihrer älteren Schwester ließ sie bitteren Tränen weinen, die sich wie ein Regenmeer über die Wiesen des gesamten Countys ergossen.
Alle im Reich waren durcheinander und aufgebracht. Niemand traute sich nur einen Mucks zu sagen oder zu denken.
Ihr König herrschte über den Wolken, im Reich Kivales. Doch auf der Erde war seine Macht begrenzt.
„Was wirst du nun tun?“, schrieb Alannah mit kivalischen Buchstaben auf den Wolkenteppich neben den Thron ihres Vaters.
Ruaidhri blickte, wissend, dass die Sonne sich schon bald über die Ebenen von Maurice legen würde, zum westlichen Horizont. Entschlossen griff er sein aus Malera bestehendes Zepter und richtete es auf die Kastanie, unter der Siobhan verweilte.
Sie versteckte sich in der schützenden Dunkelheit unter der Baumwurzel. Ihrem kindlichen Tanze verfallen, missachtete sie die Verbote ihres Vaters und verirrte sich in den sehnsüchtigen Küssen der Erde. Sollten die ersten Sonnenstrahlen sie berühren, würde sie augenblicklich verbrennen. Verängstigt harrte sie aus im Schutz des Morgennebels, der sich wie eine Decke über den Waldboden legte.
In den Fängen des Waldes war ihre Hülle nur ein Hauch von irgendwas. Auch mit gezieltem Blick konnte man sie nur erahnen. Siobhan war perfekt getarnt.
Ruaidhri schickte einen Blitz los. Und sein Schlag traf genau in ihr Herz. Ein Schrei, gleich dem eines Kindes, durchbrach die nächtliche Stille des Waldes im selben Moment, da das erste Licht des Morgens ihren Körper erreichte.
Irland/Oktober 1783
Ieuan saß wie an so vielen Abenden unter der alten, knorrigen Eiche, die mit ihrem gewaltigen Wuchs alle Bäume des Waldes überragte. Ihre Blätter schienen wie jedes Jahr dem Herbst zu trotzen.
Es war der schönste Ort am Rande von Clar Cloinne Mhuiris. Die Dorfbewohner nannten ihn die 'Ebene von Maurice'. Den Namen hat sie vom normannischen Eroberer Maurice de Prendergast, der um 1170 dies Land sein Eigen nannte.
Schon seine Mutter liebte diesen Ort. Als Ieuan gerade fünf Jahre alt war, wanderte Màire mit ihm ins Tal.
Viele Jahre vergingen seit her. Und viele Tage und Nächte quälten ihn seine Erinnerungen an die Zeit seiner Kindheit. So auch jener Tag im November 1758:
Sein Vater Aidan hatte drei Tage und Nächte in den Wäldern westlich von hier gelauert. Der kalte Wind und die immer andauernde Feuchtigkeit hatten ihm ordentlich zugesetzt. Am vierten Tag kam er erschöpft, doch erfolgreich von der Jagd. Die Hungersnot sollte nun ein Ende haben. Das Schwein, das Aidan erlegt hatte, stand allerdings selbst kurz vor dem Hungertod. Und damit war nicht viel Fleisch an ihm. Aber es sollte für die nächsten Wochen reichen.
„Ich werde mich an die Arbeit machen und das arme Tier abziehen“, sprach Màire, endlich wieder Hoffnung schöpfend.
„Lennon, Ieuan, lauft schnell in den Wald und holt Holz!“
„Heute Nacht werden wir satt zu Bett gehen.“
Aidan rieb sich den knurrenden Bauch, als befände der saftige Braten sich bereits in ihm. Die Sorge in den müden Augen des Vaters war verschwunden. Das gefiel Ieuan sehr.
Die Jungen flitzten wie der Wind, der sie flugs ins Tal führte.
„Lass uns nach rechts gehen.“
„Aber dort ist das Moor. Da dürfen wir nicht hin.“
Ieuan wusste, ihr Vater würde sie hart bestrafen.
Da liegt massenhaft trockenes Holz. Ich sah es schon beim letzten Mond. Wir brauchen es nur noch einsammeln."
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