Hansestadt Rostock
Nicht ganz so bedeutend wie Rostock war Wismar. Immerhin herrschte auch hier ein lebhaftes Treiben im Hafen: In mien jungen Johren hadd Wismar dreeunföfftig Schäpen, meist mit Kahlen, de Holtfohrt wier weniger. – So ’ne Fohrt wier früher up Wismar.
Hoch bedeutend war die Seefahrt auf dem Fischland, wo doch erst im 18. Jahrhundert der Drang zur See eingesetzt hatte. Zuvor waren Landwirtschaft und etwas Fischfang auf dem Bodden die einzigen Erwerbszweige gewesen.
Schon 1832 aber meldete das „Freimüthige Abendblatt“: sechsundneunzig Schiffe besitze das Fischland jetzt, vor siebzig Jahren sei noch kein einziges dort gewesen. Und was sagt der Seemann? Hunnertfief Schäpen hett Wustrow hatt in de beste Tiet.
In de 1870er Johren hebben Wustrower Schippers Schääp in England köfft.
Wustrow
Nicht anders war es im benachbarten Dierhagen. Hier in Dierhagen sünd achtuntwintig Schippers wäst, berichtet der eine, und ein anderer stellt sogar fest: 1857 wieren in Dierhagen soebenunviertig Schäpen, dee in Fohrt wieren.
Aus Dändorf liegen folgende Berichte vor: In Dändorf waren in meiner Jugend zweiundfünfzig Häuser, davon besaßen sechs Bauern, ein Müller, ein Schmied, drei Arbeiter je ein Haus, alle übrigen gehörten Seeleuten. – Dändörp wier de riekste Uurt up ’n Fischland, so bi viertigdusend Mark rüm hadd jeder Schipper, oft ok mihr.
Soweit die Blütezeit der Segelschifffahrt in der Erinnerung. Dem großen Geschäft (Soebenteihn bet twintig Prozent hebben de Schäpen bröcht) folgte die Krise. Und dies sind erinnernde Berichte über den beginnenden Verfall: Utgangs von de achtziger Johren güng de Sägelschippfohrt daal. Bi 1890 rüm sünd de Schäpen all verköfft na Sweden un Nuurwägen. Wat wi in Düütschland nich mihr bruken künnen, dat kreegde Skantehuw (so säden wi to den Sweden); dat wier so von 1885 bet 95. De Memeler un Danziger köfften ok Mäkelbörger Schäpen up, oewer am meisten de Sweden. –
links das Fischland um 1761 – Grenzlinie zwischen Mecklenburg und Pommern
Nienhagen, Wustrow, Ribnitz gehörte zu Mecklenburg – Dammgarten, Prerow, Zingst und Barth zu Schwedisch- bzw. Preußisch-Pommern
Türverglasung – Prerow – Foto von Jürgen Ruszkowski
De Schippshändler Paul Gramp in Rostock up ’n Borgwall hett donntomal väl Schäpen köfft un verköfft. He köffte de ollen Schäpen un verköffte se an de Sweden. Se würden ’n bäten upfient, alle Löcker tostoppt un oewersmeert.
Manchmal erkannten in späteren Jahren die ausgedienten Seeleute, die ihr täglicher Gang in den Hafen führte, ihr altes Schiff voller Stolz und Trauer wieder: Den Haifischswanz heff ik noch sülben an ’t Boogspriet annagelt. Und die Geschäftsleute klagten: Wat is de Welt retour gahn, wat bröcht so ’n Schipper Nohrung in de Stadt!
Die alten Seeleute empfanden auch schmerzlich den Rückgang der alten Bräuche auf den Schiffen. Früher wier dat all in den Gang mit den ollen Seemannsbruuk, nu hett sik de Welt dreiht. – De ollen Seemannsbrüke hadden sik oewerläwt – dat wier vör dissen. Vielen Jüngeren standen die Bräuche so fern, dass auf meine Frage ein Seemann meinte: Dee Moden sünd woll vör Christi Geburt wäst. Andere sagten: To mien Tiet – so bi 1900 rüm – wier dat all mihr utstorben. Dat wier all all in ’n Vergäten, as ik jung wier.
Der Raddampfer SIRIUS überquerte als erster den Atlantik
Mit Geringschätzung schaut so ein alter Segelschiffer auf den Dampferbetrieb herab: Nu kann jo jeder Buerknecht to See fohren. Nu is dat jo bloot noch Winnschendriben un Farwwaschen un an ’t Roder stahn. Hüüt up ’n Damper lihrt so ’n Jung jo wider nicks as ’n Bessen anfaten un mit ’n Pinsel ümgahn.
Kalenderblatt der Seeberufsgenossenschaft
So ’n Madrosen as früher gifft dat jo nich mihr. Hüüt kann ’n oll Wiew ’n Schipp roewerbringen. Und krass ausgedrückt: Früher geew dat höltern Schäpen un isern Madrosen, nu gifft dat isern Schäpen und höltern Madrosen. – Bi ’n Damper heit dat: Vullkraft voraus! Oewer ik müsst dat Schipp – nach dem Tod des Kapitäns – mit Sägel roewerbringen, erzählte stolz ein früherer Steuermann.
Klingt aus solchen Worten die Hochschätzung der gewiss schweren, aber doch vielseitigen Arbeit auf den Segelschiffen, so tadelte man an der Dampfschifffahrt auch die Eintönigkeit und Hetze bei der Arbeit. Man wier mihr Minsch up ’n Sägelschipp. Nu heit dat: Rin in ’n Haben un wedder rut. Bi de Sägelschippfohrt künn man sik doch mal verpusten, nu geiht dat jo all mit de Klabatsch.
Der wirtschaftliche Rückgang am Jahrhundertende wird aus der Sicht von 1930 auf die Maschine zurückgeführt. Früher wier Handel un Wandel un Arbeit, de Maschinenkraft verdarwt uns. Dor hett sik dat sammelt mit de Fracht, dat se wat to doon hadden. Hüüt ward Winter un Sommer fohrt – dat is jo grad de Verdarw. Ob hier nicht ein früherer Segelschiffreeder seine qualmende Konkurrenz doch ein wenig verkannt hat? Überlassen wir die Entscheidung über Wert und Schönheit der Segelschifffahrt dem Urteil der Fahrensleute!
Die Fahrensleute - Anmustern und Heuer
Um als Matrose oder Steuermann auf ein Schiff zu kommen, eine Schanz zu erhalten, bedurfte es vor hundert Jahren keines besonderen Arbeitsvertrages: Up goot Wuurt würden se anmustert früher. Auch die Arbeitsvermittlung selbst will uns heute merkwürdig erscheinen: De Madrosen hadden in Rostock ehren Gang von de Blootstrateneck an ’n Rathuus roewer, dor würden se denn anspraken. De Madrosen güngen dor, wo de Botterwagens hölen, up un daal – de Stüerlüd uppe anner Siet, wo de Laden von Schomann is. Denn kemen de Schippers un hüerten sik dor de Lüd. Wenn se man ierst eenen hadden, dee besorgte denn de annern. – Wenn Seelüd in Rostock in ’n Winter to Huus wieren, güngen se morgens von Klock nägen bet teihn up ’n Markt spazieren un vertellten sik wat. Se güngen in de Midd von ’n Markt von ’n Schoren na de Blootstraat hen. Denn keem de Hüerbaas. Denn frögen em de Madrosen: Hest du ’ne Schanz? Ja, up dat un dat Schipp. Dee em goot spicken deden, würden vörtreckt. Kröpelin, Feihstel un Stahl wieren de dree Hüerbaase in Rostock. Einen solchen Stellenvermittler für Seeleute hat es offenbar nicht immer gegeben. Hier in Wismar würd früher uppe „Schippergesellschaft“ in de Hog’straat mustert un afmustert. Naher ded sik hier ok ’n Hüerbaas up.
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