Der erste Blick durch das 8“-Teil hat mich „geflasht“ - wo bisher nur „milchige Flecken“ zu sehen waren habe ich endlich die lange gesuchten Andeutungen von Galaxien gesehen. Das hat Lust auf mehr gemacht – jetzt sollte ein richtig großes Rohr her – endlich sehen, was bisher nur die Kamera schafft. Da die großen Rohre nur als Dobson zu realisieren sind, habe ich erst mal eine solche Montierung für mein frei gewordenes 6“er gebastelt – wollte erst mal sehen und fühlen wie das funktioniert. Das Ergebnis war sehr praktikabel – Perfektionist bin ich da noch nicht, aber meiner „schnell und schlampig Zeit“ zum Glück entwachsen. So ein Dobson-Teleskop erschien mir als gute Lösung und da war sie dann wieder, die Idee zum Spiegelschleifen – kaufen ist langweilig, wollte mir und meinen VHS-Kurs-Teilnehmern zeigen, dass es wirklich geht. Sollte ein Test werden, nicht der perfekte Spiegel, nicht das perfekt Teleskop, einfach mal testen was geht und was eben nicht geht.
Da war der Urlaub im Corona-Sommer gerade passend, drei Wochen Garten, Zeit zum Schleifen.
Inzwischen ist das „Teil“ ziemlich fertig, der Spiegel gerade auf dem Weg zu OrionUK zum verspiegeln (der blöde Brexit hat das ziemlich in die Länge gezogen, aber die üblichen deutschen Verspiegler wollten utopische Preise) und ich habe in der Wartezeit begonnen meine Spiegelgeschichte aufzuschreiben. Ein Buch wollte ich schon immer mal schreiben, als Kind Sciencefiction, später meine Diplomarbeit zum Leistungselektronikbuch erweitern, jetzt mach ich zum ersten Mal ernst und versuche halt meine Spiegelgeschichte – muss ja alles mal ausprobieren….
Die Idee ist das Eine, aber das Umsetzen? Wie geht das? Geht das überhaupt? Wie soll das gehen, eine Glasplatte so zu schleifen, dass da ein Spiegel draus wird, kein flacher Spiegel wie er im Badezimmer hängt, sondern ein Spiegel mit parabolischer Form? Ohne spezielle Werkzeuge und Kenntnisse?
Ja gut, Parabel kennt man aus der Schule, Matheunterricht: irgend so eine komische quadratische Gleichung auf das Papier gemalt; es gab hübsche Schablone um zumindest die Einheitsparabel ordentlich zu zeichnen, alles andere war schon sehr „schräg“. Ja die gute alte Parabel, wichtig in der Solartechnik – parallel einfallende Lichtstrahlen werden zu einem Brennpunkt reflektiert, das kommt auch in Solarthermiekraftwerken zum Einsatz. Es ist schon als Parabolrinne schwierig zu bauen (auch so ein Projekt das ich gerne mal umsetzten möchte) und jetzt rund als Spiegel aus Glas?
Total irre die Idee: ein guter Spiegel für ein Newtonteleskop sollte eine Oberflächengenauigkeit von ca. 10 nm aufweisen!
Was sind nm (Nanometer)? Ja, einfach: Einheit für Längenmessung - im normalen Leben aber nicht greifbar. Meter ist einfach, Zentimeter auch kein Ding, Millimeter – die kleinste Teilung auf den gängigen Linealen – all das lässt sich begreifen, 1/10 Millimeter kann man mit einem mechanischen Messschieber noch leicht messen, bei 1/100 Millimeter wird das schon sehr schwierig. Aber noch kleiner? Ja, bin ja aus Hohenlohe, dem Mekka der Abfüllmaschinenbauer. Die Dosierpumpen für flüssige Medikamente müssen sehr genau sein, die werden irgendwo im Mikrometerbereich geschliffen, da sind wir jetzt schon bei 1000-stel mm oder 1000000-stel Meter. Und das ist immer noch nicht genau genug.
Wer die Wunder des Universums mit eigenen Augen sehen will benötigt ein Teleskop dessen Spiegel auf den 100-sten Teil eins Mikrometers genau geschliffen ist und das auf der gesamten Spiegelfläche mit möglichst großem Durchmesser.
Diese Vorstellung ist genau so wenig zu begreifen wie die Weiten im Universum.
So grenzenlos weit das Universum ist, so unvorstellbar genau muss der Spiegel geschliffen werden.
Wer das zum ersten Mal hört, muss das für unmöglich halten – aber gerade das macht die Sache so spannend.
Kann es gelingen die Grenzen der eigenen Vorstellungskraft zu überwinden?
Viele Spiegelschleifer haben sich auf das Abenteuer eingelassen, mit viel Geduld und etwas Geschick kann das jedem gelingen.
Natürlich darf man nicht erwarten an einem Wochenende einen perfekten Spiegel für ein großes Teleskop zu schleifen und am nächsten die Mechanik dazu bauen. Ganz so einfach und schnell ist das dann doch nicht. Erst mal sollte man sich mit der Materie befassen, man will ja schließlich wissen worauf man sich einlässt.
Wer im Internet sucht kann beliebig viele Quellen finden, die wichtigsten für mich waren das gute alte Buch „Spiegelfernrohre – selbst gebaut“ von Martin Trittelvitz (mit etwas Glück noch gebraucht zu finden) – ist gut für alle die ein Buch in Händen halten wollen, da ist Vieles toll erklärt. Noch wichtiger die Internetseite von Stathis Kafalis „www.stathis-firstlight.de“, er ist während meiner Schleifarbeit mein Guru geworden, er liefert nicht nur die Glasrohlinge und Schleifmittel in „alles-wird-gut“ Zusammenstellung, auf seiner Seite sind soooo viele Tipps und Tricks, da kann fast nichts schiefgehen. Und wenn doch, hat er mir immer wieder einen guten Hinweis gegeben wie ich aus dem jeweiligen Loch herauskommen kann.
Meine wichtigste Quelle, die Inspiration, die mich in dieses Abenteuer gezogen hat, das „Muss“ für alle angehenden Spiegelschleifer – und solche die noch nicht wissen, dass sie mal Spiegel schleifen werden: Das John Dobson Video „Telescope Building with John Dobson“ (leicht zu finden bei YouTube). Jeder der sich im Entferntesten für Astronomie interessiert sollte sich das Video ansehen.
John Dobson erklärt hier sehr detailliert (leider nur auf Englisch, aber gut zu verstehen) wie ein Spiegel geschliffen wird und auf was es beim Bau eines Dobson-Teleskops ankommt.
Jetzt ist gerade ganz oft der Name „Dobson“ gefallen – ist ein ganz besonderer Mensch, der es geschafft hat mit seiner einfachen Konstruktion des nach ihm benannten Teleskops, die Amateurastronomie für viele erst erschwinglich zumachen.
Dieser besondere Mensch – inzwischen leider verstorben (2014) – soll in meinem Buch sein eigenes Kapitel erhalten.
Wer ist dieser „ominöse“ John Dobson? Wer sich schon mal mit Teleskopen beschäftigt hat, ist bestimmt schon mal über das eine oder Dobson-Teleskop „gestolpert“ - von vielen nicht ganz ernst genommen, verfügen sie doch über keine „richtige“ Montierung. Allgegenwärtig sind die tollen parallaktischen Montierungen – als Gabelmontierung oder noch „besser“ deutsche Montierung – oft Computergesteuert, Astronomie „ToGo“ einfach aufstellen und per „GoTo“-Automatik die gewünschten Objekte im Sucher finden. Natürlich hat die Technik ihren Preis, da wirken die Dobsons fast „minderwertig“: einfache Newton-Teleskope (zum Teil mit Tubus aus lackierter Pappe) auf Montierung deren Basis eine „Rockerbox“ bildet. Mit automatischer Nachführung ist da nix, also wie soll da das Beobachten gelingen?
Keine Ahnung, ich habe den Versuch gemacht, mein altes 6“er zum Dobson „assimiliert“ - und siehe da: es hat funktioniert.
Das Dobson-Teleskop hat zwei ganz große Vorteile:
Es ist schnell aufzubauen, keine Montierung die lange „eingenordet“ werden muss, einfach aufbauen und durchschauen. Zusätzlich ist es die einzige Möglichkeit, größer Teleskope erschwinglich und transportabel zu machen
So, jetzt wissen wir warum das Dobson-Teleskop seine Berechtigung hat, und sich dieses Buch mit dem Bau beschäftigt, aber noch nix über John Dobson.
Ich selber wusste, außer der Teleskopbauart nichts von ihm, dachte das war irgend so ein alter Gelehrter, der halt auch Teleskope gebaut hat – vielleicht zu der Zeit von Newton? Umso erstaunter war ich als ich über das Video gestolpert bin: John Dobson persönlich erklärt den Teleskopbau? Besonders eine Szene machte mich noch neugieriger auf ihn: irgendwann ist er mit einem total „vergammelten“ Lieferwagen auf dem Weg zum Baumarkt und besorgt sich eine Röhre als Tubus für das Teleskop – muss wohl eine Papierschalung für Betonsäulen gewesen sein.
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