Kein Bundesland ist derzeit von der Corona-Pandemie so stark betroffen wie Sachsen, die Sieben-Tage-Inzidenz bezogen auf 100.000 Einwohner liegt dort laut Robert Koch-Institut derzeit bei 407,1 - mit gravierenden Auswirkungen auf das Gesundheitssystem.
Für Aufsehen sorgen daher Berichte, wonach der Ärztliche Direktor des Oberlausitzer Bergland-Klinikums, Mathias Mengel, in einem Online-Forum von Triage sprach. Triage bedeutet, dass Mediziner aufgrund von knappen Ressourcen entscheiden müssen, wem sie zuerst helfen.“ *15)
Das Unfassbare, so lautet die Aussage der Präsentation vom 21.12.2020:
Trotz und mitten in der Corona-Pandemie …
… schließen Krankenhäuser
… forcieren Gesundheitsberater den Abbau von Klinikkapazitäten.
Die erwähnte Präsentation anlässlich der Gründung des Bündnis Klinikrettung enthält eine Abbildung von bestehenden und ehemaligen Krankenhäusern in einer eingekreisten ostbayerischen Region:
Abb. 7 bildet das Kliniksterben in Ostbayern exemplarisch ab. *16)
Kliniksterben gibt es in dieser überwiegend ländlichen, dünn besiedelten Region, seit Jahren (kleine Punkte auf einer Karte Ostbayern). Kliniksterben gibt es aber auch mitten in der Pandemie (große Punkte).
Von 34 der dargestellten ostbayerischen Krankenhäuser starben …
seit 2004 insgesamt 10 Krankenhäuser (29,4%)
seit 2020 insgesamt 4 Krankenhäusern (11,8%)
seit Ausbruch der Corona-Pandemie, erster Lockdown 2020 insgesamt 3 Krankenhäuser (8,8%).
So hat auch der Buchautor in einem Leserbrief offiziell protestiert:
„Lockdown und Klinikschließungen – der unfassbare Widerspruch!
Dramatische Zuspitzung der Corona-Infektionen!
Dramatische Wochen spielen sich in Deutschland ab. Die täglichen Infektionszahlen in Deutschland sind alarmierend hoch. Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Bundesländer verabschieden den zweiten Lockdown, Zeitdauer offen. Experten warnen vor einer Überlastung des Gesundheitssystems. Trotz Lockdown bleibt die Sorge, dass die Pflegekapazitäten in Krankenhäusern, die Krankenhausbetten und die Betten auf Intensivstationen nicht ausreichen, um die Corona-Patienten adäquat versorgen zu können. Das wäre fatal! Das Leben vieler Bundesbürger wäre gefährdet. Deshalb auch die Notbremse, der Lockdown.
Mit Recht kritisieren die Regierenden diejenigen Bürger, die sich den Lockdown-Regularien widersetzen. Der Tenor: Jeder Bürger habe die Verantwortung für sich und für das Leben Anderer! Das ist richtig – wir kommen später darauf zurück!
Jedes Krankenhaus in Deutschland wird jetzt gebraucht!
Die Argumentationskette des Lockdown scheint schlüssig: Jeder Bundesbürger schränkt sein Leben massiv eins, trägt zur Senkung der Corona-Infektionsrate bei und schont so die Behandlungskapazitäten in Krankenhäusern, die schlimmstenfalls nicht ausreichen könnten. Alle KlinikmitarbeiterInnen, die bereits beim ersten Lockdown im März und April bis an ihre physischen Grenzen und unter hohen Ansteckungsgefahren PatientInnen behandelt haben, werden auch jetzt wieder gebraucht: die „Helden der Nation“. An aller erster Stelle aber brauchen wir jedes Krankenhaus in Deutschland.
Verantwortungsbewusstsein der Bevölkerung – gegen Klinikschließungen
Die meisten Bundesbürger haben laut ARD-DeutschlandTrend Extra, Stand 07.11.2020, die Botschaft verstanden. Danach geben 79 Prozent der Befragten an, dass ohne strengere Regeln die Pandemie nicht in den Griff zu bekommen sei. 72 Prozent halten die aktuellen Regeln im zweiten Lockdown grundsätzlich für angemessen oder sogar für nicht weit genug. Angesichts der einschneidenden Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte jedes Bürgers ist dies ein Zeichen hohen Verantwortungsbewusstseins. Schließlich geht es um Schutz und Leben von Menschen!
Genau deshalb haben die Bundesbürger umgekehrt auch ein Anrecht auf verantwortungsbewusstes Handeln der Regierenden. Und ihre Vorstellungen sind laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage von „Gemeingut in BürgerInnenhand“ klar formuliert: 96 Prozent der Befragten stellen die Patientenversorgung über die Wirtschaftlichkeit von Krankenhäusern. 88 Prozent der Bevölkerung sind gegen weitere Krankenhausschließungen in Deutschland.
Krankenhausschließungen und Corona – der bestürzende Widerspruch
Die bestürzende Wahrheit: Das mehrheitliche Bekenntnis der Bundesbürger zu ihren Krankenhäusern, zu ihren „Helden der Nation“, ist bitter nötig! Seit Jahrzehnten ist Deutschland von massiven ökonomischen Sachzwängen und von Krankenhausschließungen betroffen. Gab es 1991 noch 2.411 Krankenhäuser, so waren es 2018 nur noch 1.925, ein Rückgang von immerhin 20%. Bundeskanzlerin Angela Merkel, Gesundheitsminister Jens Spahn, und viele Ministerpräsidenten setzen auf wenige ökonomisch orientierte Klinikstandorte und unterstützen diesen Prozess durch ein systematisches gesundheitspolitisches Programm:
- Ein bundesweiter Strukturfonds fördert seit 2016 Betten- und Klinikschließungen im jährlichen Umfang von bis zu 750 Mio. €.
- Nordrhein-Westfalen sieht in seiner Krankenhausplanung explizit Krankenhausschließungen vor.
- Niedersachsen plant, Bürgerentscheide zur Schließung von Klinikstandorten auszusetzen.
Der Skandal: Daran ändert auch Corona nichts! Trotz aller Ermahnungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn, alles Erdenkliche zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu unternehmen, geschieht das Unfassbare. Sie fördern weiter Krankenhausschließungen - mitten in der Pandemie. Noch im Oktober 2020 verabschiedeten Bundestag und Bundesrat ein Krankenhauszukunftsprogramm, bei dem die Umwandlung von Zweibettzimmern in Einbettzimmern dann gefördert wird, wenn das betreffende Krankenhaus insgesamt mit weniger Klinikbetten auskommt.
Und die Förderungen zeigen Wirkung: Allein in Bayern wurden seit März 2020, also seit Ausbruch der Corona-Pandemie, vier Krankenhäuser in Waldsassen, Vohenstrauß, Roding und Fürth geschlossen, in ganz Deutschland sind es mindestens 14. Das ist ein untragbarer Zustand in einer Krisenzeit, wo jedes verfügbare Klinikbett zählt. Wer so handelt, gefährdet die Gesundheit der Bevölkerung und handelt grob fahrlässig. Die Regierenden in Bund und Bundesländern unterlassen ihre Sorgfaltspflicht gegenüber der Bevölkerung, und nehmen – auf Kosten des Gemeinwohls – einen Kollaps des Gesundheitswesens bewusst in Kauf.
Tragik und Gefahren
Die Tragik dieser gefährlichen Entwicklung: In all den dringenden Appellen um mehr Disziplin im Lockdown scheint die Mehrheit der Bürger den Prozess systematischen Kliniksterbens noch gar nicht registriert zu haben. Die Folgen aber sind fatal:
Aus Sicht der verantwortungsbewussten Bürger:
- Immer weniger Kliniken mit weniger Personal werden für eine adäquate klinischeVersorgung zur Verfügung stehen.
- Bei Katastrophenfällen und Pandemien ist die klinische Versorgung akut gefährdet, weil
Vorsorgekapazitäten fehlen.
- Das wohnortnahe Krankenhaus hat keine Zukunft mehr.
Aus Sicht des Klinikpersonals
- MitarbeiterInnen in Krankenhäusern werden systematisch bis zur Belastungsgrenze in Anspruch genommen.
- KlinikmitarbeiterInnen bangen um ihren Standort und ihren Arbeitsplatz.
- Die „Helden der Nation“ fallen ökonomischen Sachzwängen zum Opfer.
Demokratieverständnis
88 Prozent der Bevölkerung sind gegen weitere Krankenhausschließungen.
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