Dies zeigt also, dass es hier um eine Person geht, die sich zu einem Kultobjekt verwandelt hat, wodurch verschiedene Mythen, Legenden und Geschichten ersonnen wurden, um einen entsprechenden Kult bzw. um eine Religion zu gründen. So gibt es zum Beispiel die Legende, dass sie die Tochter eines machtvollen Häuptlings war, die im Jahr 1502 geboren wurde, wobei eine andere Legende sagt, dass ihr Vater eigentlich ein machtvoller spanischer Konquistador war, der sich bewusst für die indigenen Völker einsetzte. Da kultische Handlungen meistens auch immer auf Bilder angewiesen sind, wird María Lionza als reife Frau dargestellt, die in diesem Kontext „wohl proportioniert“, hierbei aber auch sich nackt zeigt, und auf einen Brillenbären oder manchmal auch auf einen Tapir reitet, was in diesem Kontext ohne weiteres möglich ist, wenn María Lionza eine Körpergröße von ca. 1,50 m hatte. Natürlich ist dies einfach nur eine Metapher, dass gezeigt wird, dass sie die Macht über die Natur hat, so wie sie auch die Macht über wilde Tiere besitzt. Da die Brillenbären Raubtiere sind, die Tapire aber Pflanzenfresser, zeigt dies wieder, dass die Königin, die Göttin, María Lionza, wahrlich Macht über die Natur hat, wobei es in diesem Kontext interessant ist, dass die Tapire in ihrer Evolution, also in ihrem charakteristischen Körperbau, schon seit über 14.000.000 Jahren keine große Veränderung erlebt haben. Natürlich gibt es auch hier immer wieder unterschiedliche Rassen, wobei aktuell nur noch fünf Rassen existieren. Der primäre Kult wird am Berg „Cerro de Sorte“ zelebriert, der sich im Norden Venezuelas befindet, in etwa zwischen den beiden größeren Ortschaften „Barquisimeto“ und „Valencia“, der im Übrigen im Jahr 1980 zum Nationalpark erklärt wurde. Bei der Verehrung von María Lionza geht es primär darum, dass man sich nicht selbst unterordnen muss, selbst wenn die Herrscher mit Gewalt agieren. Es geht darum, dass man sich widersetzen kann, es geht darum, dass man sich selbst eine Heilung geben kann, sodass man hier auch schamanische Lebensweisen in seinen Alltag ohne weiteres integrieren kann. In diesem Kontext ist es natürlich wieder klar, dass mit der Hilfe der schamanischen Lebensweisen und Arbeitsweisen, Kontakte zu den Naturgeistern aufgebaut werden können, so wie auch zu den eigenen Ahnen, zu den Vorfahren, wodurch man wieder auf ein breites energetisches Spektrum zugreifen kann, mit deren Hilfe man sein Leben bestreiten kann. Heutzutage agieren sehr viele Menschen im María Lionza Kult, sodass es Pilgerfahrten gibt, wo es dann auch wieder um Tanz, rhythmische Trommeln, Räucherungen und Ekstase geht. María Lionza wird auf der einen Seite als Heilige, auf der anderen Seite manchmal auch als Göttin, gleichzeitig aber auch nur als besonderer Mensch verehrt, sodass es im María Lionza Kult auch ein eigenständiges Pantheon gibt, wobei hier primär drei Prinzipien zu benennen sind.
So ist hier einmal María Lionzaselbst zu nennen, die in diesem Kontext als wichtigste Gottheit gilt, daneben dann der Häuptling Cacique Guaicaipuro(wobei Guaicaipuro sein Name ist und Cacique ein Titel ist, der grob mit „Führer der Führer“ übersetzt werden kann) und letztlich der ermordete Sklave „ Negro Felipe“ (was man wortwörtlich mit „schwarzer Philipp“ übersetzen kann) der in einem Sklavenaufstand, bzw. in einem Unabhängigkeitskampf, eine herausragende Rolle spielte, sodass hier der Geist der Unabhängigkeit, der Rebellion und der Selbstaufopferung thematisiert wird. Es ist jedoch nicht einfach, klar zu sagen, ob es sich hierbei wirklich um Gottheiten handelt oder einfach um Geister, da die Religion María Lionza hier keine großen Unterschiede macht. Es geht in diesem Kontext nicht um Schöpfungsmächte, die omnipotent in irgendwelchen Ebenen hocken, und die Erde erschaffen haben, nein, es geht um Energien, die den Menschen im Alltag zur Seite stehen. Daher existieren auch noch weitere Geister, Götter oder einfach nur national Heilige, die in dem Kult bzw. in der Religion María Lionza angerufen und herbei gebeten werden. Die größte Verbindung zum klassischen Voodoo besteht in der Opferbereitschaft, sodass den Geistern, den Göttern, den Lokalheiligen verschiedene alkoholische Getränke geopfert werden, so wie auch Blumen, Parfums, Zigaretten und Zigarren und natürlich Speisen, wobei hier meistens Obst genommen wird und sehr selten Fleisch. Der Grundgedanke ist natürlich der, dass man durch die jeweiligen Opferungen die Energien, die Geister, die Götter, die Entitäten gnädig stimmt, sodass man seine eigenen Bitten übermitteln kann, und hierdurch eine Unterstützung erhält.
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Die nächste Religion, die ich hier im Zusammenhang mit „Voodoo“ betiteln will, trägt den Namen „Palo“ - doch wenn man es sich genau anschaut, dann ist „Palo“ auch wieder nur eine Sammelbezeichnung, sodass hier verschiedene religiöse Strömungen tituliert werden, die sich auf Zentralafrika und auch auf Westafrika beziehen. Manchmal wird statt „Palo“ auch „ Las Reglas de Congo“ als Bezeichnung benutzt, sodass hier einfach angedeutet wird, dass es eine ursprüngliche Religion ist, die ihre Wurzeln im Kongobecken besitzt, eigentlich in Zentralafrika, sich jedoch entlang des Kongos manifestiert hat, und somit auch bis nach Westafrika gedrungen ist.
Wenn man dann etwas tief vergraben will, dann findet man die Bezeichnungen verschiedener Religionen, die unter den Begriffen, Briyumba(bzw. Brillumba), „ Bukongo“, „ Kimbisa“, „ Mayombe“ (oder auch „ Mallombe“ bzw. „ Mayumbe“) und Monte bekannt sind. Die Ursprünge dieser verschiedenen Religionen, liegen wieder sehr klar in Westafrika, speziell in einem Gebiet, welches sich auf die Westküste Afrikas bezieht, dort wo die Mündung des Kongos ist. Gut, manchmal ist auch der gesamte Kongo als Ursprung definiert, wobei die Länge des Kongos, mit über 4800 km nicht zu verkennen ist, sodass hier sehr viele Länder, sehr viele Kulturen und sehr viele Stämme im Einzugsgebiet dieses Flusses existierten und immer noch existieren. So gibt es hier sehr viele verschiedene spirituelle Glaubenssysteme, Rituale, Verehrungen und Maximen, sodass man hier nicht alles über einen Kamm scheren kann. Wenn man jedoch einen primären und knallroten Faden suchen und finden will, dann findet man diesen in Bezug auf die Praktiken, die heutzutage mit dem Voodoo assoziiert werden. In einigen der Religionen, geht es darum, dass es auch wieder eine primäre Schöpfergottheit gibt, mit der aber eigentlich nicht gearbeitet wird, da diese, im energetischen Sinne, viel zu hochschwingend ist, und man sie sowieso nicht erreichen kann, bzw. diese Gottheit überhaupt kein großes Interesse daran hat, sich mit den Menschen direkt abzugeben. Hier wird das Prinzip „ Nzambi Mpungu“ thematisiert, wobei hier natürlich noch etliche andere Namen existieren, wobei ich über dieses Prinzip in der Religion „Candomblé“ schon einiges beschrieben habe. So gibt es in diesem Kontext natürlich auch in der Religion Palo verschiedene andere Gruppierungen, die aber in diesem Kontext auch wieder sehr eng mit den Gruppierungen in der Religion Candomblé verflochten sind. So gibt es in diesem Kontext natürlich auch wieder bewusst vollzogene Invokationen, sodass die Geister und die Götter die Gläubigen erfüllen und „reiten“ können, wodurch eben Heilungsrituale, Hilfestellungen im Leben, Glück und Erfolg und alles, was man sich sonst noch so wünscht, ermöglicht werden soll. In der Religion Palo geht es auch noch mal sehr deutlich darum, dass hier so genannte Priester, Heiler, Schamanen oder auch eben Priesterärzte eine besondere Rolle übernehmen, die in diesem Kontext als „Nganga“ bezeichnet werden, und eigentlich die klassischen Priester sind, sodass hier einmal Vermittlungen stattfinden, aber auch Invokationen bzw. Evokationen angeleitet werden. Ein wichtiger Glaubenssatz besteht darin, dass die Nganga Portale und Tore öffnen können, sodass die Geister, die Götter und natürlich auch die Verstorbenen, also die Ahnen, in die diesseitige Welt eindringen können.
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