David Wilde
Mister Tibpit
Der Wolf jagt den Häuter
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Inhaltsverzeichnis
Titel David Wilde Mister Tibpit Der Wolf jagt den Häuter Dieses ebook wurde erstellt bei
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Impressum neobooks
Er lag verrenkt, mit einem letzten Rest von Leben unbemerkt von aller Welt auf einem Berg aus Glas und stinkendem Unrat. Sein Brustkorb hob und senkte sich, verharrte in dieser Position, seine Lungen rasselten und sein Atem setzte aus. Nach einer Weile, gelang ihm ein weiterer schnappender Atemzug und das Schauspiel wie ein Mann am Blut in seinen Lungen ertrank begann von vorne. Und über ihm brannten die Sterne am samtschwarzen Firmament ein schöner runder Mond streichelte die Augen seiner Betrachter und sanfter Wind strich über die Erde und trieb den Geruch nach Glockenblumen, Schachtelhalm und Verwesung mit sich. Obwohl er kaum noch atmete, versuchte er, die Augen zu öffnen, noch ein letztes Mal etwas Schönes sehen. Es gelang ihm nicht, irgendetwas einen Nerv oder einen Muskel in seinem Gesicht zu bewegen. Nicht tot, schrie er geräuschlos erleichtert, als ein brennender Schmerz in dem tobte, was von seinem Gesicht übrig geblieben war. Rot zerplatzt entstellt schwarzviolett. Er hatte keine Zähne, er spürte das rohe Zahnfleisch und schmeckte Blut. Das Blut gurgelte in seinen Lungen prasselte in seiner Kehle und gluckste in seinem Bauch. Hätte er doch noch Kraft, flehte er. Er musste durchhalten, kurz ausruhen und dann zur Straße krauchen. Er hatte Autos gehört. Er lag hier auf einer Müllkippe – einer stinkenden Deponie am Stadtrand von Pimlico – Camden, er hatte Worte und Gesprächsfetzen mitbekommen. Möglicherweise hatten die Männer einen Streit, wo sie ihn hinauswerfen sollten? Stimmen gedämpft von einer blutbeschmierten Wolldecke, in die er gewickelt gewesen war. Ein zerrissenes Ding, ein Fetzen ohne andere Identität als der bestialische Geruch. Einer sagte er wolle seinen Kofferraum nicht voll geblutet haben und für die Bullen einen roten Fluss bis nach Camden ziehen. Die Männer brachen in Gelächter aus, als sei das der beste Witz des Jahrhunderts gewesen. Allein die Erinnerung an das Lachen der Männer, gefiltert von der durchbluteten Wolldecke, deren Fasern, wie ein Pflaster an seinen offenen Wunden klebten und dem Blech des Kofferraums, verstärkten die Hölle aus Schmerz. Nicht schwach sein, noch nicht ... Er war also in Camden. Etwas ausruhen, er hatte vorhin – vor Kurzem oder vor Stunden, wie spät war es? Er hatte Autos gehört er musste ausruhen und dann zur Straße krauchen. Ein wenig schlafen nur um den Schmerz, der ihn zerquetschte zu vergessen. Im Sterben trauerte er seinem Gesicht nach. Bei den ersten wuchtigen Faustschlägen, die seine Jochbeine zerbrachen als beständen sie aus altem Schiffszwieback hatte, er gewusst, dass nichts mehr wie früher sein würde. Nein das hatte er gewusst, als er in das Gesicht des Mannes mit der runden Sonnenbrille sah. Die Männer hatten ihm jeden einzelnen Knochen durchgebrochen ... oh Gott bitte ... hatten ihn geschnitten ... ich tue alles bitte ... gestochen ... Bitte nein ... Bitte ... bitte lasst mich am Leben ... und verbrannt und es hatte ihnen Vergnügen bereitet. Sie hatten Witze gerissen, während er um sein Leben flehte, und Zigarren auf seinem Körper ausgedrückt, während er sie anwinselte und zu ihnen flehte. Der Gestank verbrannter Haare und Fleisch und der Tabakgeruch und das Salzige seiner Tränen verwoben sich zu einem einzigen ekelhaften Geruch und Geschmack. Er konzentrierte sich auf seine Finger, wenn er etwas bewegen könnte, anfassen es würde ihm helfen. Nichts, ein grelles Brennen in seinem Hirn, wenn er nur an seine Hände dachte. Er hätte lachen können, tat er das still lautlos in seinem Gehirn. Eine Grille zirpte dicht neben ihm, er lachte also nicht. Seine Finger hatte einer der Teufel, der sogar sehr hübsch war, ein junger Mann mit schwarzen Locken und schüchternen Mädchenaugen, mit einer Klempnerzange um 180 Grad verdreht. Er hatte mit dem kleinen Finger der linken Hand angefangen, Fragen gestellt. Der Satan, der seine Augen hinter einer Sonnenbrille verstecken musste, weil man ihn sonst als Dämonen erkannte, hatte Fragen gestellt. Aus irgendeinem Grund war das wichtig es musste wichtig sein er durfte nichts vergessen ein brennender Schmerz und zeitgleich die Frage ... wer ... wer ? Es musste wichtig sein, schade er hätte jetzt im Moment alles dafür gegeben zu wissen, wovon der Mann redete. Im Iffys, sein Stammpub ... wann war das gewesen heute oder vor einer Woche ... er hatte den Jungen auf ein Getränk eingeladen. Blondes gelocktes Mädchenhaar süße Augen, nett sah er aus nach einem Dandy mit zarter glatter Haut. Sie hatten getrunken und er hatte vorgeschlagen, zu ihm zu gehen. Was weiter? Hinaus aus dem, wie hieß, der Pub ... Iffys es war kalt. Der Junge zog ihn in einen Hausflur und küsste ihn und dann? Erinnere dich ... wenn du dich erinnerst bist du nicht tot? Haben die Toten Erinnerungen? Vielleicht war alles anders und er war ein Phantom auf ewig gefangen in dieser stinkenden Mülldeponie, war das die Hölle? Konnte Gott so ein Aas sein? Hatte Gott ihn aussortiert, weil ... weil, weil jemand wissen wollte wer dabei war Namen nenne mir die Namen? Der Junge hatte ihn geküsst ... in dem Hausflur neben dem ... dem ... nicht vergessen ... der Pub in der ... der Compton Street ... immer voller Leute ... Iffys. Er hatte einen Schlag mit der Faust auf den Kopf bekommen und war in ein Auto geschleift worden. Er hatte Erinnerungslücken.
Er war in einem stinkenden Keller in einem Albtraum zu sich gekommen, er stand mit einem Seil an die Decke gefesselt im Keller ja ein Keller mit einem Berg Gerümpel, in dem es nach Urin alter Winterkleidung und Schweiß stank. Der Keller war eine dämmrige Höhle vollgestopft mit unnützem Plunder, verrostete Fahrradreifen, an einem Garderobenständer hingen schimmlige Mäntel. Drei Stühle einer davon mit drei Beinen. Eine feuchte schimmlige Matratze, aus der die Sprungfedern und die Strohfüllung herausschauten, übersät mit rostbraunen Blutflecken auf dem mit Dreck und leeren Flaschen bedeckt Boden. Die Werkstatt von Mördern, in einem dreckigen Keller in einem Abrisshaus in einer Ruinenlandschaft. Ein Berg vergilbter Zeitungen, alte nach Moder riechende Lederkoffer und auf einem Servierwagen lag ein Sammelsurium Messer, Zangen, Skalpelle, Gummischläuche. In dem Keller roch es nach Tot wie in einem Schlachthaus an den gekalkten Wänden klebte eine grünschwarze Schmutzschicht aus Schimmel und Spinnweben. An den Wänden hingen staubbedeckte anatomische Zeichnungen, wie man sie in Arztpraxen sah, Bilder von Menschen ohne Haut. Eine Glühbirne schaukelte an der Decke und warf graues, altes Licht das nicht bis in die Ecken gelangte und alles in einen Schleier aus Schatten und Andeutungen legte. An der Wand hing ein großer viereckiger Spiegel ohne Rahmen, die obere linke Ecke war abgeplatzt in der Mitte befand sich ein Netz von Sprüngen, angebracht damit sich das Opfer oder der Folterer selber betrachten konnte. Er sah sich aus zugeschwollenen Augen im Spiegel, sein blutiges blaues aufgeblähtes Gesicht verzerrt. Er ähnelte mehr dem Elefantenmenschen als dem erfolgreichen ... dem erfolgreichen ... als, dem Menschen der er noch vor wenigen Stunden oder vor Tagen, vor dem Kuss im Hausflur gewesen war.
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