Überall sehen wir Menschen die Welt durchjagen nach dem, was tatsächlich in ihnen selbst liegt, denn alles wird gefärbt, verändert, umgeformt durch unsern Seelenzustand, durch unsre Denkart, die wir dazu mitbringen. Bringen wir Schönheit mit, so finden wir die Dinge schön; bringen wir einen hässlichen Gemütszustand mit, dann finden wir sie hässlich und abstoßend. Die Quelle allen Glücks ist im Innern jedes Einzelnen. Die Schönheit, die wir in der Natur sehen, und die Harmonie, die wir in der Musik fühlen, sind in unserm eigenen Innern. Wir alle wissen, wie die ganze Natur, die Landschaft um uns her uns anlacht, wenn wir fröhlich sind, sich mit unsrer Freude zu freuen scheint, und die Sonne und die Blumen sind die Spiegel unsrer Lust.
Die Welt ist eine Flüstergalerie, in der wir das Echo unsrer eigenen Stimme vernehmen. Sie ist ein Spiegel, der das hineinschauende Gesicht zurückwirft. Wenn wir lachen, so lacht es auch, runzeln wir die Stirn, so schaut es uns finster an. Das Glück ist die Folge unsres geistigen Zustandes und unsrer Handlungen andern gegenüber. Was von diesen auf uns zurückgeworfen wird, das macht uns glücklich oder elend. Die Tür zwischen uns und dem Himmel, das heißt dem Glück, kann nicht offen sein, wenn die Tür zwischen uns und unsern Nebenmenschen geschlossen ist.
Richtiges Denken heißt auch richtiges Handeln. Wenn wir nur jeden Tag die richtigen Gedanken hätten, die aufbauenden Gedanken, die glücklichen Gedanken, die freudvollen Gedanken, die hilfreichen, die selbstlosen Gedanken, dann wären wir bald alle grenzenlos glücklich, denn das Glück ist im Grunde nichts als ein Gemütszustand. Das Maß deines heutigen Glückes oder Elends ist nur die Folge deiner Gedanken. Wenn nicht ein großer Teil unsrer Tage, uns selbst vielleicht nur halb bewusst, mit zwiespältigen Gedanken, mit Gedanken der Sorge, der Furcht, des Neides, der Eifersucht, des Hasses erfüllt wären, würden wir glücklich und nicht unglücklich sein.
Die Sorgen am Morgen,
Die Plage am Tage,
Die nächtlichen Zweifel,
Jag alle zum Teufel!
„Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit, so wird euch das Übrige alles zufallen.“ Wenn wir das Reich Gottes oder den Himmel verwirklichen, dass heißt, das Reich des Einklangs, dann sind wir in einer Lage, alles andre, was wünschenswert ist, an uns zu ziehen. Man sollte meinen, nach diesem schon Jahrhunderte währenden Suchen nach dem Glück müssten es die meisten Menschen längst gefunden haben, allein wie wenige haben es wirklich gefunden! Und warum nicht? Weil wir die volle Wahrheit von Christi Wort nicht begriffen haben: „Das Reich Gottes ist inwendig in euch.“ Der Mensch hat durch seine ganze Geschichte hindurch das Reich Gottes außer sich selbst zu erjagen gesucht. Unendlich viele haben gemeint, Reichtum sei der Schlüssel zu diesem Reich, in dem all ihre Wünsche Befriedigung fänden. Überall haben sie nach diesem herrlichen Paradies gesucht, nur nicht am richtigen Ort – in ihrem eigenen Innern.
Von göttlicher Abstammung, in ein irdisches Paradies hineingestellt, das viel schöner und herrlicher ist als menschliche Einbildungskraft es sich hätte malen können, Herr einer Welt, erfüllt von allem, was den Menschen unendlich glücklich und unendlich erfolgreich machen könnte, ist er nach Jahrhunderten der Entwicklung, Jahrhunderten des Strebens nach vollendeten Lebensbedingungen, Jahrhunderten des Suchens nach dem höchsten Gut, immer noch unbefriedigt. Der Durchschnittsmensch ist ein Gott, der den Narren spielt. Immer noch sucht er das Glück außerhalb seiner selbst.
Hätten wir das Himmelreich in unserm Innern gefunden, dann müsste unser Angesicht so leuchten, dass jedermann den Eindruck hätte, wir seien in den Besitz eines großen Gutes gelangt und dadurch über alle Maßen glücklich. Der helle Schein der entzückenden Schönheit, den unser inneres Auge schaute, müsste uns aus den Augen unsres Körpers leuchten. Wenn wir das Himmelreich in uns gefunden hätten, müsste unser Antlitz höchste Befriedigung, vollkommenen Einklang widerstrahlen, wie es noch bei wenigen Sterblichen der Fall gewesen ist.
Für jedermann ist es möglich, zu diesem inneren Einklang zu gelangen, so dass er durch die Hilfsquellen seiner eigenen Seele in seinem täglichen Leben wahres Glück und vollkommene Heiterkeit findet. Das Evangelium der Neuen Gedanken ist nicht eine Lehre, die das Glück in ein künftiges Leben verlegt, sondern es lehrt, dass das Glück jetzt und hier erlangt werden kann – es lehrt nicht eine ferne persönliche Unsterblichkeit, sondern Unsterblichkeit innerhalb einer immer glücklicher werdenden Menschheit. Die Religion des Neuen Denkens lehrt ein Evangelium der Lust und Freude. Es legt großen Nachdruck auf das Gute, das Schöne und Wahre, auf das Edle und Erhabene in der menschlichen Natur. Es legt einen uns noch neuen Nachdruck auf das Glück und weist der Lust und der Freude eine neue, höhere Stelle an. Das Neue Denken lehrt, dass unschuldige Lust und Freude auch Religion sind und ebenso wesentlich für unser körperliches, geistiges und sittliches Wohlbefinden wie das Gebet.
Sie behauptet, dass ein heiterer, glücklicher, fröhlicher Gemütszustand der wahre, ordnungsgemäße Zustand sei. Sie lehrt, dass Einklang, geistiger, körperlicher und sittlicher Einklang die Grundlage jeder Religion sei, und dass nichts fromm genannt werden könne, das uns nicht leistungsfähiger, erfolgreicher, glücklicher macht. Sie lehrt, dass Religion Freiheit von Aberglauben, Furcht und Sorge, dass sie Ganzheit und Fülle und freudige Selbstbejahung bedeutet.
Mit andern Worten, wahre Religion bringt den Menschen näher zu wahrer Vollkommenheit, näher zu Gott. Der Schöpfer hat den Menschen zu einem Leben der Arbeit und der Freude, zu höchster Glückseligkeit geschaffen. Er hat ihn dazu bestimmt, ganz, stark und vollkommen zu sein. Jede Abweichung von diesem Plan Gottes ist der Fehler der Menschen.
Hast du dir jemals überlegt, wie oft die Heilige Schrift uns auffordert, sich zu freuen und fröhlich zu sein? „Freuet euch in dem Herrn!“ „Es freue sich das Herz derer, die den Herrn suchen.“ „Die Freude am Herrn ist eure Stärke.“ „Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermal sage ich: freuet euch!“ „Eure Freude soll niemand von euch nehmen.“ „Ihr Kinder Zion, freuet euch und seid fröhlich im Herrn eurem Gott!“
Ähnliche Aussprüche wiederholen sich immer wieder durch die ganze Bibel; immer wieder werden wir aufgefordert, uns zu freuen und fröhlich zu sein. Also müssen wir doch annehmen, es sei dies einigermaßen Gottes Wille.
Kämpfe, Schwierigkeiten, Enttäuschungen sollen uns nicht traurig, sie sollen uns stark machen – denn wenn wir nicht winseln und jammern, so wird uns die Kraft, sie zu überwinden, gegeben werden.
Wenn ich die Leute über Kleinigkeiten jammern und klagen höre und sehe, wie sie aus Maulwurfshügeln Berge machen, muss ich immer an eine alte Dame denken, deren Leben voll von Kümmernissen und Enttäuschungen gewesen war, und die doch niemals ihre Heiterkeit und Seelenruhe einbüßte. Als sie eines Tages nach dem Grund ihrer heiteren Lebenszufriedenheit gefragt wurde, gab sie zur Antwort: „Ich halte mir ein Freudenbüchlein. Schon sehr früh in meinem Leben habe ich mich entschlossen, jeden Abend irgendetwas Angenehmes, das mir im Lauf des Tages begegnet war, darin einzutragen. Dadurch habe ich mir angewöhnt, auf die freudigen Erlebnisse besonders zu achten und nicht auf die traurigen, und auf diese Weise habe ich, wie finster auch die Wolken am Himmel meines Lebens sein mochten, doch immer irgendwo die Sonne durchblitzen sehen.“
Wer das Leben immer von der traurigen Seite nimmt, wer nichts sieht, worüber er sich freuen und fröhlich sein könnte, bringt sich nicht nur um eine ungeheure Menge von Vergnügen, sondern setzt auch seine eigene Leistungsfähigkeit herab und steht sich selbst und allem Erfolg, den er haben könnte, hindernd im Weg. Solche Menschen sind nicht wie sie sein sollten, und können darum niemals ihr Höchstmaß von Kraft und Leistungsfähigkeit erreichen.
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