„Nein!“
Allein bei der Vorstellung, dass er zu mir kommt, in meine Wohnung, mich anfasst, beginne ich zu zittern.
Als ich einen Arm spüre, der sich um meine Schultern legt, zucke ich zusammen.
„Na, na, ich bin es nur, legen Sie auf.“ Herrn Odenthals Stimme klingt besorgt.
Als ich mich nicht rühre, nimmt er mir das Handy aus der Hand, lauscht kurz und unterbricht den Kontakt.
„Er will heute Abend zu mir kommen ...“ Panik klingt in meiner Stimme mit. Das Atmen fällt mir plötzlich schwer.
„Was halten Sie davon, wenn ich Sie jetzt nach Hause fahre? Ich möchte Sie nur ungern allein fahren lassen. Außerdem sähe ihr Ex, dass Sie in Begleitung sind und überlegt es sich zumindest für heute anders.“I
ch fühle mich außerstande, eine Entscheidung zu treffen. Der Arm, der feste Halt, den er mir gibt, fühlt sich so gut an, dass ich versucht bin, meinen Kopf an seine Schulter zu legen.
„Einverstanden. Wie man mit dem Bus hierherkommt, weiß ich ja inzwischen, dann werde ich meinen Wagen morgen abholen. Bis dahin steht er ja unter Bewachung.“
Ein lautloses Lachen lässt seinen Arm leicht beben.
„Sie haben Humor, das gefällt mir.“
Schweigend gehen wir zu seinem Auto und ich versinke im Sportsitz seines tiefergelegten BMW.
Während der Fahrt beschränkt sich die Kommunikation auf die Angabe, wo ich wohne. Schließlich stehen wir vor meiner Haustür.„Soll ich noch mit hochkommen?“
Es tut so gut, diese Sorge in seiner Stimme zu hören.
„Ehrlich gesagt, möchte ich jetzt nicht allein sein.“
„Dann“, forsch nimmt er meinen Schlüssel an sich und schließt auf. Nachdem ich das Licht im Treppenhaus angeschaltet habe, steigen wir schweigend die zwei Stockwerke hinauf, während ich insgeheim damit rechne, Klaus vor meiner Haustür vorzufinden. Unbehelligt erreichen wir meinen Flur und ich atme erleichtert auf.
„Möchten Sie etwas trinken?“
„Wenn ich darf, würde ich dir noch etwas Gesellschaft leisten.“
Auch die vertraute Anrede hört sich gut an.
„Magst du Wein?“
„Gern.“ Ich zeige ihm, hinter welcher Tür sich mein Wohnzimmer befindet und hole die Weinflasche und Gläser aus der Küche.
„Ich hoffe, Bordeaux ist in Ordnung?“
Er bejaht, und wir erzählen uns, erst stockend, später ausführlich von unseren gescheiterten Beziehungen.
Beim dritten Glas Wein streicht er vorsichtig mit seinen Fingerspitzen über meine Wange.
„Du bist schön.“
„Nach einem halben Liter Wein?“
Er lacht, seine Augen lachen, das habe ich bei Klaus nie gesehen. Ich mag braune Augen und wenn sie lachen, so wie diese ...
„Nein, du hast mir schon vor meiner Scheidung gefallen ... bevor auch du wieder frei warst ...“
Langsam kommt er mir näher, und als sei es das natürlichste auf der Welt, legt er seine Lippen auf meine. Sachte, fragend fühlt es sich an und einfach richtig.
Vorsichtig erwidere ich seinen Kuss, der intensiver wird.
Nach einer Weile löst sich Jens von mir, mustert mich prüfend. Ich erwidere seinen Blick ruhig, abwartend, als er sich wieder zu mir beugt.
So ausdauernd habe ich noch mit keinem Mann geknutscht. Seine Hand streicht von meiner Wange langsam über meinen Hals und bleibt sachte, fast fragend auf meiner Brust liegen. Mein Bauch reagiert auf die Berührung und zieht sich zusammen, ein Sehnen, das bisher unerfüllt blieb. Ob es auch anders sein kann?
Es kann anders sein. Als ich erwache, spüre ich mich gehalten, entspannt und wohlig verkatert. Das klingt selbst in meinen Gedanken merkwürdig, fühlt sich aber genau so an - sehr ungewohnt.
Neben mir liegt Jens, vollkommen entspannt. Die sonst immer wachen Augen geschlossen, der Mund leicht geöffnet. Die Lippen, die so weich und doch fordernd sein konnten. Ein wohliger Schauer durchrieselt mich, als ich an die vergangene Nacht denke.
Anscheinend habe ich mich bewegt, denn er schlägt die Augen auf und schaut mich an.
„Guten Morgen, wie spät ist es?“
Nach einem kurzen Blick in mein Gesicht schielt er an mir vorbei zum Wecker.
„Schon neun? Mist, ich habe gleich einen Termin. Machst du mir einen Kaffee?“
Das hatte ich mir anders vorgestellt.
Irgendwie zumindest noch ein Satz zu dieser fantastischen Nacht, nicht so etwas Banales. Ganz abgesehen von der Dienstleistung, die er erbittet, einfordert?
„Klar, ich mach’ dir ‘nen Kaffee. Handtücher sind im Bad.“
Plötzlich muss ich einen Moment allein sein, raus aus seiner Umarmung, die ihren Zauber verloren hat.
Kurze Zeit später steht er hinter mir, in seinem Büro-Outfit und sehr geschäftsmäßig.
„Die Nacht war klasse, aber im Büro sollte keiner etwas davon erfahren, meinst du nicht auch?“
War das jetzt eine einmalige Geschichte gewesen?
Anscheinend schaue ich sehr kritisch, denn er beeilt sich hinzuzufügen: „Du willst doch auch nicht, dass sich die anderen über uns das Maul zerreißen. Wir beide brauchen außerdem erst einmal Abstand. Dann sehen wir weiter.“
Er trinkt seinen Kaffee im Stehen und ist mit einem „man sieht sich“ zur Tür hinaus.
Nach einem ruhigen und nachdenklichen Wochenende sehe ich ihn am Montag im Büro wieder. Er lässt sich tatsächlich mit keiner Geste, keinem Wort anmerken, dass wir eine Nacht miteinander verbracht haben.
Zwei Wochen geht das so.
Tja, und dann muss ich ihn an unsere gemeinsame Nacht erinnern.Ich bitte ihn um ein kurzes Gespräch unter vier Augen. Ohne groß drumherum zu reden, eröffne ich ihm, dass die Untersuchung beim Gynäkologen ergeben hat, dass ich Chlamydien habe.
Zunächst sagt er gar nichts.
„Du solltest dich untersuchen lassen und keinen ungeschützten Verkehr haben.“ Mit einem schiefen Grinsen verpacke ich die Empfehlung meines Arztes.
Er schnaubt nur. „Und warum hast du dich nicht daran gehalten?“
„Weil ich es selbst nicht wusste? Vorher hatte ich zwei Jahre eine feste Beziehung. Ich hatte vorher oder währenddessen keine anderen Kontakte. Klaus habe ich eine SMS geschickt. Vermutlich hat er mich angesteckt.“
Acht Monate ist das nun her. Die Anzeige war dann doch erfolgreich - oder auch nicht. Da Klaus arbeitslos ist, habe ich bisher keinen Cent gesehen. Die Anrufe und die nächtlichen Klingeleien waren schlagartig vorbei. Trotzdem gab es noch einige unerfreuliche Begegnungen.
Mit Jens beschränkte sich die Kommunikation nach dem Gespräch unter vier Augen auf rein dienstliche Belange. Fast hatte ich das Gefühl, dass er mich schnitt, aber es war noch kein echtes Bossing. Trotzdem habe ich mir eine neue Stelle gesucht. Er wirft mir vor, gefühlskalt zu sein. Bin ich das wirklich?
Morgen kommt der Möbelwagen
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.