Mark Lanvall - Lichtsturm

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Kellen hätte tot sein müssen. Das Schwert eines feindlichen Keltenkriegers hat seine Brust durchbohrt. Aber er lebt und wacht in einer Festung auf – geheilt durch die Kraft einer schönen, aber rätselhaften Frau. Schon bald muss Kellen entscheiden, welchen Platz er im brutalen Spiel uralter Mächte einnimmt.
Bens Leben ist ein Desaster. Er wohnt auf dem Campingplatz, schrubbt Duschräume und verschwendet seine Zeit mit den schrägen Aktionen einer Gruppe Computer-Nerds. Sein verkorkstes Leben endet, als Ben aufhört, ein Mensch zu sein. Gejagt von einem Unbekannten macht er sich auf die Suche nach Antworten.
Zwei Jahrtausende trennen die beiden Männer. Verbunden sind sie durch einen Zauber, der sie tief in den Überlebenskampf eines geheimnisvollen Lichtvolks verstrickt.
"Lichtsturm – Die weiße Festung" war 2016 für den «Indie Autor Preis» nominiert.

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Mark Lanvall

Lichtsturm

Die weiße Festung

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Inhaltsverzeichnis Titel Mark Lanvall Lichtsturm Die weiße Festung Dieses - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Titel Mark Lanvall Lichtsturm Die weiße Festung Dieses ebook wurde erstellt bei

Im Land der Freien

Verfolgt

Die Zuflucht

Erwachen

Himmelsbarken

Blutprobe

Die Macht des Steins

Motorräder

Die Buche

Die Patientin

Gorgoils und Pandrai

Das ganze Bild

Das verborgene Heiligtum

Begegnung

Schwarze Wolken

Bomben

Das dunkle Heer

Die Ruine

Abschied

Die Zusammenkunft

Leseprobe aus Lichtsturm II:

Impressum neobooks

Im Land der Freien

Kellen konnte die Bedrohung spüren. Wie schwerer Nebel lag sie über dem Waldland, verlieh dem tiefen Meer aus dicht gewachsenen Bäumen eine angsteinflößende Düsternis. Nur hier und da streute die untergehende Sonne Nuancen von Rot in das satte Grün der Nadeln und Blätter. Zu wenig allerdings, um dem Häuptling das klamme Gefühl zu nehmen, das sich in seinem Herzen so plötzlich eingenistet hatte.

Da war nichts, versuchte sich Kellen einzureden. Bei den Göttern! Vielleicht war er einfach nur zu lange schon unterwegs, in dieser menschenverlassenen Wildnis. Vielleicht hatte der endlose Ritt auf schmalen Pfaden zwischen Dickicht und turmhohen Bäumen seine Spuren hinterlassen, ließ ihn Gefahren sehen, die es gar nicht gab. Kellen überlegte kurz, wie viele Tage es nun schon her war, dass er mit Fürst Morcant, den beiden Reiterkriegern und dem vorlauten Druidenschüler aufgebrochen war. Zehn? Oder waren es etwa doch schon elf?

Kellen atmete tief ein, ließ die kühle Luft im Innern seines Körpers ihre Wirkung tun. Dann, ganz langsam, ließ er sie wieder entweichen. Kellens Muskeln lockerten sich etwas. Er ließ sich auf den kühlen Felsboden sinken, legte das Schwert dicht neben sich und lauschte wachsam in den Wald hinein. Die Grillen zirpten an diesem Abend anders als sonst, da war er sich sicher. Ihr Kratzen war kurz, riss immer wieder schroff ab. Der Klang war hell, wirkte beinahe ängstlich. Nein, er täuschte sich nicht. Etwas stimmte hier nicht. Kellen wusste den Klang der Grillen zu deuten. Er hatte das schon als kleiner Junge gelernt.

Für einen Moment ließ er zu, dass seine Gedanken abschweiften, zurück in jene Tage seiner Kindheit, als er versucht hatte, das Geheimnis dieser rätselhaften Tierchen zu lüften. Wie war es ihnen nur möglich, diese durchdringenden Geräusche zustande zu bringen, so klein, wie sie waren?

„Das ist nun mal das Werk der Götter“, hatte ihm damals seine Mutter erklärt - an einem dieser Sommerabende, an denen das Zirpen ein ruhiges Gespräch fast unmöglich gemacht hatte. „Entweder du glaubst daran“, sagte sie mit einem warmen Lächeln. „Oder du wirst es wohl herausfinden müssen.“

Der kleine Kellen nahm sich daraufhin eine Grille vor, tötete und zerteilte sie, hoffte, so etwas wie eine Rassel zu finden oder ein Waschbrett, über das die Grille ihre Beine schabte. Aber er fand nichts davon. Dabei wäre es gut gewesen, wenn er das Rätsel damals hätte lösen können! Es hätte immerhin den Spott erträglicher gemacht.

„Kellen, der Grillentöter. Allein der Name reicht, damit Feinde weiß im Gesicht werden, ihre Hose nass machen und davonrennen, so schnell sie können“.

Die anderen Jungen lachten lauthals über die bissigen Sprüche seines Vetters Breac. Seine Grobheiten unterhielten sie weit besser als die dürftigen Erkenntnisse des kleinen Kellen, der in ihren Augen so gar nichts tat, um wie ein Mann zu sein. Breac war gut darin, Grobheiten auszuteilen. Außerdem bewunderten die Jungen ihn, weil er stark und geschickt war. Schon im Alter von drei Jahren hatte ihn sein Vater im Schwertkampf unterrichtet. Mit fünf war er besser als die anderen Jungen im Dorf, mit 14 konnte er es sogar mit einigen der großen Krieger aufnehmen. Schon wenige Jahre später zog er in die Schlacht und kam gleich mit zwei abgeschlagenen Köpfen wieder zurück. Voller Stolz nagelte Breac sie über die Pforte seines Elternhauses.

„Das ist ein Krieger, wie es keinen Zweiten im Volk der Kelten gibt“, rief damals sein Vater und fachte die Begeisterung der Dorfbewohner mit einem gebratenen Wildschwein und einem Fass Honigbier an. Breac war fortan ein Held - eben auch deshalb, weil Helden viele Gründe zum Feiern boten.

Mit 18 aber traf Breac bei einem Scharmützel im Norden auf einen Krieger, der es mit ihm aufnehmen konnte. Er verlor gegen ihn und von diesem Tag an schmückte sein Schädel das Haus eines anderen Helden in einem anderen Dorf.

Kellen empfand keine Genugtuung darüber. Doch Breacs Spott, den er sich stets so zu Herzen genommen hatte, verlor damit alle Bedeutung. Das ruhmlose Ende seines Vetters war so völlig ohne Sinn. Er war im Kampf um ein karges Stück Flussufer gestorben - im Glauben an Ruhm und Ehre. Er hätte besser auch Grillen zerstückelt, dachte Kellen damals.

Und dann, als Breac schon lange tot und vergessen war, wurde Kellen zum Häuptling seines Dorfes bestimmt. Die Leute dort vergötterten zwar ihre Helden. Allerdings war ihnen wohl auch klar, dass ein Anführer mehr sein musste als nur mutig und stark. Kellen wusste, dass er zwar als übertrieben neugierig, aber auch als besonnen und gerecht galt. Die Menschen schätzten ihn. Und inzwischen hatte er auch gelernt, mit dem Schwert umzugehen.

Die Geräusche der unruhigen Pferde mischten sich in das kratzige Konzert der Grillen und rissen Kellen aus seinen Gedanken. Er erhob sich, um nach seiner Stute zu sehen. Sie trippelte nervös um den Baum herum, an dem sie festgebunden war. Die Lederriemen verhedderten sich im Geäst, ein Nadelzweig pikste ihr unsanft in die Flanke. Die Stute wieherte leise. Kellen strich ihr über die Nüstern und kraulte ihre hellbraune Mähne. Sie schnaubte. Auch die Pferde hatten es also bemerkt, dachte Kellen. Bei den Ahnen! Ihm war, als würde etwas auf sie lauern. Irgendwo. Im Waldland. Oder am Himmel?

Kellens Blick wanderte nach oben. Die schneeweißen Wolken hatten Tupfer in zarten Rot- und Orangetönen bekommen. Die Sonne war hinter den Wipfeln der hohen Tannen und Kiefern verschwunden. Sie hatte gerade noch genug Kraft, um dem Tag die letzten Minuten abzutrotzen. Und dann sah er sie. Feuerfresser. Es waren Hunderte. Als hätten die Götter den Himmel mit einem dunklen, flatternden Teppich bedeckt. So zogen sie über Kellen hinweg. Träge, als hätte die Zeit an Geschwindigkeit verloren. Ihre gewaltigen Silhouetten zeichneten sich scharf von den Abendwolken ab.

„Ihr Götter, steht uns bei!“, flüsterte Kellen. Er hatte von diesen Kreaturen gehört. Doch ihr Anblick ließ sein Herz starr werden. Mächtige, scharfe Krallen ragten aus dem dunkelgrauen Federkleid. Kraftvoll schlugen zottige, schwere Flügel. Und einen Augenblick lang glaubte Kellen, dass die Augen der Feuerfresser rot glommen, als wären sie glühende Kohlen. Eine der Kreaturen öffnete den langen, spitzen Schnabel, stieß ein schrilles, langgezogenes Kreischen aus. Kellen erinnerte es an die letzten gequälten Laute, die ein Schwein beim Schlachten hervorbrachte. Nur dieser Schrei war um Einiges durchdringender und schärfer. Selbst die Grillen waren mit einem Mal verstummt.

„Löscht das Feuer!“, schrie Murddin, der Reiterkrieger. Als wäre er wahnsinnig geworden, rannte er auf den Lagerplatz zu - mit dem Schwert in der Hand.

„Sie sehen uns sonst. Beim allmächtigen Lug. Sie werden uns töten. Einen nach dem anderen.“

Das Leinenhemd hing dem Krieger halb aus der bunt karierten Hose. Die hellbraunen Haare fielen ihm zottig ins blasse Gesicht und erreichten fast den mächtigen Schnurrbart, der Murddins Oberlippe schmückte.

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