Petrus: Du redest schon wie Jesus. Grob gesagt, hält sie ihre Säugetier-Mentalität an den Kämpfen. Das Säugetier kämpft ums Überleben.
Gott: Es ist genug da.
Petrus: Schlecht verteilt.
Gott: Geben und Nehmen, zusammenhelfen statt sich zu bekämpfen. Nicht so schwer.
Petrus: Die Bedrohung ist zu schleichend. Die Armen haben ganz andere Probleme, die Reichen Industrienationen leben trotzdem noch sehr bequem.
Gott: Sie haben das Problem grundsätzlich erkannt?
Petrus: Ja, aber schon ziemlich lange. Ohne dass es ernst genug genommen wurde.
Gott: Sie haben es zu leicht genommen. Sind wieder durchgedreht.
Petrus: Dagegen gibt es offenbar kein Rezept.
Gott: Es wird sich regeln. So oder so. Der Planet hält mehr aus, als man denkt.
Petrus: Der Planet überlebt es. Die Menschen könnten es nicht überstehen.
Gott: Erinnere dich an die Bikini-Atolle. Tolle Idee. Diese traumhaften Südseeinseln. Einzelne Buchten. Und diesen kranken Deppen fällt nichts besseres ein, als Nuklearwaffen dort zu testen. Mir geht da das Mitleid ab.
Petrus: Die alte Legende der Eingeborenen aus Zeiten, da niemand etwas von Fall-Out und Atombomben wissen konnte, entsprach so charakteristisch deren Folgen.
Gott: Trotzdem hat das Meer die radioaktive Strahlung schneller verringert als berechnet. Soviel zu Berechnuungen.
Petrus: Sie ist ja nicht weg. Nur verteilt. Alle Menschen leiden darunter. Genauso wie durch Fukushima. Hast du da auch kein Mitleid.
Gott: Wenn das Schuld-Konzept angewandt wird, sind sie alle schuldig.
Petrus: Wegen der Erbsünde?
Gott: Unsinn. Weil Menschen Fehler machen.
Petrus: Könnte man das als Erbsünde bezeichnen, da es eine anverwandte Eigenschaft der Menschen ist. Der Baum der Erkenntnis ist nichts für sie, weil sie auch mit Erkenntnis fehlgehen.
Gott: Man kann sich alles einbilden. Mir ist das Schuld-Konzept zu blöd.
Petrus: Sondern?
Gott: Ursache Wirkung. Alles wirkt sich irgendwie aus und letztlich muss sich alles ausgleichen. Das passiert aber nie, weil alles durcheinander geht.
Petrus: Ähnlich dem Karma.
Gott: Ähnlich. Aber es gibt die Vergebung. Und noch ein paar andere Sachen. Sie versuchen sich doch selbst ständig von ihren Sünden zu befreien. Keiner will Schuld sein.
Jesus: Nur ich soll die der gesamten Menschheit auf mich laden.
Petrus: Löst aber das Problem mit dem Meer nicht.
Gott: Die Menschen werden da Prioritäten setzen. Sie müssen.
Petrus geht ab in's Labor.
Petrus: Prioritäten setzen.
Die Praktikantin: Das bedeutet?
Petrus: Weitermachen. Wir retten das Meer.
Die Praktikantin: Wenn es konkret wird, dann auch nicht im Kleinen.
Petrus: Du musst wohl immer das letzte Wort haben?
Dir Praktikantin: Nicht immer. Aber solange es geht.
Die Praktikantin (ruft Jesus an): Ich verstehe etwas nicht. Du musst darüber Bescheid wissen.
Jesus: Allwissend ist mein Vater.
Die Praktikantin: Es geht um Märtyrertum. Du hast Erfahrung aus erster Hand.
Jesus: Ich bin kein Märtyrer. Ich bin Gottes Sohn, hingegeben vom eigenen Vater zur Vergebung der Sünden der Welt. Ich bin nicht für meinen Glauben freiwillig in den Tod gezogen.
Die Praktikantin: Bist du nicht?
Jesus: Ich habe darum gebeten, den Kelch an mir vorüber ziehen zu lassen. Die Schrift sollte erfüllt werden.
Die Praktikantin: Du meinst die alttestamentarische Prophezeiung vom kommenden Erlöser der Welt?
Jesus: Richtig. Wenn sie ihre Vorsehung erst festlegen, indem sie aufgeschrieben wird, ist schwer auszukommen.
Die Praktikantin: Dann ist es doch dein Glaube, für den du gestorben bist.
Jesus: Ausgesucht habe ich es mir nicht. Ich wurde ja als der Sohn geboren. Was ist denn jetzt die Frage?
Die Praktikantin: Vielleicht ist das sogar die bessere Voraussetzung, wenn du nicht eigentlich dafür bist, sein Leben für den Glauben zu opfern.
Jesus: Im Nachhinein erst recht nicht.
Die Praktikantin: Warum tun Menschen das dann?
Jesus: Das ist die Frage?
Die Praktikantin: Ja, da hat doch niemand etwas davon, außer vielleicht die anderen, weil man dann ja tot ist. Es ist doch schade um das eigene Leben. Und es macht sicher keinen Spaß.
Jesus: Viele sterben in Ekstase, weil sie sich hineinsteigern, zu Gott zu kommen, und sicher sind, es mit ihrem Märtyrertod in den Himmel zu schaffen.
Die Praktikantin: Schaffen sie es denn?
Jesus: Es ist kein Hindernis. Der Zweck, als Beweis für den eigenen Glauben an ein Leben nach dem Tod sich ohne Angst davor zeigen zu müssen, trägt nichts dazu bei. Wir sind hier inzwischen dagegen. Es ist eitel geworden.
Die Praktikantin: Inzwischen? Ihr wart früher dafür?
Jesus: Auch nicht. Die Idee war allgemein einen Antrieb zu bieten, ein gutes Leben zu führen. Das Schöne und Gute, das man in die Welt bringt, eine Art Ruhm und Ehre, die Anerkennung dafür bei den Menschen, die Zuneigung, wie du es nennen willst, sollte im besten Fall auch über die eigene Lebensspanne hinaus reichen. Logisch, dass die Wahrscheinlichkeit oder die Dauer dieser Erinnerung steigt, wenn der eigene Einsatz höher ist. Belohnungstaktik.
Die Praktikantin: Wer früh stirbt, kann wohl nicht viel beitragen. Das passt nicht.
Jesus: Erstens ist das Leben ein hohes Gut.
Die Praktikantin: Ja, eben.
Jesus: Unterbrich' mich nicht. Also haben sie sich ausgedacht, wenn man das Leben hingibt für den Glauben, macht man großen Eindruck, vielleicht genug für Heiligkeit, oder was man sonst brauchen kann.
Die Praktikantin: Wie kommt man darauf den eigenen Tod als guten Eindruck...?
Jesus: Wenn du nicht unterbrichst, erfährst du es. Das heißt, ich weiß es nicht sicher. Wir glauben herausgefunden zu haben, dass es verschiedene Gründe haben kann: Es sind eher die ohnehin depressiven Anhänger, die eine blinde Hoffnung suchen. Sie haben auch wenig Wunsch in ihrem Diesseits zu verweilen, da ihnen ihr Dasein nicht gefällt. Da ist die Perspektive durch Märtyrertod in den Himmel zu kommen, nicht uninteressant. Das wird ausgenutzt, von Leuten die Opfer zum Beweis ihrer Lehre brauchen.
Die Praktikantin: Sind doch nicht alle nur todessehnsüchtig.
Jesus: Du unterbrichst. Andere sind hochmotiviert mit Eifer. Sie verwenden ihre Kraft, nehmen sich aber zu wichtig. Auch sie werden verführt. Sie folgen der Schmeichelei, besonders stark zu sein und einen besonderen Verdienst erlangen zu können. Einen Helden der Lehre kann man auch gut gebrauchen.
Die Praktikantin: Der vom eigenen Heldentum verblendete. Gibts noch andere?
Jesus: Trotz Unterbrechungen. Viele haben Angst und glauben gar nicht wirklich so sehr, folgen aber einem Gruppenzwang, da sie den Verlust ihrer sozialen Umgebung nicht ertragen können. Nun gab es in meiner Nachfolge auch viele, die sich entschlossen, lieber zu sterben, als geknechtet und ohne ihren Glauben Leben zu müssen. Das scheint edel. Warum unter einer unmenschlichen Obrigkeit ein unwürdiges Dasein fristen. Das muss man abwägen. Wenn es eine mündige Entscheidung ist, erkenne ich das als solche an. Wir sind für Freiheit. Wenn man schon in den Tod gehen muss, kann es auch singend und in Ekstase sein. Besser als Jammern und Schreien. Wer weiß, ob das alles so stimmt und es nicht viel mehr ganz andere Gründe gibt? Nur Gott wird dadurch nicht größer, herrlicher oder klatscht Beifall.
Die Praktikantin: Dann ist es Unsinn?
Jesus: Sozusagen. Die Menschen machen den Wind darüber. So gesehen erhält man den Lohn des Märtyrer-Ruhmes durchaus. Aber ich glaube, die allermeisten Märtyrer sind längst vergessen, wenn es überhaupt jemand interessiert hat.
Die Praktikantin: Das glaube ich auch. Es interessiert niemanden. Man bemitleidet sie vielleicht, aber eigentlich interessiert es niemanden.
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