In der Vogeltränke, neben dem Teich badet eine Taube. Die ist neu. Es ist nicht die große Waldtaube, die sonst immer kommt. Nein! Die zierliche Türkentaube, mit dem dunklen Band am Hals, besucht den Garten zum ersten Mal. Sie beugt ihren Kopf ins Wasser, nimmt einen Schnabel voll und trinkt das kühle Nass. Kurz darauf senkt sie ihre Brust ins Becken, schüttelt ihre Flügel und wirft sich damit das Wasser über ihre Federn. Die Tropfen rollen über das Federkleid und schillern in der Sonne wie edle Perlen.
Erst gestern sagte ich zu Max: »Als Katzen aus dem Tierheim konnten wir es nicht besser treffen.« Im Traum erlebe ich viele Dinge, die ich nicht für möglich halte. Zum Beispiel habe ich in meinem Leben nie eine Maus gesehen, doch im Schlaf jage ich einem kleinen, braunen Tier mit Schwanz hinterher. Warum? Keine Ahnung, aber es macht Spaß. Manchmal spüre ich eine Sehnsucht in mir, doch ich weiß nicht, wonach. Der Mensch kennt ein Sprichwort: Wer die Sehnsucht kennt, weiß was ich leide.
Heute Morgen erwachte ich und erinnerte mich an den Traum. Oder war es kein Traum? In meinem Kopf sortierte ich die Gedanken, als in diesem Augenblick Max um die Ecke kommt. Ich spreche ihn an: »Guten Morgen Max. Danke für den Ausflug gestern. Das hast du toll hinbekommen! Der Besuch im Katzenparadies gefiel mir! Warum schaust du mich fragend an? Rede ich in einer Sprache, die du nicht verstehst? Was soll das Gemurmel? Du weißt nicht, was ich meine? Du und ich besuchten gestern das Katzenparadies. Wir fanden den Eingang zum Paradies oben auf dem Speicher. Du erinnerst dich nicht? Ich erzähle es dir, hundertprozentig fällt es dir wieder ein. Also pass auf.
Gestern liefen wir im Hausflur die Treppe hinauf, da bemerkte ich, dass Frauchen den Eingang zum Speicher nicht verschlossen hatte. Bingo! Die Tür stand leicht auf. Mit deinem Trick, Vorderpfoten gegen die Holztür und drücken, bekamst du das Holzding auf. Schüttle nicht deinen Kopf, du musst dich erinnern!
Bleib bitte stehen und halte dir nicht die Ohren zu. Hör dir die Geschichte bis zum Ende an. Ich verstehe es bis heute nicht, wie du das hinbekommst. Bei mir funktioniert das nicht. Auf leisen Sohlen gingst du in den kleinen Flur hinein. Ruckzuck warst du im Raum verschwunden. Erst deine Rufe zeigten mir den Weg. Deine Pfote zeigte auf eine Luke, die nur angelehnt war. Au Backe! Das sah schwieriger aus, die Klappe ging nach innen auf, da konntest du nicht drücken. Max, du bist ein Teufelskerl. Mit einer Kralle zogst du das Türchen auf.
Sollten wir weitergehen oder lieber nicht? Jetzt waren wir schon mal hier, also liefen weiter. Ich steckte meinen Kopf durch den Spalt und sah alte, kaputte Möbel. Graue Fäden hingen von den Balken herab und kitzelten meine Ohren.
Dünnbeinige Kreaturen huschten über die feinen Netze, als wir den Raum betraten. Viel konnten wir nicht mit ihnen anfangen. Sobald wir die hochbeinigen Tiere berührten, zogen sie ihre acht Beine an und rollten sich in die kleinsten Ritzen. Schwupp! Schon wieder eine verschwunden. Aus Frust jagten wir uns gegenseitig über die Bretter, die am Boden lagen und balancierten über die Kanthölzer, die schräg an den Wänden standen.
Da sah ich es. Ein kleiner Sonnenstrahl fiel durch die Dachpfannen auf die Ecke unter dem letzten Balken. Wir schauten uns an und waren uns einig. Neugierig sind wir nicht. Wir Katze sind Forscher, das liegt in unserer Natur. Das Licht lud uns zur Entdeckungstour ein. Mit der Pfote befühlte ich den gelben Strahl. Es tat nicht weh. Hinter dem Licht erblickte ich eine Lücke und fragte mich, wie es wohl weitergeht? Max, ich kenne deinen Mut, darum schickte ich dich vor, in die geheimnisvolle Spalte.
Jetzt guckst du schon wieder so dümmlich aus der Wäsche. Ich gebe es zu, der mit dem größten Mut bist du. Schleichend gingst du durch die Ritze, zum Schluss verschwand auch die Spitze von deinem Schwanz. Ich spürte ein Kribbeln im Nacken. Warum meldest du dich nicht? Kein aua oder Hilferuf. Das hieß für mich, alles in Ordnung.
Vorsichtig kroch ich dir nach. Mann, o Mann! Vor Staunen standen wir nebeneinander auf einem Weg. Der wurde durch eine Mauer begrenzt und von den Wänden tropfe Milch. Am Ende vom Weg stand der beleuchtete Bogen, du weißt schon, das offene Tor im Sonnenlicht.
Wir traten durch das Sonnenlicht und gingen über einen Boden mit Katzengras. Ich probierte von der Seite einiges von dem Grünzeug. An den Rändern sah es extra zart aus. Schmeckte nicht übel. In der Ferne standen blühende Bäume. Die wollten wir uns genauer ansehen. Wir marschierten weiter den Weg entlang. Da sahen wir die Katzen. Sie lagen auf den Ästen der Bäume. Ihre Pfoten baumelten in der Luft und sie sahen glücklich aus.
In einer Hängematte schlief ein Kater. Auf seiner Nase saß eine dunkle Brille, wie Herrchen sie im Urlaub trug. Er nannte es Sonnenbrille. Warum wackelst du wieder mit dem Kopf? Max, du machst mir Angst, weil du dich nicht erinnern willst. Der letzte Sommer ist nicht so lange her. Das musst du wissen. Jetzt hör weiter zu, es kann sein, dass es dir wieder einfällt.
Eine hübsche Katzendame sprach dich an, mit den Worten: »Na mein Kleiner! Dein Gesicht kenne ich nicht. Bist du neu hier?«
Der Schreck fuhr dir in die Beine. Du bliebst stehen und sahst sie dümmlich an.
Deine Gedanken standen dir auf der Stirn geschrieben. Was will die von mir? Ich kann mit der lieben Katzendame nichts anfangen. Unser Frauchen sorgte rechtzeitig dafür, dass wir keinen Nachwuchs in die Welt setzen. Dumm gelaufen Kleine, da hast du Pech.
Weiter gingen wir den grünen Weg entlang. Von weitem rochen wir die Futterstelle. Das wollten wir uns aus der Nähe ansehen. Du konntest deine Pfote nicht davon lassen. Jede Taste hast du gedrückt, bis das Futter in das Schälchen vor dem Spender fiel. Du fandest die Selbstbedienung spektakulär. Kannst du mir noch sagen, wie es geschmeckt hat? Schon wieder dein Kopfschütteln.
An dem einen Baum hingen dicke Sisalstricke von den Ästen herunter. Ein Kater schwang sich von Liane zu Liane und spielte Tarzan. Du wolltest gleich mitmachen. Im letzten Moment konnte ich dich am Schwanz packen und zurückhalten. In deinem Eifer sahst du nicht den See unter dem Baum. Auf dem Wasser zogen weiße Schwäne ihre Runden. Es sah friedvoll aus, wie sie auf dem glatten See dahin glitten. Man sagt zwar, alle Katzen können schwimmen, doch ich habe es nie probiert und du auch nicht. Ich dachte, du gehst wie eine Bleiente unter. Aus Angst um meinen Freund hielt ich dich fest.
3Max höre dir die Geschichte an
Auf jeden Fall wanderten wir weiter und kamen zu einem Rosenbogen. Eine gepolsterte Bank stand unter den roten Rosen. Ihr Duft lockte uns an. Ein Katzenmädchen saß auf der Bank und ich fand, sie war zum Anbeißen. Meine Augen sahen so etwas noch nie aus der Nähe, nur im Garten am Teich saß mal eine herrliche Katzendame.
Vor ihr stand ein Kater mit Klamotten, wie unsere Menschen sie tragen. Er hielt ein Instrument in den Pfoten. Du weißt doch, so ein Holzteil mit Stock, wie David G. aus dem Fernseher. Frauchen flippt immer aus, wenn der spielt. Der Kater brachte Töne aus dem Teil heraus. Es hörte sich, na sagen wir mal, nicht übel an. Ob ich das versuchen sollte, dass mit dem Musizieren? Du fandest die Idee nicht gut. Na schön! Wir gingen weiter. Als wir durch den schmiedeeisernen Bogen kamen, hielten wir vor Überraschung die Luft an. Das konnte nicht sein! Fliegende Fische.
Einige Fellnasen saßen am Teichrand und schnappten mit dem Maul nach den Fischchen. Wir setzten uns dazu und versuchten, die Glitzerdinger zu schnappen. Aua! Der Fisch biss in meine Nase. Angeln will gelernt sein. Das kann nicht jeder. Max! Du konntest das besser. Ich sah zu dir rüber, als du dir deine Schnute abgewischt hast. Der Fisch schmeckte dir. Ich probierte es noch einmal. Frauchen sagt immer: »Mit Geduld und Spucke, fängt man jede Mucke!« Jetzt verstehe ich, was sie damit sagen wollte. Na bitte! Warum nicht gleich so? Rohen Fisch aß ich noch nie. Nach dem leckeren Essen brauchten wir eine Mütze Schlaf. Wo finden wir ein ruhiges Plätzchen für unser Nickerchen? Du zeigtest auf ein Taubenhaus. Der Pfahl, mit Sisal umwickelt, lud uns ein, das Haus zu besuchen.
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