Helmut Lauschke - Nächtliche Elegie

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Ich lass dich nicht allein zurück. Zusammen nehmen wir den Zug zum Himmel, dann bist auch du die Schmerzen dieser Erde los. Ich verberge sie vor deinen Augen, die sich mit Freude füllen werden. Habe erkannt, dass es mit dem Denken nicht geht, das zu kurz und zerreißlich ist für die Dinge des Lebens, wenn etwas klar und haltbar zu machen ist. Ich wanke und atme mit der Unsicherheit, vor der mir graute im Zweifel der Jahre. Dabei werden die Nächte kälter und länger, dass sich Eisblätter an die Scheiben hängen und die Sicht durchtrennen und trüben. Schwer schneidet der Pflug die harte Scholle, der Hengst zieht das Gerät mit Gehorsam und Schweiß. Das ist, was ich meine, wenn du vom Gehorsam sprichst, dem ich zu folgen nach Kräften mich bemühe. Doch suche ich nach dem Boden der Gerechtigkeit, auf den alle den Anspruch zum Leben haben, wenn sie im guten Glauben darauf barfüßig stehen und im Fleiß der Bescheidenheit mit den Händen wirken. Deshalb sind Gesänge und Rufe am Morgen dann die letzte Warnung, wenn Kinder und Zertretene in die Löcher zurückgestoßen werden oder in ihrer unsäglichen Schwachheit wie von einem Windstoß zurückrollen und hineinfallen, manchmal mit dem Kopf nach unten. Du denkst noch nach, seit Mitternacht lieg ich wach im Schweiß der beißenden Sorge um dich, um uns, ums ganze Volk in den Eisen, was glüht und schneidet, sticht und sprengt und sich in die Wahrheit sengt, die es doch nicht gibt, solange einer sich in andere Köpfe schiebt.
Junge Frau: So tretet ein durch die verschmierte alte Tür, geht mit mir in den Raum, wo Tisch und Stühle sind. Sagt, wer sind die anderen Männer, die euch begleiten mit den mageren Gesichtern, die durch Wind und Wetter gingen? Ihr alle tragt zerrissene Hosen, eure Mäntel sind verschmiert, und aus den Augen schaut der Herbst, als seien euch die Rosen längst verwelkt.
Raphael: In Auschwitz war's an einem kalten Wintertag. Von einem Mann erhielt ich das Gekritzel, als ein dürrer Arm aus einer Luke kam und mir das Stück Papier zusteckte. Ich sah das Zittern seines Armes, dahinter hörte ich das Stöhnen und roch Gestank. Für den Kopf war es zu dunkel, von dem Papier und Nachricht kam.
Boris Baródin: "Seien Sie versichert, dass ich mit ihnen das Leid beim Gedenken teile. Seien Sie weiter versichert, dass das deutsche Volk den Schmerz mit dem polnischen Volk teilt, dass so etwas geschehen konnte. Seien Sie schließlich von dem Wunsch der Deutschen, die ja auch gelitten haben, versichert, dass wir eine Brücke zum polnischen Volk bauen wollen, die friedlich, versöhnend und dauerhaft sein soll. Wenn die Polen von demselben Wunsch beseelt sind, dann werden wir das Ziel der vollen Aussöhnung und der Verbrüderung gemeinsam erreichen, dann werden wir uns Hand in Hand und Arm in Arm in der großen Familie finden, wo geographische Grenzen keine Hindernisse sind.
Meine Aufgabe war es, dieses Verlangen nach Frieden, wirklicher und wirkender Humanität auf dem Flügel zur «Sprache» zu bringen, wobei ich von polnischer Seite auf das Großartigste unterstützt wurde. Ich war nur ein Teil, der aus Berlin für diesen Zweck angereist war, doch zusammen mit der Warschauer Philharmonie unter ihrem großen Maestro Wiktor Kulczynski waren wir alles. Das ist eigentlich alles, was ich sagen wollte."

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Helmut Lauschke

Nächtliche Elegie

Zum Brückenbau der Versöhnung

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Inhaltsverzeichnis Titel Helmut Lauschke Nächtliche Elegie Zum Brückenbau der - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Titel Helmut Lauschke Nächtliche Elegie Zum Brückenbau der Versöhnung Dieses ebook wurde erstellt bei

Nach dem Tag

Die Reise

Ein Traum

Das Gespräch mit jungen Schülern

Das Konzert in Warschau und das Gespräch mit der Dame Lydia Grosz

Empfang für Boris Baródin im ‘Polnischen Hof’

Impressum neobooks

Nach dem Tag

Zum Brückenbau der Versöhnung

Ich lass dich nicht allein zurück. Zusammen nehmen wir den Zug zum Himmel, dann bist auch du die Schmerzen dieser Erde los. Ich verberge sie vor deinen Augen, die sich mit Freude füllen werden.

Ja ich fühle es, es wird mir schwer, ich gäbe viel, doch nicht gleich das ganze Leben, mit dem ich nach dem besseren Morgen strebe. Ferne Gedanken trugen mich durch die Nacht, wer war’s, der mich führte so weise und so sacht?

Habe erkannt, dass es mit dem Denken nicht geht, das zu kurz und zerreißlich ist für die Dinge des Lebens, wenn etwas klar und haltbar zu machen ist. Ich wanke und atme mit der Unsicherheit, vor der mir graute im Zweifel der Jahre.

Dabei werden die Nächte kälter und länger, dass sich Eisblätter an die Scheiben hängen und die Sicht durchtrennen und trüben. Schwer schneidet der Pflug die harte Scholle, der Hengst zieht das Gerät mit Gehorsam und Schweiß.

Das ist, was ich meine, wenn du vom Gehorsam sprichst, dem ich zu folgen nach Kräften mich bemühe. Doch suche ich nach dem Boden der Gerechtigkeit, auf den alle den Anspruch zum Leben haben, wenn sie im guten Glauben darauf barfüßig stehen und im Fleiß der Bescheidenheit mit den Händen wirken.

Chor:Aus Weltenfernen betrat der Mensch den Planeten Erde, dass mit Formungskräften aus ihm etwas Großes werde. Doch mit all den Zeiten und den Zeitenwenden und dem Drang nach Reichtum und Macht wich der Geist mit der Festigkeit des Glaubens und stellte den Menschen ans bodenlose Fass des Raubens.

Ein Mensch:Dafür gibt es den Beweis: Der münzbeschwerte Mensch bricht ein auf dem sicher geglaubten Eis und verliert mit den Münzen auch sein Leben. So ist das, was für ihn wichtig war, ins Nichts zerronnen wie beim Wasserfall, bei dem nichts bleibt auf größere Dauer.

Anderer Mensch:Der Erbauer ist’s, der die Grenzen setzt, bei denen sich der Mensch so oft und schwer verschätzt, was Grund gibt für die schweren Zeiten mit den Kriegen, Hungersnöten und den Engen in den Weiten, dass nun der Mensch nicht ein noch aus noch gerade sieht, um zu verstehen, was vor ihm unmittelbar geschieht.

Chor:Groß ist der Erbauer von Raum und Zeit, Da geht das Licht in Dimensionen der Ewigkeit, was nicht heißt, dass der Mensch zu klein und ängstlich ist, wenn er ehrlich und mit Anstand seine Arbeit tut. Ihm ist in der Schöpfung die Mitte zugewiesen, die mit Achtung und Weisheit zu füllen die Aufgabe bleibt.

Ein Mensch:Willst du das Werk errichten und dazu Worte der Erklärung dichten, dann tu es in der Sprache der Eltern, die dich nährten, wuschen und erzogen und für dich erwogen, dass dein Leben in den gesungenen Liedern wandelt und in der Freude des Seins zum Lichte des Wachsens hebt, denn du sollst dich als Geschenk der Schöpfung begreifen.

Du magst denken und dabei den Sternenhimmel abfahren, doch mit dem Denken allein fallen dir die Begriffe nicht zu. So nimm und halte die Ruh, denn das Verstehen des Großen wächst mit dir und das in der universalen Stimmung, die als Harmonie dir die Geborgenheit bis in den innersten Kern und die unumstößliche Sicherheit im Ein und Aus der Atmung gibt.

Kinder:Macht es leicht und erfinderisch wie im Spiel, bringt einander und uns zum Lachen, das ist dann viel im Gang der Erkenntnis mit schwingenden Armen und Beinen, was die Jahre bringen und auch nehmen mal laut mal still. Die Leichtigkeit des Spiels bewegt stärker die Welt im Innersten, aus der heraus das Schöpferische wie der Lebensquell entspringt.

Wir machen es im Purzelbaum und das auf engstem Raum, wir ziehen Kreise mit und um die alten und neuen Freunde, die sich in der Heiterkeit finden und die Schwere des Schmerzes teilen. Wir eilen und beeilen uns zur Gemeinsamkeit des Seins, beginnen zu reden über die Bindungen von Erfahrung und Wert bis zu den Vorbildern von Menschen, die die Wahrhaftigkeit ehrt.

Chor:Ihr ruft, doch ruft mit Anstand und Erwartung, wenn es Kinder mit den reinen Herzen sind. Ihr ruft, dann ruft mit Stimmen der Höhen und Geduld, wenn es Menschen sind, die sich krümmen unter anderer Menschen Bosheit, Frevel und Schuld, denn Getretene sind aus den Wunden herauszuheben.

Seht, da kommen Kinder mit Greisengesichtern hervor, die sich mit letzten dünnen Fäden am Leben halten. Gestalten sind’s, die das Licht des Tages nicht mehr kennen und sich in engen Löchern vor harten Schlägen drücken, deren Wände mit Schmerz und Verlorenheit zerbissen sind, weil es die Erde ist, die ihnen das sichere Leben verwehrt.

Und hört, wie sie keuchen mit jedem Atemzug der Strengung, wenn sich Kinder aus den Löchern ziehen und daneben legen. Mager und gemergelt sind die Körper, und durch die Stille schrillt der Schrei des letzten Blutes und der Verzweiflung, weil der Atem, der den schwachen Anfang genommen hat, nun droht, das Leben auszuhauchen und endgültig zu verwehen.

Deshalb sind Gesänge und Rufe am Morgen dann die letzte Warnung, wenn Kinder und Zertretene in die Löcher zurückgestoßen werden oder in ihrer unsäglichen Schwachheit wie von einem Windstoß zurückrollen und hineinfallen, manchmal mit dem Kopf nach unten. Der Weg des Lebens ist jedem anders vorgegeben, der einzuhalten ist, egal von welcher Seite zu kommen und der Weg zu gehen ist.

Zwei magere Menschen:Hier können wir nicht bleiben, seht uns an, denn hier gibt weder gutes Licht noch genügend Nahrung, und das Wasser, das wir trinken, schmeckt faulig und nach Chlor. Kinder kommen als abgemagerte Greise entgegen, und die Alten blicken und sprechen kindlich verloren daher, dass den Lebenden die Regeln von Wachstum und Vergänglichkeit abhandengekommen sind.

Es geht alles durcheinander, wie alles den Maßen der Natur entflieht ob beim Waschen der Körper oder dem Säubern von Charakter und Geist. Menschen schweigen sich aus im Aussprechen ihrer Nöte und Sorgen der schlaflosen Nächte mit leeren Mägen bis zum grauenden Morgen.Was gestern noch war, ist längst vergangen und lässt sich nicht borgen weder heute noch morgen, das sehen die ermüdeten stumpffahlen Augen.

Ein Mensch:Das sehe ich auch so, dabei ist mein rechtes Auge schon blind, blind geworden nach einem Schlag, also der unnatürlichen Blindheit, wenn ich aus dem Erdloch schaue und meine eigene Welt erbaue, die ich mit meinen Händen greife, ohne dass sie für andere fassbar ist. Diese Welt streckt sich nach den Seiten, aber nicht in Höhen aus, denn die Beben aus den Tiefen dauern an und werden immer starker.

Zwei magere Menschen:Da bekommen die Werker mit Köpfen und Händen ein Übermaß an Arbeit, die sie über die Jahre des Lebens binden, ohne dass sie in diesen Jahren die Ruhe der Erholung finden, die sie brauchen, um zur Stärkung an der Friedenspfeife zu rauchen beziehungsweise Zug um Zug dem Frieden der Verständigung näher zu kommen. Das ist, wonach Menschen sich neben der Scheibe Brot am meisten sehnen.

Fluten kommen und verschwinden, auch die, die nicht aus Wasser sind, es sind Fluten von Bewegungen greifender Hände und eilender Füße, die einen schieben und stoßen und die anderen werden geschlagen und gestoßen, ohne dass ein organisierter Widerstand der verspäteten Verteidigung aufkommt. Es ist schon unglaublich, was sich Menschen an Arroganz erlauben und die andern schweigend erdulden und sprachlos tragen und erleiden.

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