In einem Strandrestaurant am Karon Beach: Sagt eine etwa 50jährige Thai zu einem etwa 60jährigen deutschen Ehepaar: 'When men finish love they go'. Das deutsche Ehepaar nickt.
Ich sollte Geld wechseln, die Banken machen jedoch erst um neun auf. Soll ich warten und erst dann zu meinem Treffen ins Spital gehen oder später Geld wechseln? Mein Geld reicht für die TukTuk-Fahrt, ich entscheide mich fürs spätere Geldwechseln. Als ich beim Spital eintreffe, sehe ich, dass es auf dem Spitalgelände eine Bank gibt. Geldwechseln könne ich hier nicht, wird mir beschieden, da müsse ich zur Siam Commercial Bank, die aber auch auf dem Gelände zu finden sei. Ich finde sie nicht und so frage ich bei der Information und merke erst im letzten Moment, dass es sich dabei um die Anmeldung für Notfälle handelt, als der Mann hinter dem Schalter bereits aufsteht, ein paar Schritte geht, die Tür zur Notfallstation aufstösst und zwei Krankenschwestern herbeiruft. Ich entschuldige mich, ich sei kein Notfall, ich suche die Siam Commercial Bank, will bereits weiter, bevor ich barsch weggewiesen werde – wie es wohl in der Schweiz der Fall wäre – , doch die beiden Krankenschwestern lächeln freundlich und weisen mir den Weg zur Bank, während eine Patientin aus ihrem Krankenbett heraus interessiert zuschaut.
Davon, dass die Militärs die Macht übernommen hat, merkt man im Sommer 2016 nicht viel. Sicher, es gibt vereinzelt Soldaten auf den Strassen … Einige Thais äussern sich dazu positiv, andere, so höre ich von Westlern, seien gar nicht begeistert, doch die Hotelpreise sind so tief wie vor zwanzig Jahren. Ein amerikanisches Ehepaar in meinem Alter, findet die Militärpräsenz gut: Sie hätten sich zur Zeit der politischen Unruhen in Bangkok befunden und es sei gefährlich gewesen. Jetzt hingegen sei Ruhe eingekehrt. Von einer Genferin erfahre ich, die Schweizer Botschaft rate von Reisen nach Thailand ab … na ja, was wissen schon Botschaften ...
Der junge Mann ist ganz weiss, fast am ganzen Körper tätowiert und stammt aus dem Süden Schottlands. Er und seine Freundin trauen sich nicht in den Hotelpool, fürchten, das Wasser könnte zu kalt sein. Machen Sie Witze? Das Wasser hat etwa 23 Grad. Ob sie generell wasserscheu seien? Sie lachen und jetzt springt die junge Frau ins warme Nass ... und überlebt.
Ob es einen Discount auf den Zimmerpreis gebe, frage ich die Rezeptionistin. Dieser Preis sei bereits herabgesetzt, sagt sie. Und fügt hinzu: Bei Booking.com würde ich jedoch einen günstigeren Preis kriegen. Sie weist auf den Computer, der in der Hotelhalle den Gästen zur Verfügung steht. Ich logge mich ein und buche wie mir gerade empfohlen wurde. Am nächsten Morgen freue ich mich aufs Frühstück, erfahre dann aber, dass dieses in „meinem“ Preis nicht inbegriffen ist.
Kaum jemand, den ich heute nach dem Weg fragte, war von hier. Und die, die es waren, wussten den Weg nicht. Und dann gab es auch noch die, die mich nach dem Weg fragten.
Meistens scheint die Sonne und mir tut gut, dass mich die Realität überrascht, sie nicht meinen Vorstellungen entspricht. Nicht etwa, dass mich das hindern würde, überallhin meinen Schirm mitzunehmen.
National Portrait Gallery. Eine David Bailey Retrospektive. Was der Eintritt koste? frage ich. Ob ich eine Ermässigung beanspruche?, will die Frau an der Kasse wissen. Sowieso, sage ich und verfalle sofort in intensives Nachdenken. Ich bin über sechzig, ist das Einzige, was mir einfällt. Okay, sagt sie, das kostet drei Pfund weniger. Ich bin erfreut, doch gleichzeitig etwas verwundert. Und diesen Nachlass kriege ich, ohne dass ich mein Alter beweisen muss? Sie lacht. Ganz offenbar sehe ich wirklich wie sechzig aus, was meine Freude über den Preisnachlass dann doch leicht trübt.
Soho. In einem Strassencafe. Ein Mann, etwa 1 Meter 50 gross, ansprechend gekleidet, bleibt vor mir stehen und erzählt mit weinerlicher Stimme, er sei ohne Unterkunft und habe seit zwei Tagen nichts gegessen. Während er redet, wird sein Weinen lauter und heftiger, ich suche nach Geld, sein Weinen lässt nach. Er hält seine Mütze hin, ich werfe ein paar Münzen hinein, er bedankt sich. Beim Davongehen wirft er einen Blick in die Mütze. Erst im Nachhinein ist mir aufgefallen, dass der Mann gut geputzte Lederschuhe getragen hat.
Vorgestellt hatte ich mir, dass „mein“ Airport-Hotel gleich am Flughafen liegen würde (das hatte ich in einigen anderen Städten so erlebt), doch dem war nicht so. Dafür gab es jede halbe Stunde einen Hotel-Shuttle, der mich nach einer Fahrt von zehn Minuten an meinem Zielort ablieferte. Das Frühstück sei nicht inbegriffen, erklärt mir die junge Frau an der Rezeption, wenn ich aber jetzt gleich buche, koste mich das nur 14.99 Euro anstelle der 19.99 Euro. Da ich Angeboten, die einen Preisnachlass verheissen, nie widerstehen kann, erstand ich sofort einen Frühstücks-Coupon – und es lohnte sich, das redete ich mir nicht nur ein (und ich kann mir ganz, ganz vieles einreden), denn das Buffet war wirklich reichhaltig.
„Mein“ Hotel steht auf der grünen Wiese, neben zwei weiteren Hotelklötzen und einem McDonald’s. Sonst ist da nichts. Mir gefällt das. Christopher Isherwood hat einmal gemeint, die Gleichförmigkeit der Dinge sei der Transzendenz förderlich, weil ihre Oberflächen so leer seien und man sich deshalb leicht davon befreien könne. Ganz im Gegensatz etwa zu alten Kathedralen oder teuren Erstausgaben.
Zwei Italiener warten auf den Shuttle, der um 08.15 abfahren soll. Um 08.13 ist von dem Bus noch nichts zu sehen, der eine Italiener guckt nervös auf seine Uhr, macht ein paar Schritte, guckt noch einmal auf die Uhr. Um Punkt 08.15, der Bus ist nirgends zu sehen, macht er sich auf in Richtung Rezeption, doch noch bevor er die Eingangstüre zum Hotel erreicht, fährt der Shuttle vor. Mein Bild von den Italienern, die ich bislang nicht mit Pünktlichkeit in Verbindung gebracht habe, bekommt einen Riss. Auf der Suche nach Erklärungen fällt mir ein, dass es sich bei diesem Mann um einen Norditaliener gehandelt haben muss.
Die weltweite Tendenz zur Uniformität ist auch in Schiphol unübersehbar – die selben Ladenketten und Produkte wie überall. Völlig surreal.
Der Flieger sei gelandet, informiert die Frau vom Bodenpersonal, allerdings auf einer der äussersten Pisten, weshalb es jetzt noch einige Zeit dauern werde, bis das Flugzeug am Gate andocken werde. Sie lacht: Ungefähr so lange wie die Zugfahrt vom Flughafen zum Stadtzentrum. Ich selber hatte den Eindruck, wir durchquerten halb Holland, bis wir endlich das Gate erreichten.
Ende Januar, Anfang Februar 2009 verbrachte ich zwei Wochen im Westen Finnlands. Ich führte an der Fachhochschule in Nykarleby, das liegt eine Autostunde nördlich von Vaasa, einen Kurs zum Thema „Thinking Photography“ durch. Ich war noch nie in dieser Weltgegend, hatte mich auch vorgängig nicht wirklich darüber informiert, wo ich da hinkommen würde, nur über das Wetter hatte ich mich kundig gemacht, wusste also, dass es da kalt sein würde und so traf ich, mit einigen Pullovern im Gepäck, vor Ort ein, merkte dann aber sehr schnell, dass Pullover, Handschuhe und Mütze nicht wirklich nötig gewesen wären, denn ich verbrachte den grössten Teil meiner Zeit ohnehin drinnen und dort war es nicht nur warm, sondern heiss. Jedenfalls in meinem Zimmer, wo es eindeutig wärmer war als im südbrasilianischen Winter. In Brasilien sind nämlich Zentralheizungen unbekannt, in Finnland hingegen findet man sie meist voll aufgedreht. Im Kühlschrank fand ich dann einen Orangensaft gegen meinen Durst, er hiess „Brasil“.
In diesem Teil Finnlands spricht man hauptsächlich Schwedisch (93%, wurde mir gesagt), fühlt sich aber deswegen nicht weniger Finnisch; die Strassen sind in beiden Sprachen angeschrieben. Ob es da keine kulturellen Reibereien gebe?, fragte ich die Schulsekretärin. Nicht bei denen, die beide Sprachen sprechen, antwortete sie.
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