Ich sah meinen Mann an, dass es ihm unglaublich peinlich gewesen war. Jedoch erschien es mir in diesem Moment als gerechtfertigt und nötig.
Dieser Sonntag begann wie so viele andere zuvor. Ich war schon gegen 8:30 Uhr wach. Nach mehrmaligem Hin- und Herdrehen, in der Hoffnung wieder einschlafen zu können, entschied ich mich dafür aufzustehen. Ich entschloss mich in die Küche zu gehen und mich dem minimal am Morgen anfallenden Haushalt zu widmen, sowie später das Frühstück vorzubereiten. Beim Verlassen des Schlafzimmers lehnte ich die Tür leicht an, so dass unsere Katzen noch hindurchgehen konnten. Ich begab mich in die gegenüberliegende Küche und allein der Anblick der Unordnung im grellen Tageslicht sorgte bei mir für ein innerliches Aufbrausen.
Das dreckige Geschirr stapelte sich auf der Arbeitsplatte. Die Teller mit den Resten des Kartoffelpürees, welches wir am Abend zuvor gesessen hatten, erregten nicht nur meine Aufmerksamkeit, sondern auch mich und trieben meinen Puls in die Höhe.
Schon mehrmals hatte ich meinem Mann gesagt, dass er die Teller, vor allem bei stärkehaltigen Speisen, gründlich abspülen sollte, um ein Antrocknen zu vermeiden. Auch vergaß er, das Geschirr in die Spülmaschine zu räumen.
Mehr oder weniger leise, begann ich die Teller und den übrigen Abwasch mit einem Selbstgespräch zu bewältigen. In diesem Moment achtete ich nicht darauf und nahm auch keine Rücksicht auf meinen schlafenden Mann, wie hoch meine Lautstärke war.
„So ein Trottel. Jeder weiß doch, dass Kartoffelpüree an der Luft trocknet und nur mit viel Kraft vom Teller geht. Er muss doch wissen, dass die Spülmaschine es dann auch nicht schafft, die Teller sauber zu kriegen und ich dann wieder nachspülen muss“.
Je höher sich der Schaum im Spülbecken auftürmte, umso mehr schäumte ich. Vor Wut.
„Es ist doch keine große Sache, einfachen und logischen Anweisungen Folge zu leisten“.
Noch bevor der Abwasch vollständig bewältigt war, verfiel ich in einen Zustand, in dem ich von allem und jedem genervt war.
Nachdem ich mit dem Abwasch fertig war, wollte ich das Geschirrtuch, welches über meiner linken Schulter lag, auf den Küchentisch werfen. In diesem Moment erblickte ich das Geschenk, welches unser Kater mir hinterlassen hatte. Es war Erbrochenes, verteilt vom Rande des Küchentisches, über den Fußboden bis hin zum Mülleimer.
Und wer es noch nicht weiß, hier eine kleine Lektion zum Erbrechen von Katzen: Wenn eine Katze sich übergeben muss, dann tut sie dies nicht einmal, sondern zweimal und den zweiten Haufen Erbrochenes muss man, wie zu Ostern die bunten Eier, suchen.
In Rage und mit Küchenrolle und feuchten Putztüchern, bewaffnet begab ich mich auf die Suche. Nach nur wenigen Schritten in Richtung Wohnzimmer wurde ich mitten im Flur fündig. Mit einem Lautstarken „Dieses Mistvieh“ ließ ich meiner Wut freien Lauf, denn ich trat mit meinem rechten Hausschuh mitten in den Haufen hinein. Ich begann das Erbrochene mit Küchentüchern aufzunehmen und die Stelle am Fußboden, sowie meinen Schuh, mit einigen feuchten Putztüchern abzuwischen. Bis zu diesem Zeitpunkt schlief Robert tief und fest. Erst durch meinen Aufschrei wurde er geweckt und raffte sich aus dem Bett.
„Was ist denn los?“, fragte er mit müder Stimme und rieb sich dabei die Augen.
„Was los ist, fragst du? Dein Kater hatte mal wieder Futterneid verspürt, sein Fressen hinunter geschlungen und es dann überall hin gekotzt“.
„Jetzt mach dir nichts draus, das ist nur Erbrochenes und lässt sich schnell weg machen“.
„Ja, schnell. Genauso schnell wie das angetrocknete Kartoffelpüree auf den Tellern, welche ich heute Morgen schrubben durfte“, erwiderte ich aufgebracht.
„Jetzt mach‘ doch einfach den Dreck weg und rege dich doch nicht so auf. Du musst auch aus Allem einen Staatsakt machen.“
Voller Wut ging ich zurück in die Küche, öffnete den Mülleimer und warf alles hinein. Danach widmete ich mich der Zubereitung des Frühstücks. Während des Essens schwiegen wir uns an und sprachen nur das Nötigste. Wir räumten gemeinsam den Esstisch ab und erledigten gemeinsam die Hausarbeit. Viele Worte vielen im Verlauf dieser Zeit nicht.
Leider wurde meine Laune im Verlauf des Tages nur minimal besser. Am Nachmittag gingen wir spazieren und ich begann mich über banale Sachen aufzuregen. Rückblickend war es so, als wollte meine damalige Persönlichkeit keinen schönen Moment ohne völlige Kontrolle der Situation genießen.
Ich regte mich über einen Hundebesitzer auf, der seinem Rottweiler gestattete sein Geschäft mitten auf dem Fußweg zu verrichten und es nicht für nötig hielt es zu beseitigen. Auch eine Gruppe fröhlich lachender Kinder auf ihren Fahrrädern erzürnte mich, denn sie fuhren ohne Rücksicht auf Passanten nebeneinander auf dem Gehweg. Wodurch ihnen die Fußgänger ausweichen mussten. Ich empfand es als unerhört und regte mich über die Erziehung der Kinder auf.
„Also früher hätte es so etwas nicht gegeben. Manche Mütter und ihr antiautoritärer Erziehungsstil. Die Straße ist breit und diese Bälger groß genug, um dort zu fahren.“
„Es sind Kinder und keine Teenager. Denise, reg‘ dich nicht ständig auf. Geh‘ doch einfach lächelnd zur Seite und genieße den Tag.“
Trotz meiner mürrischen Art verbrachten wir noch einige Stunden an der frischen Luft und streiften durch die Gegend. Am schlimmsten reagierte ich, als Robert einen anderen Weg einschlagen wollte. Er wollte zum Schlossteich, was nicht dem von mir geplanten Weg entsprach. Mit vielen Worten versuchte ich ihn davon abzubringen. Was mir schlussendlich auch gelang. Im Nachhinein wäre es jedoch schön gewesen die herbstlichen Bäume zu sehen und den Ort zu besuchen, an dem unsere Hochzeitsfotos entstanden waren.
Der Abend brach an. Ich stand in der Küche und kochte das Abendessen, Robert entspannte vor dem Fernseher, als ich mich an etwas erinnerte, was ich ihm schon vor Tagen erzählen wollte. Ich rief ihn zu mir in die Küche. Da die Tür der Küche und die zum Wohnzimmer angelehnt waren, hörte Robert mein Rufen nicht. Erst beim zweiten Mal, welches deutlich lauter als das Erste war, reagierte er und kam in die Küche. Ich berichtete ihm von den Methoden eines konkurrierenden Unternehmens, um uns einen Kunden abzuwerben. Außerdem erzählte ich ihm von den Entwürfen, welche den Kunden überzeugen sollten das Unternehmen zu wechseln. Die Musterarbeiten wirkten im Gegensatz zu den meinen absolut lächerlich. Ich brüstete mich mit meiner Genialität. Robert saß am Küchentisch und schaute aus dem Fenster. Dieses Verhalten, das hinausblicken aus dem Fenster, sowie sein Schweigen signalisierte mir sein Desinteresse und entfachte wieder meine Wut.
Ich blaffte ihn an: „Du hörst mir doch gar nicht richtig zu! Wenn ich ignoriert werden will, kann ich auch mit den Katzen sprechen.“
„Doch das tue ich. Ich höre mit den Ohren und nicht mit den Augen.“
„Es ist ziemlich unhöflich, wenn man bei einem Gespräch dem anderen nicht in die Augen schaut. Hat dir deine Mutter den gar nichts beigebracht?“
Robert blickte zu mir herüber und schaute mich mit Tränen in den Augen an.
„Wann hört das auf? Dir kann man es nie recht machen. Du bist heute wieder so verletzend mir gegenüber und merkst es nicht mal.“
Ich nahm einen Schluck Wasser und hielt kurz inne. Dann setzte mich zu ihm. In seinen Augen sah ich, dass er unendlich unter meiner aufbrausenden Art litt. Das war ein Anblick, den ich nicht ertragen konnte. Meine ganze Wut über sein Verhalten und die stümperhafte Arbeit unseres Konkurrenten war von jetzt auf gleich verflogen.
„Es tut mir leid. Ich weiß, dass ich in letzter Zeit leicht reizbar und sehr wütend bin. Es ist nur so, dass ich sehr viel Stress auf der Arbeit habe.“
Читать дальше