»So. Jetzt habe ich aber genug gekauft.« Lachend nahm ich die Tasche an mich und ging langsam Richtung Ausgang. Tessa lief neben mir her und betrachtete mich erneut von oben bis unten.
»Ich will dich in den Klamotten sehen, du Model«, neckte sie mich und schüttelte beeindruckt den Kopf. »Ich würde mein Gehalt verwetten, dass du auf dieser Con so manchem Mann den Kopf verdrehst.« Sie grinste. Es war nur traurig, dass ich alle Register ziehen musste, um die viele Haut so gut zu verstecken, dass man nichts davon sehen konnte. Mieder, eine Hose, um den Po zu formen und Leggins, die die Haut an meine Beine presste. Nicht zu vergessen, den Push-up BH. Sie klapste mir auf den Po, was mich aus meinen Gedanken holte. Ich mochte das Mädel. Sie war gerade so alt, dass sie meine Tochter sein könnte, aber das war uns egal. Wir verstanden uns prima und das war mir mehr wert als alles andere.
»Du redest wieder nur Unsinn«, sagte ich, als ich langsam den Ausgang der Mall ansteuerte. In ein paar Metern Entfernung blieb ich nochmal stehen und grinste. »Obwohl, einen wüsste ich.« Ich zwinkerte und winkte ihr zu, ehe ich die Mall verließ und einen Abstecher in meine Apotheke machte. Mrs Hemsworth kam auf mich zu, die Augen weit aufgerissen und ihre Hände überrascht an ihre Wangen gelegt.
»Du meine Güte! Beth!« Kate nahm meine Hände, zog sie auseinander, damit sie mich betrachten konnte. »Wann hatten Sie das letzte Mal so wenig auf den Rippen?« Deutlich konnte man ihre Begeisterung hören.
»Keine Ahnung. Ich glaube, da war ich zwanzig.« Gott! Das war jetzt fast dreißig Jahre her. »Damals habe ich aber geraucht und hab nur langsam zugenommen.« Kate nickte und strahlte dabei so stolz wie eine Mutter.
»Ich bin wirklich stolz auf Sie.« Sie ließ eine Hand los und sah mich noch eine Weile an, ehe ich mich zu ihr beugte und in ihr Ohr flüsterte.
»Ich trag aber auch ein Mieder, einen Push-up BH, eine formende Hose und straffende Leggins.« Dann zwinkerte ich ihr zu und lächelte wieder. Kate nickte und sah mich nochmal von oben bis unten an.
»Sieht man nicht.« Endlich bestätigte mir jemand, dass ich mir wegen diesen Extras keine Sorgen machen brauchte.
»Danke. Jetzt muss ich aber gehen. Ich habe mir neue Klamotten gekauft. Alle in 38.« Dabei wackelte ich, breit grinsend, mit den Brauen. »Bis dann«, verabschiedete ich mich und gab Kate noch ein Küsschen auf die Wange. »Bis dann«, erwiderte sie und ließ meine Hand los. Ich stand schon in der Tür, als ich nochmal zurücksah und ihr Lächeln betrachtete. Ich mochte die Frau schon, seit ich sie das erste Mal gesehen hatte. Dann zog ich meinen Mantel zu, eilte zu meinem Wagen und trat den Weg nach Hause an. Ich rannte die Treppen hoch und brachte die neuen Klamotten zu meinem Schrank, der sich geleert hatte. Nie wieder wollte ich auf Damengröße 50 zunehmen. Also hatte ich die Klamotten in einen Sack gepackt und ihn zur Kleiderspende gebracht. Ich schnappte mir noch einen Apfel, holte die erste Staffel meiner Lieblingsserie heraus und legte die Blu-ray in den Player. Dann fläzte ich mich auf die Couch und machte mir einen gemütlichen Abend mit meinem Liebling, den ich in zwei Monaten live sehen würde.
13. September 2018
Mein Geburtstag. Gott sei Dank kein Freitag. Ich hasste es, wenn mein Geburtstag auf einen Freitag fiel. Dafür war dieser Donnerstag ein warmer Tag. Mit etwa zwanzig Grad fing der Morgen doch ziemlich gut an. Da ich niemanden hatte, den ich zu meinem Geburtstag einladen konnte, holte ich die Bilder der Stars heraus und stellte meine eigene Lieblingsstarliste zusammen, die mich durch den Tag begleiten sollten. Khal Drogo stand natürlich an erster Stelle. Oder lieber Jason? Och ja. Die realen Figuren sagten mir dann doch mehr zu. Würde schon seltsam anmuten, wenn Khal Drogo und Daenerys sich trafen und dann in meinem Schlafzimmer landeten. Herzlich begann ich zu lachen, holte einige Bilder aus den Zeichenrollen und verteilte sie so, wie ich sie haben wollte. Jason setzte ich in den Sessel, Emilia auf die Couch und neben ihr Kit – Jon Schnee. Rose ließ ich zu Hause, auch wenn sie Kits Frau war. War ja schließlich meine Party. Rory McCann stellte ich auf den Beistelltisch an der Tür.
»Schön aufpassen, Bluthund.« Lachend ging ich zurück ins Wohnzimmer und betrachtete meine Gäste, die ich auf die Couch gesetzt hatte. Abgeneigt schüttelte ich den Kopf, wobei ich eine Grimasse schnitt und »Nee, nee, nee« sagte. Also rollte ich Kits Bild wieder auf und lächelte nun meine Lieblinge an. Jon Schnees Bild gab ich wieder in die Rolle, um dann meine Gäste zu begrüßen. Aber wie begrüßte man den Mann, den man am liebsten an sich fesselte? Oder ihn auf der Stelle vernaschen, ihn vom Fleck weg heiraten oder einfach nur anhimmeln wollte? Lange sah ich Jasons Bild an, das ich gezeichnet hatte. Die Begrüßung gestaltete sich ziemlich schwierig, denn ein Bild war noch lange nicht die reale Person. Ich räusperte mich und straffte meine Statur. »Hi Jason. Hey Emilia. Wie geht es so? Schön, dass ihr gekommen seid.« Ich verdrehte meine Augen und schüttelte den Kopf. »Geht ja mal gar nicht.«
Der Teppich freute sich sicher über die Spur, die ich beim Hin- und Herlaufen verursachte. Nach einer ganzen Weile blieb ich wieder vorm Tisch stehen und räusperte mich. »Mister Momoa, Mrs Clarke. Schön, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind.« Sofort kniff ich die Augen zusammen, raufte meine Haare und stapfte zu einer Wand, die mal wieder für meine Zwecke leiden musste. Dreimal hieb ich meine Stirn gegen die Wand. »Das ist ja noch blöder«, stellte ich fest, während ich mir die Stirn rieb. Ich machte mir tatsächlich Gedanken, wie ich ein Bild begrüßen sollte. Schnaufend strich ich mir die Haare zurecht und ging in die Küche, um mir einen Tee zu machen.
Während der Earl Grey vor sich hin zog, brachte ich die kleine Erdbeer-Sahne-Torte ins Wohnzimmer, stellte einen Teller darauf und legte Besteck dazu. Lange starrte ich Emilias Bild an, ehe ich meine Situation kommentierte. »Ganz schön traurig, sich einen schönen Tag mit Bildern zu machen.« Ich spürte, wie sich Tränen in meine Augen bildeten, schluckte aber den Kloß im Hals herunter, ehe das Gefühl zu mächtig werden konnte. Schulterzuckend wandte ich mich der Küche zu, um meine Tasse zu holen. Dann zündete ich die zwei Kerzen an, die mich daran erinnerten, dass ich nächstes Jahr fünfzig werden würde. Ein halbes Jahrhundert würde dann hinter mir liegen. Und dabei kam es mir vor, als wäre ich gestern erst achtzehn geworden. Erneut zuckte ich die Schultern. Dann sang ich: »Happy birthday to me. Happy birthday to me. Happy birthday dear Bethany. Happy birthday to me«, pustete die Kerzen aus, klatschte in die Hände und wünschte mir natürlich nur einen Augenblick mit Jason. Dann setzte ich mich neben dem Sessel auf den Boden, als würde ich zu Jasons Füßen sitzen. Die Tasse hatte ich so platziert, dass ich sie bequem vom Tisch nehmen konnte. Doch noch bevor ich meinen Kuchen essen würde, suchte ich mir ›Canvas of my Life‹ heraus, das ich über mein Handy auf den Fernseher schickte. Es dauerte nicht lange, ehe der Fernseher aufflackerte und man die ersten Bilder des Videos sehen konnte. »Ach, Mist«, brummte ich, als mir einfiel, dass ich meine Geburtstagsgeschenke vergessen hatte. Ich hielt das Video an und ging ins Schlafzimmer, um die Päckchen zu holen. Zwei an der Zahl. Während ich ins Wohnzimmer zurückkehrte, konnte ich es mir nicht verkneifen, »Brav so. Lieber Hund« zu Rory McCanns Bild zu sagen. Erneut lachte ich und verteilte die Geschenke so, wie ich sie vorgesehen hatte. Das Gothic-Kleid ließ ich mir von Jason schenken. Ich konnte es dann doch nicht mehr bis Ende September abwarten und hatte das Kleid früher gekauft. Die passende Handtasche ließ ich mir von Emilia schenken. Ich kniete mich vor den Tisch und strahlte die Beiden an. »Das wäre aber nicht nötig gewesen. Danke.« Ich warf beiden einen Luftkuss zu und öffnete als erstes die Packung mit dem Kleid, das ich überrascht und absolut überwältig aus der Schachtel zog. »O mein Gott!«, sagte ich ehrfürchtig und erhob mich mit dem Kleid, das ich schon hatte kürzen lassen. »Das ist wunderschön«, hauchte ich mit belegter Stimme in Jasons Richtung und warf ihm ein Küsschen zu. Als ich es eine Weile von oben an mir betrachtet hatte, hibbelte ich kichernd ins Schlafzimmer und zog das Kleid an, das mir endlich passte und wie angegossen saß. Das Einzige, das jetzt noch störte, war die viele Haut, die sich nicht zurückbilden wollte. Darüber musste ich unbedingt mit meiner Versicherung reden. Mit stolz geschwellter Brust ging ich zurück ins Wohnzimmer und konnte hinter meiner Stirn ein Raunen hören.
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