»Aber es war ja noch nicht so ein Wetter. Es war kein Wölkchen am Himmel. Wie konnte ich ahnen, daß wegen einer so kleinen Unterlassungssünde all dies Gerumpel und Gepolter losgehen würde? Und ich meine, es ist gerade nicht hübsch von dir, so viel Aufhebens davon zu machen, da du doch weißt, daß es so selten vorkommt. Vorher habe ich es nie versäumt, nie seit dem großen Erdbeben, an dem ich schuld war.«
»Mortimer, wie du sprichst! Hast du das gelbe Fieber vergessen?«
»Meine Liebe, du legst mir immer das gelbe Fieber zur Last, und ich meine doch, das ist ganz sinnlos. Wie soll denn ein kleines Frömmigkeitsvergehen von mir so weithin wirken? Das Erdbeben will ich meinetwegen auf mich nehmen, weil es in der Nachbarschaft stattfand, aber ich will mich hängen lassen, wenn ich verantwortlich sein soll für jedes lumpige –«
(Fzt, bum, bum, belum, bum, bang!)
»O Gott, o Gott, gewiß hat es irgendwo eingeschlagen. Wir werden keinen Tag mehr erleben, und dann, wenn wir nicht mehr sind, kann es dir eine Genugthuung sein, zu wissen, daß dein gottloses Gerede – Mortimer!«
»Nun, was ist wieder los?«
»Deine Stimme klingt, wie wenn – Mortimer, stehst du wirklich vor dem offenen Kamin?«
»Das ist allerdings mein Verbrechen in diesem Augenblick.«
»Geh augenblicklich davon weg. Es scheint, du bist entschlossen, Vernichtung über uns alle zu bringen. Weißt du nicht, daß es keinen besseren Leiter für den Blitz giebt, als ein offenes Kamin? – Wo bist du nun hingegangen?«
»Da ans Fenster.«
»O, um Gotteswillen, hast du den Verstand verloren? Geh weg von dort, augenblicklich! Die kleinsten Kinder wissen, daß es lebensgefährlich ist, während eines Gewitters am Fenster zu stehen. Lieber, Guter, ich weiß, ich erlebe keinen Tag mehr – Mortimer?«
»Ja!«
»Was ist das für ein Rascheln?«
»Ich bin's.«
»Was thust du denn?«
»Ich bemühe mich, das obere Ende meiner Unterbeinkleider zu finden.«
»Schnell, wirf das Zeug weg. Du wirst doch nicht diese Kleidungsstücke bei einem solchen Wetter anziehen wollen? Du weißt doch, daß allen Autoritäten zufolge wollene Stoffe den Blitz anziehen. O, Liebster, Bester, ist es nicht genug, daß man aus natürlichen Ursachen stets in Lebensgefahr schwebt? und du thust alles Erdenkbare, was die Gefahr vermehren kann. – So singe doch nicht! Wie kannst du auf den Einfall kommen?«
»Nun, was kann denn das schaden?«
»Mortimer, ich habe dir einmal, habe dir hundertmal gesagt, daß Singen Schwingungen in der Atmosphäre verursacht, die den Zug des elektrischen Stroms unterbrechen und – um alles in der Welt, wozu machst du die Thür auf?«
»Gerechter Himmel, Weib, ist auch dabei Gefahr?«
»Gefahr? Der Tod ist dabei. Jeder, der irgend darauf geachtet hat, weiß, daß einen Luftzug verursachen geradezu den Blitz herbeiziehen heißt. Du hast sie nur halb zugemacht, schließe sie fest und mach schnell, oder wir sind alle verloren. O, es ist etwas Fürchterliches, bei einem solchen Wetter mit einem Wahnwitzigen eingeschloßen zu sein. Mortimer, was thust du?«
»Nichts, ich drehe eben den Wasserhahn auf, dieses Zimmer ist zum Ersticken dumpf, ich muß mir Gesicht und Hände netzen.«
»Du hast scheints den letzten Rest deines Verstandes verloren. Wo der Blitz einen andern Gegenstand einmal trifft, schlägt er fünfzigmal ins Wasser. Drehe schnell zu. O, Lieber, ich sehe schon, daß nichts auf dieser Welt uns retten kann, ich glaube, daß – – Mortimer, was war das?«
»Es war ein verfl. ... es war ein Bild, hab's heruntergestoßen.«
»Dann stehst du also hart an der Wand? Eine unerhörte Unvorsichtigkeit. Weißt du nicht, daß es keinen besseren Leiter für den Blitz giebt, als eine Wand! Mach, daß du davon weg kommst. – Und eben warst du auch wieder nahe daran zu fluchen. O, wie kannst du so verzweifelt gottlos sein, während deine Familie in solcher Gefahr schwebt? Mortimer, hast du ein Federbett herthun lassen, wie ich dich gebeten habe?«
»Nein, hab's vergessen.«
»Vergessen? Es kann dich dein Leben kosten. Hättest du jetzt ein Federbett, um es in die Mitte des Zimmers zu breiten und dich darauf zu legen, so wärst du völlig in Sicherheit. Komm hier herein – schnell, ehe du noch weitere tolle Streiche machen kannst.«
Ich versuchte es, aber die Kammer vermochte uns beide bei geschlossener Thüre nicht zu fassen, wenn wir nicht ersticken wollten. Ich schnappte eine Weile nach Luft, dann stürzte ich hinaus. Meine Frau rief:
»Mortimer, es muß etwas zu deiner Rettung geschehen, gieb mir das deutsche Buch, das auf dem Kaminsims liegt, und ein Licht, – aber steck es nicht an. In dem Buche finden sich einige Ratschläge.«
Ich holte das Buch auf Kosten einer Vase und anderer zerbrechlicher Sachen. Meine Frau schloß sich mit ihrem Licht ein, worauf ich einen Augenblick Ruhe hatte, dann rief sie heraus: »Mortimer, was war das?«
»Nur die Katze.«
»O, Jammer. Fang sie und sperr sie in den Wäschschrank ein. Rasch, lieber Schatz. Die Katzen sind voll Elektrizität, ich bekomme gewiß noch weiße Haare bei den furchtbaren Gefahren dieser Nacht.«
Ich vernahm wieder das unterdrückte Schluchzen, sonst würde ich weder Hand noch Fuß geregt haben zu einem solchen Beginnen in der Dunkelheit, nämlich über Stühle und alle Arten von Hindernissen, die meist sehr hart und scharfkantig waren, auf die Katze Jagd zu machen. Endlich war es mir gelungen, Mieze in den Schrank zu schließen, freilich auf Kosten von über 400 Dollars an zerbrochenen Möbeln und Schienbeinen. Dann drang es dumpf aus dem Kämmerchen:
»In dem deutschen Buche steht, es sei bei einem Gewitter am sichersten, sich mitten im Zimmer auf einen Stuhl zu stellen, – die Stuhlbeine müssen durch Nichtleiter isoliert werden, d. h. du mußt die Stuhlbeine auf Sturzbecher von Glas stellen – (Fzt – bum, bam, krach). O, höre doch. Eile dich, Mortimer, ehe du getroffen wirst.«
Es gelang mir, die Gläser zu finden, es waren die letzten vier. Alle andern hatte ich zusammengeschlagen. Ich isolierte die Stuhlbeine und bat um weitere Verhaltungsmaßregeln.
»Mortimer, dann heißt es: ›Während eines Gewitters entferne man Metalle, wie z. B. Uhren, Ringe, Schlüssel von sich und halte sich auch nicht an solchen Stellen auf, wo viele Metalle beieinander liegen, oder mit andern Körpern verbunden sind, wie an Herden, Öfen, Eisengittern u. dgl.‹ Verstehst du das, Mortimer! Heißt das, daß man Metalle bei sich behalten muß, oder fern von sich halten?«
»Ja, ich weiß auch nicht recht, es kommt mir etwas unklar vor, ich kenne die Sprache nicht so genau. Wenn ich das Deutsch recht verstehe, so scheint es mir zu besagen, daß man Metall an sich haben soll.«
»Ja, so muß es wohl sein, das sagt ja der gesunde Menschenverstand. Es wirkt wie beim Blitzableiter, weißt du. Setz deinen Feuerwehrhelm auf, Mortimer, der ist fast ganz aus Metall.«
Ich holte ihn und setzte ihn auf, – ein recht schweres, plumpes und unbequemes Ding, in einer heißen Nacht in einem dumpfen Zimmer. War mir doch schon mein Nachtgewand mehr Bekleidung, als ich eigentlich bedurfte.
»Mortimer, ich glaube, dein Unterleib bedarf auch eines Schutzes, willst du nicht so gut sein und deinen Bürgerwehrsäbel umschnallen?«
Ich willfahrte.
»Jetzt, Mortimer, mußt du noch etwas zum Schutz deiner Fuße haben, bitte, schnalle deine Sporen an.«
Ich that es, ohne ein Wort zu sagen, und hielt meine gute Laune aufrecht, so gut ich konnte.
»Mortimer, es heißt in dem deutschen Buch weiter: ›Das Gewitterläuten ist sehr gefährlich, weil die Glocke selbst, sowie der durch das Läuten veranlaßte Luftzug und die Höhe des Turmes den Blitz anziehen könnten‹; Mortimer, heißt das, daß es gefährlich sei, die Kirchenglocken während eines Gewitters nicht zu läuten?«
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