Josef ist skeptisch. „Der Osterhase wird das nicht zulassen. Er ist versessen darauf, das schönere Fest zu organisieren.“
„Er muss es ja nicht erfahren“, lacht Harry und zwinkert Josef zu. „Soll er sich weiter mit seinen Weihnachtseiern beschäftigen. Wir tun so, als würden wir ihm helfen, und zwar so langsam, wie möglich. Ein paar Wichtel unterstützen den Osterwahnsinn. Alle anderen arbeiten weiter am richtigen Weihnachtsfest. Ohne diesen Ostereier-Firlefanz.“
Josef lächelt. Das könnte funktionieren.
„Wichtig ist, dass der Osterhase von all dem nichts merkt“, fährt Harry fort. „Wir müssen uns darauf verlassen, dass alle dieses Geheimnis bewahren.“
„Das sollte kein Problem sein. Im Moment ist keiner gut auf diesen aufgeblasenen Mümmelmann zu sprechen,“ sagt Josef mürrisch.
„Aber eine Frage stellt sich noch. Wer wird die Geschenke an Heiligabend zu den Kindern bringen?“, fragt Lissi nachdenklich. Die Freunde schauen sich fragend an. Daran hatten Wilbert und Harry nicht gedacht.
„Vielleicht ist der Weihnachtsmann bis dahin zurück“, meint Wilbert etwas ratlos.
„Vielleicht auch nicht“, entgegnet Harry und zuckt mit den Schultern.
„Dann müssen wir ihn suchen. Ich breche sofort auf“, schlägt Wilbert mit fester Stimme vor.
„Ich komme mit dir“, beschließt Lissi, ohne zu zögern.
„Ihr beiden Angsthasen wollt auf Abenteuerreise gehen?“, lacht Harry.
„Warum denn nicht?“, fragt Wilbert ein wenig beleidigt. „So groß wird dieses Abenteuer sicher nicht werden. Vermutlich hat er sich bei seinem Freund, dem Nikolaus, versteckt. Wir statten ihm morgen einen Besuch ab. Dann ist dieser Spuk in ein paar Tagen vorbei. Harry, kümmerst du dich darum, dass unser Plan umgesetzt wird.“
„Na klar! Josef und die anderen Wichtel werden mich sicher unterstützen. Wir sollten so schnell wie möglich alle im Weihnachtsdorf über unseren Plan informieren.“
„Alle, außer den Osterhasen“, kichert Lissi.
„Alle, außer den Osterhasen,“ lacht Harry, zwinkert ihr zu und verlässt den Raum.

Kapitel 5 Der Aufbruch
„Bist du soweit?“, piepst Lissi und streckt den Kopf zur Tür herein.
„Ich weiß es nicht“, stöhnt Wilbert, dem so langsam doch etwas mulmig zumute wird. Wie angewurzelt steht er vor seinem Schrank. Was soll er nur einpacken? Wohin wird es sie verschlagen und wie lange werden sie unterwegs sein?

„Komm schon, Wilbert. Wir haben keine Zeit. Ich habe nur meine Notfalltasche dabei. Wir werden schon nicht ewig weg sein“, drängt die kleine Maus.
„Was hast du denn in deine Notfalltasche gepackt? Nur Bonbons, Lollis und Schokolinsen?“
„Nein. Ich habe auch Lakritzschnecken dabei.“ Lissi kichert und Wilbert verdreht die Augen.
„Was sagen wir dem Hasen, wohin wir gehen?“
„Keine Ahnung.“ Wilbert zuckt mit den Schultern. „Harry wollte sich etwas überlegen.“ Dann schlägt er die Schranktür zu.
„Hast du Angst?“, fragt er.
„Ja“, piepst die Maus.
„Ich auch. Dann los. Lass uns etwas gegen diese Angst unternehmen. Wo fangen wir an zu suchen?“
„Beim Nikolaus. Er ist der beste Freund des Weihnachtsmannes. Wenn er nicht bei ihm ist, weiß er vielleicht, wo wir suchen könnten.“
Die beiden Freunde machen sich auf den Weg. Wie Geheimagenten schleichen sie durch die Gänge, schauen vorsichtig um jede Ecke. Sobald sie Stimmen hören, suchen sie einen dunklen Winkel um sich zu verstecken. Leider ist durch die neuen Ideen des Osterhasen das ganze Weihnachtsdorf unterwegs und in heller Aufregung. „So kommen wir hier nie raus“, flüstert Lissi.
„Hab Geduld. Wir schaffen das. Da vorn müssen wir einmal links, die Treppe nach unten und dann sehen wir schon den Ausgang.“ Vorsichtig schaut Wilbert um die Ecke, nimmt Lissis Hand, rennt los und zieht sie hinter sich her die Treppe hinunter. Nur noch wenige Meter bis zum Ausgang.
„WILHELM!“, schallt es plötzlich durch die Eingangshalle. „Wilhelm, ich suche dich seit Stunden.“
Wilbert bleibt stehen und senkt den Kopf. Verdammt! Und das so kurz vor dem Ziel. Die Freunde drehen sich um und stehen dem Osterhasen gegenüber. „Wohin gehst du, Wilhelm?“
„Ich heiße Wilbert,“ antwortet der Wichtel genervt.
„Wie auch immer ... Du darfst nicht gehen. Komm mit! Wir haben jede Menge zu tun.“
Wilbert fängt an zu zittern. Er kann jetzt nicht umkehren.
„Wilbert kann nicht mitgehen!“, hört er Lissi mit fester Stimme sagen.
„Was?“, ruft der Osterhase zornig. „Ich bin hier für die Organisation verantwortlich. Und ich sage, Wilfried kommt mit.“
„Er heißt Wilbert. Und es ist ein Notfall. Wir haben ein Problem in der Süßigkeitenfabrik. Er muss mitkommen und sich das ansehen. Sonst werden die Weihnachtshasen niemals rechtzeitig fertig.“
Der Osterhase kratzt sich nachdenklich am Kopf.
„Lissi, Lissi“, denkt Wilbert anerkennend. Ihm rutscht das Herz in die Hose und diese kleine, mutige Maus traut sich, dem Hasen die Stirn zu bieten.
„Also gut“, sagt der Hase schließlich. „Aber beeile dich. Wir dürfen keine Zeit verlieren.“
„Wie recht er doch hat“, denkt Wilbert, nimmt Lissis Hand und läuft mit ihr davon.
Kapitel 6 Beim Nikolaus
„Ob er schon bemerkt hat, dass wir weg sind?“, fragt Lissi und stapft neben Wilbert durch den glitzernden Schnee. Ihre Beine tun weh und sie wünscht sich einen Schlitten herbei.
„Ich denke schon“, antwortet Wilbert. Auch er ist außer Atem und froh, gleich das Zuhause des Nikolaus‘ erreicht zu haben. Nur noch diesen Berg hinauf und rechts an der krummen Fichte vorbei. Dann können sie das Haus schon sehen.

Es ist ein kleines Häuschen mit einem spitzen, schneebedeckten Dach. Neben dem Haus steht ein kleiner Stall und davor ein alter Pferdeschlitten. Aus dem Schornstein steigt Rauch in den Himmel. In einem der Fenster brennt Licht. Ein Glück, der Nikolaus scheint zu Hause zu sein.
„Endlich geschafft ...“, keucht Lissi. Wilbert klopft kräftig an die schwere, rote Holztür.
„Wer ist da?“, ertönt die tiefe Stimme des Nikolaus‘.
„Hier sind Wilbert und Lissi aus dem Weihnachtsdorf. Dürfen wir eintreten?“
Die Tür öffnet sich und ein großer, kräftiger Mann mit langem, weißen Haar und einem ebenso weißen Bart steht vor ihnen. „Mensch, Wilbert! Was für eine Überraschung! Wir haben uns ja ewig nicht gesehen.“ Der Nikolaus umarmt ihn überschwänglich und wirbelt ihn durch die Luft.
Dem Wichtel ist ganz schwindelig, als er wieder festen Boden unter den Füßen spürt. „Darf ich dir meine Freundin Lissi vorstellen?“, sagt Wilbert und zeigt etwas benommen auf die Maus neben ihm.
„Hallo kleine Dame“, antwortet der Nikolaus und reicht Lissi einen Finger. „Tretet ein, meine Freunde. Was verschafft mir die Ehre eures Besuchs?“ Der Nikolaus tritt zur Seite und die beiden treten ein. Ein angenehmer Duft nach Nelken umgibt sie. Auf dem Tisch steht eine dampfende Tasse. Links und rechts daneben stehen zwei große, mit dunkelblauem Samt bezogene Sessel. Der Wichtel und die Maus setzen sich gemeinsam in einen der Sessel. Der Nikolaus bringt den beiden eine dampfende Tasse. Lecker! Heiße Schokolade! Wilbert lächelt zufrieden. Jetzt noch einen Zimtstern und es wäre perfekt.
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