Charles Pitt kehrte nach vier Jahren in die Colonie zurück und brachte nicht allein vortreffliche Zeugnisse, sondern auch sehr vernünftiger Weise gleich eine Frau mit. Dann errichtete er in Sidney, von seinem Vater dabei auf das Liberalste unterstützt, ein Export- und Importgeschäft, und gehörte bald zu den wohlhabendsten und geachtetsten Bürgern der Stadt.
Der alte Pitt aber hatte sich draußen vor der Stadt, in der Nähe des Leuchtthurms ein kleines, wohnliches Haus gebaut und eine alte Wirthschafterin gemiethet, die ihm dasselbe mit seiner Wirthschaft in Ordnung hielt. Sein Sohn wünschte allerdings, daß er zu ihm zöge und seine letzten Tage nicht so allein da draußen verbrüte, aber der alte Mann, wenn er auch aus den untersten Schichten der Bevölkerung stammte und in seinem ganzen Leben nicht einmal Lesen oder Schreiben gelernt hatte, fühlte heraus, daß er in die herangewachsene Generation nicht passe und jetzt, bei einer Unzahl neuer und freier Einwanderer, der bürgerlichen Stellung seines Sohnes, den er über Alles liebte, schaden könne. Er war deshalb durch nichts zu bewegen, sich persönlich in der Stadt bei ihm sehen zu lassen, und nur Sonntags mußten ihn seine Enkel, selbst als sie schon herangewachsen waren, besuchen, und feierten dann jedesmal in dem Garten an der wundervollen Bai ein kleines Fest.
Charles Pitt hatte drei Kinder - einen Sohn von jetzt etwa achtundzwanzig Jahren, eine Tochter Pauline von achtzehn und das jüngste Töchterchen von sechs Jahren - zwei Kinder waren ihm gestorben - und lebte in seinen häuslichen und bürgerlichen Verhältnissen so glücklich, wie nur ein Mann mit einem braven Weib, Kindern, die ihm Freude machen, und keinen Sorgen weiter als solchen, die das Geschäft eben /31/ - und nur auch wieder als Würze der ganzen Existenz - mit sich brachten, leben kann.
Er stand vollkommen unabhängig da, und wenn er in dieser erregten Zeit auch selber nicht von der Alle erfassenden Leidenschaft frei blieb, die durch die plötzliche Entdeckung des Goldes über sie gebracht worden, so trug er ihr doch nur in vernünftiger Weise Rechnung, und zwar in ganz sicherer, ruhiger Speculation, die nicht das Gold in Klumpen in's Haus bringen wollte und es in nur zu vielen Fällen statt dessen gemünzt zur Thür hinaustrug. Er sandte Waaren, wie sie für den augenblicklichen Bedarf der Tausende nöthig waren, die jetzt in den unwirthbaren Busch hinauf strömten, nach Bathurst, wo er schon seit mehreren Jahren ein besonderes Geschäft und vor kurzer Zeit auch seinen Sohn hinauf geschickt hatte, um Manches dort zu ordnen und verschiedene ausstehende kleine Schulden einzukassiren.
Jetzt war auch die richtige Zeit, das zu thun, denn noch waren die Straßen passirbar; sobald aber die gewöhnlichen in dieser Jahreszeit stets fallenden Regen einsetzten, ließ es sich voraussehen, daß sie von den zahllosen Karren und Fuhrwerken zu einer wahren Schlammbahn verwandelt werden mußten, und der Transport wurde dann, wenn auch nicht unmöglich, doch für Fuhrwerk wie Zugvieh gleich zerstörend.
Die nothwendigsten Geschäfte waren heute besorgt, das Frachtgut hatte der damit betraute Diener übernommen und abgeführt, und die kleine Familie saß eben beim Luncheon, einer Art zweitem Frühstück, als rasche Schritte laut wurden und gleich darauf ein junger Mann in einem brennend rothen Minerhemde, über dem er eine offene Jacke von englischem Leder trug, ein Paar mächtige Wasserstiefeln an, einen sogenannten californischen Hut in der Hand, die Thür aufriß und in's Zimmer schaute -
„Nun?" rief er aus, „seh' ich aus wie ein Miner und kann ich jetzt mit Anstand in die Berge rücken?"
„Mr. Holleck! wahrhaftig!" rief, von ihrem Stuhl aufspringend, Pauline, „ich habe ihn im ersten Augenblick gar nicht erkannt."
„William in der That," sagte auch der Vater und /32/ schüttelte erstaunt den Kopf, und seine Frau, eine noch wirklich schöne Brünette, wenn auch die Jahre ihr schon ihre Furchen in Wangen und Stirn gegraben, schlug die Hände zusammen. Die kleine Therese aber kletterte von ihrem Stuhl herunter, lief auf den Besuch zu und rief, vor Freuden die kleinen Händchen zusammenklappend:
„Ach, Onkel William geht in den Wald und holt Gold, und dann bringt er mir auch eine Menge große Stücke zum Spielen mit, nicht wahr?"
Der junge Mann hob die Kleine vom Boden empor und sich auf den Arm, und dem jungen Mädchen die Hand entgegen streckend, frug er mit etwas herausforderndem Lachen:
„Nun, gefall' ich Euch so?"
„Nein," sagte Pauline nach einer kleinen Pause, in der sie den Ankömmling vom Kopf bis zu den Füßen betrachtet hatte und dabei leicht erröthete, „ganz und gar nicht. Sie sehen viel besser in Ihren gewöhnlichen Kleidern aus - viel vernünftiger, denn ich kann mir einmal nicht helfen, es kommt mir immer so vor, als ob die ganze Welt wie wahnsinnig geworden wäre und - eine dem entsprechende Tracht angelegt hätte."
„Pauline hat ganz Recht," bemerkte auch der Vater. „Wenn die Arbeiter und Tagelöhner hinauflaufen und das da oben mit Spitzhacke und Schaufel fortsetzen wollen, was sie hier unten mit Spitzhacke und Schaufel angefangen haben, so läßt sich nichts dagegen einwenden. Wer aber sein Brod noch auf andere Weise verdienen kann, der - sollte sich zweimal bedenken, ehe er den tollen Streich machte, in ein Leben hinein zu springen, dem er - eben nicht gewachsen ist, und das er deshalb nur zu bald wieder satt bekommen muß."
„Aber Mr. Holleck wird doch auch da oben nicht selber graben und waschen wollen," sagte die Mutter lächelnd, „er denkt gewiß gar nicht daran."
„Und die Mutter ist jetzt die einzige Vernünftige von der ganzen Gesellschaft," lachte der junge Miner in seiner dreisten Art. „Aber, Papa Pitt, Sie glauben, ich hätte so weit den Kopf verloren, um mich da oben in die Berge zu setzen und angenehme Löcher in den Erdboden zu hacken - und Miß Pitt ebenfalls? - Das ist aber stark." /33/
„Nun, mein junger Freund," sagte der Vater mit ernster Miene, „ich dächte, der ähnlichen Beispiele hätten wir in diesen Tagen gerade genug, um einen solchen Verdacht bei den geringsten Anzeichen mehr als wahrscheinlich zu machen, und für solche, und zwar sehr starke Anzeichen rechne ich nun einmal ein rothwollen Hemd und Wasserstiefeln ganz bestimmt. Wenn Sie aber nicht in die Berge wollen, wozu dann die Maskerade?"
„In die Berge will ich allerdings," sagte der junge Mann, indem er jetzt die Kleine wieder auf die Füße stellte und sich ohne Weiteres mit zum Tisch setzte, aus den zur Luncheons Zeit immer ein paar übrige Gedecke gelegt wurden - er war ja überhaupt ein steter und, wie er überzeugt war, gerngesehener Gast im Hause, - „aber nur um mir das Leben da oben einmal mit anzusehen - wahrlich nicht um zu arbeiten, zu hacken und zu graben."
„Und läßt Sie Ihr jetziger Principal so lange fort?" frug Mr. Pitt. „Ich dächte, gerade in jetziger Zeit wäre so viel Arbeit daheim, daß man seine Leute am allerwenigsten entbehren könnte. Ich möchte wenigstens gerade jetzt keinem meiner Clerks einen achttägigen Urlaub geben."
„Ich bin längst aus dem Geschäft getreten," sagte der junge Holleck gleichgültig, indem er sich selber aus der Zinnbüchse zu Sardinen verhalf.
„In der That?" fragte Mr. Pitt erstaunt und sah zu ihm auf.
„Jetzt ist die Zeit," fuhr Holleck fort, „hier in Australien etwas Selbstständiges zu beginnen. Mit dem Seeleben, das ich zuerst versucht hatte, ging es nicht; meine Existenz als schlecht bezahlter Commis hinzuschleppen, war eben so langweilig, und da endlich, gerade im entscheidenden Moment, meine schon lange erwarteten Wechsel von daheim eingetroffen sind, so hab' ich mich denn rasch entschlossen, meinem Brummbär von Principal den Stuhl für immer vor die Thür zu setzen, und bin jetzt mein eigener Herr. Das, glaube ich, ist das Gescheidteste, was ich thun kann, daß ich mir die Verhältnisse oben in den Minen, von denen wir hier unten doch keinen richtigen Begriff haben, einmal selber ansehe. Nachher kann ich mich dann entscheiden, ob ich meine neue Thätigkeit /34/ dort an der Quelle beginne. - Aber wo ist denn Charley? Noch immer oben in Bathurst?"
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