Ich nicke mit dem Kopf: »Ja, es war wieder sehr schön. Diesmal haben sie mich mit nach Indonesien genommen. Aber sie haben mir auch eine kleine Geschichte über eine italienische Bratpfanne erzählt. Diese Erzählung gefiel mir am besten. Willst du sie hören?«
Verständnislos schaut meine Frau mich an, wobei sie erwidert: »Heute nicht mehr. Ich bin schon zu müde. Vielleicht morgen. Dann erzähle ich dir auch eine Geschichte über Pfannen, Kochtöpfe, Bestecke, Teller, Tassen und Gläser, die ich heute abgespült habe, während du dich amüsiert hast. Ich gehe jetzt ins Bett. Gute Nacht.«
Ich bin noch nicht müde. Zu viele Gedanken wirbeln in meinem Kopf herum. Dabei denke ich an eine kühle Bratpfanne und wünsche mir, sie möge sich noch einmal erwärmen und vielleicht sogar sehr heiß werden.
Schokoladenosterhasen
Katja Müller-Kuckelberg
Die zerlaufenen Überreste eines Schokoladenosterhasen mit beeindruckender Sorgfalt auf deiner linken Gesichtshälfte verteilt, sitzt du, kleines Mädchen, auf dem Küchenboden, umringt von sämtlichen Mitgliedern der Stofftiervollversammlung und schaust mich an. Ich weiß nicht genau, warum ich im Türrahmen stehen bleibe, aber jetzt stehe ich hier und du sitzt da und du legst den Kopf in den Nacken und fixierst mit zusammengekniffenen Augen meine Nasenspitze und fragst: »Warum gibt es böse Menschen?«
Ich lache kurz auf vor Überraschung. Nicht deine Frage überrascht mich, kleines neugieriges Mädchen, auch nicht, dass du sie jetzt und hier stellst, auf dem kalten Küchenboden mit Eisbär Eddie im Arm, dessen weiße Schnauze mit dunklen Flecken übersät ist. Du hast die Süßigkeiten offensichtlich mit deinen plüschigen Freunden geteilt. Auch das wundert mich keineswegs. Es ist meine eigene Sprachlosigkeit, die mich erstaunt. Bisher konnte ich alle deiner Fragen beantworten: Ich konnte dir erklären, warum du im Sommer schon ins Bett musst, wenn es noch hell, obwohl du im Winter wach bleiben darfst, bis es dunkel wird. Ich habe dir gezeigt, was passiert, wenn man alle Farben im Malkasten zusammenmischt und dass dabei kein Regenbogen entsteht. Wir haben besprochen, warum sich weder Ameisen noch Blauwale als Haustier eignen. Aber diesmal, kleines Mädchen, diesmal weiß ich keine Antwort. Gibt es überhaupt böse Menschen? Ich erinnere mich an Begegnungen mit schrägen Vögeln, mit knallharten Geschäftsleuten, mit Weitgereisten, Heulsusen, Zicken, Träumern, großen Denkern, Künstlern, Nervensägen und Veganern. Und irgendwann, kleines Mädchen, habe ich sogar dich kennengelernt. Aber einen bösen Menschen habe ich noch nie getroffen. Was meinst du überhaupt, wenn du böse sagst? Bin ich böse, wenn ich deine Erfindung Sommerschnee zerstöre, weil ich, blind für die Genialität deiner Arbeit, glaube, eine größere Ansammlung von kleingeschnittenem Altpapier zu entsorgen? Sind deine Eltern böse, wenn sie Beförderungen jagen bis zum Burnout, wenn sie dich, wildes Mädchen, und mich, selbst noch halb Kind, und all diese Fragen hier alleine lassen? Oder wäre es böse, würden sie nicht alles tun, um dir und all deinen Stofftieren zu jeder Zeit ausreichend Schokolade zur Verfügung stellen zu können?
Ich beobachte, wie du mit größter Hingabe die bedruckte Silberfolie, die einmal als Einwickelpapier für die Osterhasen gedient hatte, auf dem Küchenboden glattstreichst. Die Schiffchen, die du daraus bastelst, sehen wenig seetauglich aus, doch das scheint dich nicht weiter zu kümmern. Deine Frage hast du längst vergessen.
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