Sofi Mart
Blutlegende
Readwulf - Band 1 (komplett)
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Inhaltsverzeichnis
Titel Sofi Mart Blutlegende Readwulf - Band 1 (komplett) Dieses ebook wurde erstellt bei
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
WIDMUNG
DANKSAGUNG
Impressum neobooks
Rückblick: London – Herbst 1987
Dass sie nie eigene Kinder bekommen würde, hatte sie vor Jahren fast in den Tod getrieben. Harrys Verständnis und Zuneigung bewahrten sie damals vor dem Sprung in die Tiefe. Und nun zahlte sich seine Geduld aus. Selbst wenn die Umstände mehr als ungewöhnlich schienen, hielt sie jetzt ein Kind in den Armen. Seine Frau starrte wie gebannt auf das kleine Gesicht mit den großen, grünen Augen.
Harry stutze: Müsste die Iris nicht blau sein? Er schüttelte den Kopf und berührte die Stirn des Babys. Noch immer hatte sich nichts an seinem fiebrigen Zustand geändert.
»Was tun wir hier eigentlich, Harry?«
»Das Richtige! Und nun steig bitte ein, Ann«, antwortete er und öffnete die Wagentür.
»Aber es weiß niemand, dass sie noch lebt und wir...«, versuchte sie kleinlaut zu protestieren. Harrys strenger Blick ließ sie verstummen.
»Wir haben uns dafür entschieden. Das war die Bedingung, Anny. Also lass uns jetzt endlich fahren«, sagte er eindringlich und strich dabei mit einer Hand über ihre Wange.
»Ich weiß.«
Das kleine Bündel eng an sich gepresst, sank Marie Ann schweigend auf den Beifahrersitz und schloss die Tür. Harry schüttelte den Kopf, stieß einen Seufzer aus und öffnete sie wieder.
»Das Baby...Anny, das Baby!« Er deutete auf den Kindersitz hinter ihr. Sie küsste das Kleine sanft auf die Stirn und warf ihrem Mann einen gespielt vorwurfsvollen Blick zu: »Sie heißt Juliette, Harry! Kein Vater nennt seine Tochter: Das Baby.«
Als sie ihm das Kind in die Arme legte, lächelte sie bereits wieder.
Während Harry den Nachwuchs gewissenhaft im Kindersitz auf der Rückbank unterzubringen versuchte, sah Marie Ann ihm leicht amüsiert zu.
Die beiden Haken muss man zusammenhalten und dann erst in den Verschluss schieben. Na, ich sag lieber nichts...
Er würde sich niemals Hilfe suchend an sie wenden. Außerdem hielt sie sich eher zurück, wenn es um Reparaturen, Parkplatzsuche oder derlei Dinge ging. Für Belehrungen oder gut gemeinte Ratschläge hatte Harry nichts übrig. Er nahm die Sache lieber selbst in die Hand, auch wenn er damit länger brauchte als nötig. Am Ende fand er für alles immer eine gute und aus seiner Sicht viel bessere Lösung.
Selbst ist der Mann! Schmunzelnd drehte sie den Kopf nach vorn. Als ihr Blick dabei auf die Nebelbank am Flussufer fiel, zuckte sie erschrocken zusammen: »Harry, sieh mal, da steht jemand auf der Brücke und blickt direkt in unsere Richtung.«
Doch er schien ihr gar nicht zu zuhören. Stattdessen versuchte er weiterhin verzweifelt den Gurt an der Babyschale zu befestigen: »Verdammt, ich bekomme das hier nicht zu. Ann, hilf mir!«, fluchte er, schaute gereizt auf und blickte sich um: »Da ist niemand.«
»Klar, sieh doch hin...«, protestierte sie, aber ihr blieben die Worte im Hals stecken. Die Gestalt auf der Brücke war verschwunden und der dichte Nebel kroch langsam die Böschung zur Straße hinauf.
»Ich will hier weg«, flüsterte sie und rieb dabei die schwitzigen, kalten Handflächen aneinander. In diesem Moment schnappte der Gurtverschluss endlich zu. Harry eilte um den Wagen und stieg ein. Seine Hand zitterte, als er den Schlüssel ins Zündschloss steckte: »Herrgott Ann, halt die Finger still, du machst mich nervös.« Niemals hätte er seiner Frau gestanden, dass auch ihm die ganze Situation ziemlich zusetzte. Schließlich mussten sie ihr bisheriges Leben hinter sich lassen, um für dieses Kind neu anzufangen. Und das alles weit weg auf einer Insel, die für sie zuvor nicht einmal als Urlaubsziel in Frage gekommen wäre. Aber Harry liebte seine Frau und wenn es nur diesen einen Weg gab, dann würden sie ihn gemeinsam gehen.
***
Ungewohnte Gerüche
Dem Mann, dessen Kopf zwischen Readwulfs Händen lag, blieb keine Zeit zur Gegenwehr. Seine Halswirbel knackten laut, bevor er leblos zurück in den Sessel sank. Readwulf hasste dieses Geräusch, das ihm wie auf einer Tafel kratzende Fingernägel durch den Rücken fuhr. Jetzt war es totenstill im Raum, nur das verglimmende Holz im Kamin knisterte. Einige Augenblicke verharrte Read reglos hinter seinem Opfer. Seine Augen leuchteten in der Dunkelheit. Die Anspannung fiel nur allmählich von ihm ab und auch das goldbraune Feuer um seine Iris wurde zögernd schwächer. Als es erlosch, verschwand er ebenso lautlos und unbemerkt, wie er gekommen war.
Regen prasselte auf Londons Straßen und ein kalter Wind rüttelte an den Dächern der Häuser.
Unter anderen Umständen hätte Readwulf in wenigen Sekunden an seinem Wagen sein können, der in einer dunklen, verlassenen Seitenstraße parkte. Dennoch passte er sein Tempo vorsichtshalber dem normaler Menschen an. So blieb es nicht aus, dass er bis auf die Knochen durchnässt wurde. Der immer heftiger werdende Wolkenbruch kam Readwulf vor, als wolle er hinter ihm alle Spuren verwischen und ihn von seiner Tat reinwaschen. Aber das wäre wohl selbst einer Sintflut nicht gelungen. Zahlreiche Leben hatte er in den letzten Jahren ausgelöscht. Wie viele genau, konnte er nicht sagen und gewiss würden seinem heutigen Opfer noch Dutzende folgen.
Der schrille Ton, der die Entriegelung der Autotür begleitete, riss Readwulf aus seinen Gedanken. Er schüttelte die durchnässten Haare, bevor er in den silbernen Jaguar einstieg. Dann zog er das Handy aus der Tasche und ließ seinen Daumen eilig über die Tastatur gleiten:
Balkeney hat abgesagt. Ich melde mich später wieder.
Die Nachricht verschickte er an den einzigen Mann, der mit dieser Mitteilung etwas anfangen konnte: Bruder Darius Fairfax. Der Geistliche war nicht nur sein Auftraggeber, sondern auch sein Ziehvater und damit der einzige Vater, den er kannte. Ihm verdankte er seinen Namen und sein Leben. Darius hatte ihn auf den Stufen des Klosters entdeckt und sich des Säuglings angenommen.
Readwulf legte den Kopf in den Nacken und schloss für ein paar Minuten die Augen, als er zu seinem Erstaunen bereits eine Antwort bekam. Gewöhnlich vergingen einige Tage bis Fairfax sich auf seine Nachrichten hin meldete. Er nahm das Telefon, blickte verwundert auf das Display und las:
Bleib ein paar Tage bei deiner Cousine, sie hat nach dir gefragt.
Was sich für Außenstehende auf den ersten Blick wie eine gewöhnliche Familienangelegenheit angehört hätte, versetzte Readwulfs Körper einen starken Adrenalinstoß. Schließlich wusste er, dass es sich hier um alles andere als den Besuchswunsch einer Verwandten handelte.
Ein neuer Auftrag in London, da chte er und betrachtete im Rückspiegel sein ihm fremd gewordenes Gesicht, bevor er den Wagen langsam in Bewegung setzte.
Kurz nach Mitternacht betrat Readwulf die Lobby des London Hilton on Park Lane Hotel. Als der Concierge ihn bemerkte, erhob sich der Mann von seinem Stuhl, hielt einen Umschlag hoch und rief: »Mr. Fairfax, es wurde soeben etwas für sie hinterlassen.«
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