tun. Nun hatte der König aber einen Waffenträger am
Hofe, der war dem Schneider hold, und hatte des Kö-
nigs untreue Rede gehört, verfügte sich daher eilend
zu dem jungen König und eröffnete ihm das schwere
Urteil, das über ihn so eben jetzt ergangen und gefällt
war, und bat ihn, er möge seines Leibes sich nach besten
Kräften wehren. Dem sagte der Schneider-König
ob seines Warnens großen Dank, und er wisse wohl,
was in dieser Sache zu tun sei. Wie nun die Nacht gekommen
war, begab sich zu gewohnter Zeit der junge
König mit seiner Gemahlin zur Ruhe und tat bald, als
ob er schliefe. Da stand die Frau heimlich auf und öffnete
die Tür, worauf sie sich wieder ganz still niederlegte.
Nach einer Weile begann der junge König wie
im Schlafe zu reden, aber mit heller Stimme, daß die
draußen vor der Kammer es wohl hören konnten:
»Knecht, mache mir die Hosen – bletze mir – das
Wams, oder ich will dir das Ellenmaß über die Ohren
schlagen. Ich – hab sieben auf einen Streich – tot geschlagen
– zwei Riesen hab ich – tot geschlagen – das
Einhorn hab ich gefangen – die Wildsau hab ich auch
gefangen – sollt ich die fürchten – die draußen vor der
Kammer stehen?«
Als die vor der Kammer solche Worte vernahmen,
so flohen sie nicht anders, als jagten sie tausend Teufel,
und keiner wollte der sein, der sich an den Schneider
wagte. Und so war und blieb das tapfere Schneiderlein
ein König all sein Lebetag und bis an sein
Ende.
Das Märchen von den sieben Schwaben
Es waren einmal sieben Schwaben, die wollten große
Helden sein und auf Abenteuer wandern durch die
ganze Welt. Damit sie aber ein gut Gewaffen hätten,
zogen sie zunächst in die weltberühmte Stadt Augsburg
und gingen sogleich zu dem geschicktesten Meister
allda, um sich mit Wehr und Waffen zu versehen.
Denn sie hatten nichts Geringeres im Sinne, als das
gewaltige Ungetüm zu erlegen, das zur selben Zeit in
der Gegend des Bodensees gar übel hausete. Der Meister
staunte schier, als er die sieben sah, öffnete aber
flugs seine Waffenkammer, die für die wackeren Gesellen
eine treffliche Auswahl bot. »Bygott!« rief der
Allgäuer, »send des au Spieß? So oaner wär mer grad
reacht zume Zahnstihrer. For mi ischt e Spieß von
siebe Mannslengen noh net lang gnueg.« – Drob
schaute ihn der Meister wiederum an mit einem Blick,
der den Allgäuer beinahe verdroß. Denn dieser lugte
zurück mit grimmigen Augen, und bei einem Haar
hätt's etwas gegeben, wenn der Blitzschwab nicht just
zur rechten Zeit sich ins Mittel gelegt. »Hotz Blitz!«
rief er, »du hoscht Reacht und i merk doin Maining:
Wie älle siebe for oin, so for älle siebe noh oin
Spieß.« Dem Allgäuer war dies nicht ganz klar, aber
weil's den andern just eben recht, so sagte er: »Joh.«
Und der Meister fertigte in weniger als einer Stunde
den Spieß, der sieben Mannslängen maß. – Ehe sie
aber die Werkstatt verließen, kaufte sich jeder noch
etwas Apartes, der Knöpflesschwab einen Bratspieß,
der Allgäuer einen Sturmhut mit einer Feder drauf,
der Gelbfüßler aber Sporen für seine Stiefel, indem er
bemerkte: solche seien nicht nur gut zum Reiten, sondern
auch zum Hintenausschlagen. Als der Seehaas
sich endlich einen Harnisch gewählt, pflichtete ihm
der Spiegelschwab in solcher Vorsicht vollkommen
bei, meinte aber, es sei besser, den Harnisch hinten
als vorn anzulegen. Und kaufte sich ein altes Barbierbecken
aus der Rumpelkammer des Meisters, groß
genug, um seine untere Kehrseite zu bedecken.
»Merk's: han i Curasche und gang i voran, noh brauch
i koan Harnisch, goht's aber hintersche und fällt mer
d'Curasche anderswohnah, noh ischt der Harnisch an
seinn reachte Blatz.«
Und nachdem die sieben Schwaben wie ehrliche
Leute alles richtig bis auf Heller und Pfennig bezahlt,
auch als gute Christen bei St. Ulrich eine Messe gehört
und zuletzt noch beim Metzger am Göppinger
Tore gute Augsburger Würste eingekauft hatten, so
zogen sie zum Tor hinaus ihres Weges weiter. Den
Spieß aber hielten sie alle sieben und gingen in einer
Reihe hinter einander, daß sie schier aussahen, wie
angespießte Lerchen. Voran ging der Herr Schulz, der
Allgäuer, als der mannlichste unter ihnen, dann kam
der Jockele, genannt der Seehaas, hierauf der Marle,
genannt der Nestelschwab, dem folgte der Jerkle, war
der Blitzschwab geheißen, hernach ging der Michel,
Spiegelschwab zubenamset, dann kam der Hans,
Knöpflesschwab, und zuletzt kam Veitle, das war der
Gelbfüßler. Der Herr Schulz wurde der Allgäuer geheißen,
weil er aus Allgau gebürtig war; der Seehaas
hatte am Bodensee gesessen; der Nestelschwab führte
darum seinen Namen, weil er statt der Knöpfe Nesteln
hatte, er mußte aber bei den Hosen fast immer mit der
Hand nachhelfen und halten, dieweil die Nesteln oftmalen
abgerissen waren. Der Blitzschwab hieß also,
weil er sich die Redensart: »Hotz Blitz!« angewöhnt
hatte. Der Spiegelschwab hatte die Gewohnheit, seine
Nase allezeit an dem Vorderteil seiner Jacke abzuputzen,
die davon einen gewissen Spiegelglanz annahm;
das schaffte jenem den saubern Namen. Knöpflesschwab
war ein Mann, der verstand gute Knöpfle oder
Spätzle zu kochen, das ist im baierischen Deutsch
Knötel, und im sächsischen Deutsch Klöße. Der
Gelbfüßler endlich war aus der Bopfinger Landschaft,
deren Einwohner die Umwohner Gehlfießler schimpfen.
Darum, daß sie einstmals einen Wagen voll Eier,
den sie ihrem Herzog als Abgabe bringen müssen,
recht voll stampfen wollen, und die Eier mit den
Füßen festgetreten, davon denn die Eier etwas weni-
ges zerbrochen, und die Füße der Bopfinger gegilbt
hätten.
Zogen nun die Sieben allesamt gutes Mutes mit
ihrem Spieß dahin, kamen eines Heumondtages in der
späten Dämmerung über eine grüne Wiese, da hob
sich eine Horniß nicht weit von ihnen mit feindlichem
Gebrummel hinter einer Dornhecke hervor, und flog
vorüber. Darob erschrak der Schulz, Allgäuer, mächtiglich,
und begann Angstschweiß zu schwitzen, und
schrie seinen Kriegsgesellen zu: »Horchet! der Feind
drommelt schoh!« Da schmeckte der Jockele, der
dicht hinter dem Schulzen ging, einen übeln Geruch
und rief: »Wohl! wohl! 's ist ebbes in der Näche! I
schmeck schaun 's Pulver!« Da nahm der Herr Schulz
Reißaus, ließ den Spieß fahren und sprang über einen
Zaun, kam aber gerade auf die Zinken eines Rechens
zu springen, und da fuhr ihm der Stiel ins Gesicht und
gab ihm einen ungewaschnen Schlag. Der Schulz vermeinte,
der Feind haue auf ihn ein, und schrie: »Gieb
Bardohn! i ergeb me.« Die andern sechs waren nachgesprungen
über den Zaun, und da sie ihren Anführer
also schreien hörten, so schrien sie alle: »Ergibscht du
de, noh ergeb i me au! Ergibscht du de, noh ergeb i
me au!« Aber es war niemand vorhanden, der die sieben
Schwaben gefangen nehmen wollte; und da sie
das merkten, schämten sie sich ihrer wenigen Herzhaftigkeit
und verschwuren sich, diese ihre erste Hel-
dentat nicht weiter zu erzählen.
Weiter so kamen die sieben Schwaben auf ihrem
Zuge in einen Hohlweg, und wie sie so tapfer darauf
losmarschierten, merkten sie nicht, daß ein großmächtiger
Bär im Wege lag, bis der Allgäuer fast mit der
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