Cory d'Or
Korridorium – letzte Erkenntnisse
Erzählungen, Storys, Miniaturen
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Inhaltsverzeichnis
Titel Cory d'Or Korridorium – letzte Erkenntnisse Erzählungen, Storys, Miniaturen Dieses ebook wurde erstellt bei
Vorwort Vorwort ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
2/398 2/398 12.11.11 Ich betrete den Korridor der schwindenden Sinne. Er wird nach hinten hin immer enger und dunkler, doch je weiter ich vordringe, desto farbenfroher und heller werden die Bilder an Wänden, Boden und Decke, und desto deutlicher werden die Klänge, die mäandernd durch den Raum schweben und manchmal auf mein drittes Ohr treffen. »Eure Majestät, darf ich versuchen, Nemo hierher zu bringen? Ich habe da eine äußerst brillante Idee.« Fasziniert und staunend betrachte ich die Imaginationen und Manifestationen meines Geistes, lausche der inneren Musique concrete meiner Seele. Leider kann ich, trotz jahrelangen Trainings, nur eine kurze Zeitlang einen Rest Bewusstsein dafür bewahren, und wenig später (und viel zu schnell, immer viel zu schnell) nimmt mich Hypnos in seine Arme, umfängt mich der Schlaf.
22/398 22/398 2.12.11 »Ich betrete den Korridor wie alle anderen auch«, sagte der Meister zu seinem Besucher, als der gefragt hatte, wie er seinen Weg durchs Leben finden könne. »Dann seid Ihr ein Sucher wie ich?«, fragte der Besucher weiter. Doch der Meister schüttelte den Kopf: »Der Weg verzweigt sich, viele Gänge stehen zur Auswahl, lange, kurze, gerade, abknickende, über Treppen hinauf und hinunter führende – und die meisten enden als Sackgasse.« »Das ist es ja gerade«, klagte der Besucher. »In diesem Labyrinth finde ich meinen Weg nicht.« Wieder schüttelte der Meister den Kopf: »Labyrinth? Das wäre ein langer gewundener Gang, der in vielen Schlaufen, aber ohne Abzweigungen ins Zentrum führt. Du dagegen sprichst von einem Irrgarten.« Der Besucher zögerte. »Und wie finde ich nun meinen Weg durch den Irrgarten?« Ein drittes Mal schüttelte der Meister den Kopf und wiederholte: »Ich betrete den Korridor wie alle anderen auch.« Dann lächelte er. »Doch unter meinen Schritten verwandelt sich der Irrgarten in ein Labyrinth.«
26/398 26/398 6.12.11 Ich betrete den Korridor. Hier herrscht ein lustiges Treiben. Eine Frau in bunten, weiten Gewändern begrüßt mich lächelnd und mit einem Kuss auf die Stirn. Sie führt mich zu ihren Freunden, die mit ein paar Kindern um ein Feuer herumsitzen, singen, tanzen und Marshmallows braten. Ich gefalle offenbar noch weiteren Frauen aus der Gruppe. Sie betasten mich, schmiegen sich an mich und binden mir Blumen ins Haar. Als ich weitergehen will, zieht mich eine von ihnen zu Boden und bietet mir ein glimmendes Röllchen Papier an. Die Türen des Korridors – sehe ich nun – haben sie mit Fantasiewelten bemalt, mit Mandalas und Blumengirlanden. Ich habe meinem Volk versprochen, nicht eher in meiner Suche innezuhalten, als ich das Tjurunga wiedererlangt habe, ohne das unser Schamane machtlos ist. Dennoch: Kann ich nicht kurz verweilen, mich von den Strapazen der Wanderung erholen? Vielleicht sollte ich die Sprache dieses Volks erlernen und bei ihnen in Erfahrung bringen, was mich am Ende des Korridors erwartet – und hinter den vielen Türen, die sie seit Jahren, vielleicht Jahrzehnten nicht mehr und womöglich nie geöffnet haben. Die fröhliche Stimmung dieser Menschen steckt mich an. Ja, ich bleibe: Ich nicke den Frauen zu und gebe ihnen zu verstehen, dass ich die freundliche Einladung annehme. Möglicherweise finde ich das Tjurunga ja hier bei ihnen. Mir wird ein wenig schwindlig von all den neuen Eindrücken. Der schwelende Papierstengel ist heruntergebrannt, und irgendwie weiß ich, dass der Rauch nie mehr bitter schmecken wird.
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Bonuskorridor
Nachwort
Impressum neobooks
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Ich betrete den Korridor …
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»Ich betrete den Korridor …« Dieser unscheinbare Satz war am elften November 2011 der Startschuss für das in vielerlei Hinsicht außergewöhnliche literarische Blog Korridorium.de .
Von diesem Tag an veröffentlichte Cory d’Or Tag für Tag weitere Beiträge: Storys, Fabeln, Offenbarungen, Einwürfe, Glossen und miteinander verwobene Fortsetzungsgeschichten – alle mit dem gleichen Anfangssatz und begleitet von einem Soundtrack passender Länge, komponiert und produziert von Tychonian Soundworks.
Zum angekündigten Ende des Projekts am zwölften Dezember 2012 waren es insgesamt 398 Blogeinträge, darunter auch so ausgefallene wie ein QR-Code, eine Infografik und ein Filmnachspann.
Was anfangs wie eine wilde und genreübergreifende Mischung von Prosa-Miniaturen und Kurzgeschichten wirkt, entfaltet sich Tag für Tag, Kapitel für Kapitel, zu einem Kaleidoskop aus Themen, Figuren, Orten, popkulturellen und historischen Verweisen, Selbstbezüglichkeiten und Erzählperspektiven, dessen einzelne Facetten mit der Zeit verborgene Querverbindungen offenbaren und sich zu einer großen, »pluridimensionalen« Geschichte entfalten – durchsuchbar mit Hilfe einer Reihe von Kategorien und Keywords (wobei Tags wie »Nous« und »K.« in den eingebauten FAQs des Blogs näher erläutert wurden).
Einige der Ich-Erzähler und Ich-Erzählerinnen im Korridorium stellen sich den großen Fragen und suchen nach Erkenntnis und Sinn, versuchen, sich aus der sumpfigen Beliebigkeit der Postmoderne am eigenen Schopf herauszuziehen – was nicht immer gelingt. Aber lesen Sie selbst!
Dieses E-Book präsentiert Ihnen – in einer handverlesenen Auswahl aus den 398 Kapiteln des Blogromans – die in das Korridorium eingebetteten Weisheitsgeschichten und Erkenntnissplitter in chronologischer Reihenfolge: Fortsetzungsgeschichten und in sich geschlossene Kurzprosa.
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