Ich bekam später erklärt, das alles wäre ein Privileg gewesen. Nichts weniger als ein verdammtes Privileg - an der Zukunft mit zimmern zu dürfen, aber ich hätte nichts Besseres mit dieser Vorzugsbehandlung anzufangen gewusst, als alles demonstrativ in den Sand zu setzen. Und in den Dreck zu ziehen.
Dabei hätten sie immer nur mein Bestes gewollt - aber genau das wollte ich ihnen ja nicht überlassen. Was auch nur wieder mit der Kindheit zusammenhängt. Ich wusste genau, woher ich kam, als ich damals Miss Bildung über den Weg lief. Und ich wusste genauso gut‚ wo ich hinwollte. Nur Menschen wie die 68er Nazikinder können sich so etwas überhaupt nicht vorstellen - sie wollten nicht sein, was sie sein sollten, und was sie sein wollten, konnten sie nicht sein. Mit ihrem phänomenalen Identitätsproblem mussten sie einfach schizophren werden.
Therapieren ließen sie sich schließlich auch nicht, und wenn doch einmal jemand, dann viel zu spät. Außerdem gab es für sie in den 50er und 60er Jahren, als eine Therapie noch geholfen hätte, viel zu wenig entsprechend ausgebildete Ärzte - die Väter der Nazikinder hatten sie doch alle aus dem Land gejagt. Damit sorgten sie für eine gespenstische Kontinuität. Für die Weiterführung extremer Verhältnisse braucht man immerhin Menschen, denen die innere Mitte fehlt. Entwurzelte Existenzen. Selbstentfremdete Identitäten. Eben jede Menge perfekte Strichmännchen. Auf der Suche nach sich selber machen sie den größten Blödsinn mit. Je älter sie sind, umso schlimmer benehmen sie sich, weil sie schon so lange chronisch gestört leben. Liebe spielt natürlich auch eine Rolle. Nehmen Sie irgendwelche Extremisten oder Fanatiker, die von irgendetwas besessen sind. Sie müssen gar nicht immer Schaum vorm Mund haben, wie Hitler, oder bis in die Knochen korrumpiert sein von Zynismus, wie Stalin. Es reicht schon völlig aus, wenn solche Leute eben die Welt retten wollen und alles. Was sie so krank im Kopf macht, ist unter anderem ganz einfach die fehlende Liebe. Eltern wie die der Nazitöchter, die einem Psychopathen und seiner Gewaltherrschaft dienten, konnten ihre Kinder natürlich nicht wirklich lieben. Sie gingen zwar her und behaupteten das Gegenteil, aber diese Verdrehung führte natürlich leider nur dazu, dass ihnen Ersatz, also Pseudoglücksgefühle, als „Liebe“ verkauft wurden - nur leider keine RICHTIGE Liebe. Mit diesem großartig qualifizierten Personal ließen und lassen sich methodisch alle möglichen Begriffe und ihre Bedeutungen verdrehen - einfach so lange, bis alles auf dem Kopf steht. Ich meine, wirklich ALLES UND ALLE!! Ganz wesentliche Dinge, die elementarsten wie Recht und Unrecht, Sinn und Unsinn, Vernunft und Unvernunft. Der Feuerwehrhauptmann Beatty lässt seine Headhunter in der ganzen Welt herumlaufen‚ um diese verdrehte Bande für seine Zwecke arbeiten zu lassen. Und in Deutschland und Japan finden sich natürlich besonders viele. Demnächst schickt er seine Headhunter auch noch nach China, denn in den asiatischen Massengesellschaften gilt ein Individuum schließlich aus Tradition nichts. In Deutschland standen sie noch nie besonders hoch im Kurs, und daran hat sich im Prinzip auch nichts geändert. Es überschlagen sich zwar alle und täuschen vor, als würden sie für Minderheiten alles tun, aber das läuft auch nur auf einen großen Schwindel hinaus, weil diese Minderheiten nur akzeptiert werden, wenn sie organisiert auftreten und ganz klar das Ziel verfolgen, irgendwann die Mehrheit zu stellen. Natürlich bekommen die Zombies mit psychosozialem Aids die größte Protektion. Die Zombiefraktion war zuerst gar nicht besonders groß, aber dann bestrahlte sie die orangefarbene Sonne, und in kürzester Zeit waren dermaßen viele Zombies los, dass sie jedem, der noch nicht mit dem Kopf unterm Arm herumläuft, den Hintern an die Wand nageln können.
Offiziell ist es zwar noch verboten - ich meine, der lustige Paragraph 1 der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland behauptet nach wie vor, die Würde des Menschen sei unantastbar und alles, aber in der Praxis ist man bereits um einiges weiter. Weiter fortgeschritten. Vor allem seitdem die Zombiefraktion in der Politik mitmischt und aus den verschiedenen Regierungsbeteiligungen heraus alles umgestaltet - so wie ein Haus von innen umgebaut wird, ohne dass sich an der Fassade etwas ändert. ENTKERNEN, nennt man das.
Was Miss Bildung und Miss Handlung in ihrer Rechnung schlie
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lich bezeichnenderweise auch v
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llig verga
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en, ist der Opfer-T
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ter-Faktor. Ich meine, bevor jemand zum T
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ter werden kann - an den eigenen Kindern zum Beispiel, oder eben an mir -
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muss man erst einmal Opfer gewesen sein. So wie die Nazit
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chter Opfer ihrer Eltern waren, besonders ihrer V
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ter. Sie waren damit also ganz gro
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r die Ordnung qualifiziert, in der sie alle seit so-und-so langer Zeit dahinvegetierten - ihre Familientradition und alles -
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aber ich passte nicht zuletzt schon deshalb nicht in ihr ganzes System, weil ich fr
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her niemandes Opfer gewesen war. Im Gegenteil, alle m
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glichen Menschen, mit denen ich zu tun hatte, bevor ich nach Spezialdemokratien kam, hatten alles unternommen, um mich zu f
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rdern und st
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rker werden zu lassen. Prof senior, meine einzige Freundin, alle m
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glichen Lehrer (abgesehen von den Strichm
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nnchen in dieser staatlichen Schule) - niemand versuchte, mich
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ter nannte. Wo Leute wie die beiden Nazit
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chter herkommen, werden traditionell alle Kinder in die Zwangsjacke gesteckt, damit die psychischen und sozialen Deformationen mit jeder Generation ein St
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nnen sicher sein, zu einer bestimmten Zeit systematisch fertiggemacht zu werden. Noch eine perfekte Maschine: die Opfer-T
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ter-Maschine.
Wenn man von Spezialdemokratien nicht mehr mitbekommt als das, was in Rheinstadt 1, also der Landeshauptstadt‚ vorgeht, kommt man zuerst gar nicht dahinter, dass man sich nicht irgendwo in der Welt aufhält, sondern eben in einer Art Versuchsstation. Ihre Bewohner halten sich eben für das strahlendste Juwel in der Krone der gesamten Menschheit, nichts weniger. Wer diesem Anspruch nicht gerecht wird, kann einpacken. Nur dass man nicht gleich wieder rausgeworfen wird, vielmehr darf man zuerst bleiben, um sich missionieren zu lassen. Und im Idealfall mutieren die Missionierten eines Tages eben auch zu Missionaren - alles wie beim Täter-Opfer-Prinzip.
Ich hatte schließlich auch das Vergnügen. Natürlich wird automatisch vorausgesetzt, dass jeder auf der Stelle hin und weg ist, wenn man jemanden in den Club der Missionare aufnehmen will. Immerhin handelt es sich um eine großartige Ehre und alles - man kann sozusagen in den Olymp aufsteigen und darf den Göttern und Halbgöttern der Partei dienen. Sie genießen das wie neureiche Lottokönige - es ist immerhin die Verwirklichung all der Träume die sie hatten, während sie noch nicht in der Partei waren. Man darf jeden verdammten Tag vor den Göttern und Halbgöttern auf den Knien herum rutschen und soll außerdem dabei assistieren, dass unten im Wahlvolk (auch „Stimmvieh“ genannt) alle Ideen und Pläne verwirklicht werden, die der Olymp ausbrütet.
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