Am nächsten Morgen, holte Melchiors Mutter die neue Hilfe für den Dürrwieser Unterhof ab. Lisbeth sah, wie die zwei auf dem Wagen der Trutmanns davon fuhren. Als hätte sie es gespürt, drehte sich Eva um. Zaghaft winkte sie der Freundin zum Abschied. Es lag wie ein Schatten auf ihrem Herzen, dass sie sich Lisbeth nicht hatte anvertrauen können. Sie musste hier weg, bevor Gabriel sie im ganzen Dorf unmöglich machte. Lisbeth hob kurz die Hand. „Seit Tagen geht Eva mir aus dem Weg“, murmelte sie. „Den Gabriel schaut sie nicht mehr an. Hast am Ende du etwas mit ihm gehabt?“, fragte die neugierige Maria Kobs, die sich unbe-merkt herangepirscht hatte. „Ich weiß nichts, Maria. Bist wohl verrückt geworden. Meinen Melchior würde ich nie betrügen!“, empörte sich Lisbeth. „Hör nicht auf das Geschwätz der alten Tratsche“, unterbrach eine Stimme das Gespräch der Frauen. „Melchior!“, freute sich Lisbeth. Sie fiel ihrem Verlobten um den Hals. Maria Kobs trollte sich, und lief hinauf in ihre Burgküche. Sie würde herausfinden, was da passiert war.
„Was macht die Eva bei deiner Mutter?“, fragte Lisbeth, als Maria Kobs außer Hörweite war. Der Forstgehilfe zögerte. „Sie soll die Anna Trutmann unterstützen, wegen der schwierigen Schwangerschaft.“
„Reicht die Dorothee als Magd nimmer aus?“, fragte Lisbeth misstrauisch. „Das hat der Valtin vom Niederhof mit dem Trutmann so vereinbart. Außerdem, meine Mutter ist auch nicht mehr die Jüngste“, redete sich dieser um Kopf und Kragen. „Da hätte ich mich kümmern können. Wenn wir heiraten erst recht. Glaubst du ich will ewig dem Gänschen von Grumbach zu Diensten sein?“ Verstohlen beobachtete Lisbeth Melchiors Reaktion. „Beruhige dich.“ Der Forst-gehilfe schüttelte seine blonden Locken. „Gar nicht. Du verheimlichst mir was, du und die Eva. Bist du der Grund, weil sie den Gabriel so gedemütigt hat?“, erzürnte sich Lisbeth. „Jetzt reicht es! Du vertraust mir wohl weniger, als dem, was die Weiber am Brunnen tratschen? Die Eva soll es dir selbst berichten.“ Ein Sturm braute sich in Melchiors Innerem zusammen. Auch Lisbeth war wütend. „Du, du weißt also was los ist? Seit Tagen versuche ich mit Eva zu reden, aber dir vertraut sie es an? Es muss etwas Seltsames sein, was sie ihrer besten Freundin nicht anvertraut, aber deren Verlobten!“
„Ich hab versprochen, dass ich nichts sage. Bitte lass mich. Ich muss zurück an die Arbeit.“ Melchior wollte Lisbeth einen Abschiedskuss auf die Wange geben, aber sie drehte sich weg und lief, ohne ein weiteres Wort, davon. Was, wenn der Melchior nicht mehr auf sie warten wollte, und die Eva sich heimlich an ihn heran gemacht hatte? Warum sonst, sollte sie ihr aus dem Weg gehen? Lisbeths Magen krampfte sich zusammen. Oh hoffentlich spielten nur ihre Gedanken verrückt. Eigentlich traute sie der Eva das nicht zu. Außerdem war Eva ewig lange in Gabriel verliebt gewesen. Vielleicht hatte der Knecht ihr etwas angetan? Es dauerte lange bis Lisbeth zur Ruhe kam.
Kurz nach Sonnenuntergang gab es eine Überraschung in der Burgmühle. Jakob der zweitälteste Sohn des Müllers war von Würzburg herüber gekommen. Er brachte Neuigkeiten aus der, vom Bauernheer, belagerten Stadt. Die ganze Familie lauschte gespannt seinen Ausführungen. Gerhusa Schefflein war stolz auf ihren Buben, der bei einem der Stadtmüller als Geselle in Brot und Arbeit stand. „Habt ihr gehört, dass die Bürger von Würzburg mit den Bauern paktieren wollen? Während ihr gefeiert habt, saß im Bruder-hof der Fürstbischof Konrad von Thüngen mit den Stadträten zusammen. Landtag haben sie gehalten und am Ende dem von Thüngen freies Geleit auf die Festung gewährt.“
„Seit der Riemenschneider Partei für die Bauern ergriffen hat, da geht’s dem Bischof an den Kragen“, warf Bezolt Schefflein dazwischen. Jakob nickte. „Ja, Vater, Zustimmung zu den zwölf Artikeln der Bauern, die Abschaffung der Zölle, die freie Wahl der Ratsherren und ein Stadtgericht aus den Reihen der Bürger haben sie gefordert.“ Ein Raunen ging durch das Grüppchen Menschen, welches sich in Gerhusas Küche versammelt hatte. In der Kochstelle prasselte und krachte das Feuer. Balthasar schüttelte den Kopf. „Das hat der von Thüngen niemals gewährt?“, fragte er seinen Bruder. „Natürlich nicht. Zornig ist er mit seinem Schreiber, dem Fries, hinauf zur Festung auf den Marienberg geritten. Die Weiberleut sagen die Räte hätten ihn nicht gehen lassen sollen.“
„Und was passiert jetzt?“ Lisbeth blickte ängstlich in die Runde, froh über die Ablenkung. „Morgen schicken sie ihm die letzte Aufforderung. Macht der Fürstbischof keine Zugeständnisse, wird`s gefährlich in der Stadt. Im Lager in Heidingsfeld dürsten die Bauern nach Taten. Es sollen gar mehr davon im Anmarsch sein. Man sagt, der edle Florian Geyer von Giebelstadt hätte sich endgültig der Sach verschrieben“, berichtete Jakob. „Oh Jakob, magst nicht lieber hier bleiben?“, flehte Gerhusa. „Mutter des geht nicht. Ab morgen früh bin ich auf der Feste Marienberg. Dort muss die Notmühle betrieben werden. Der Mainmüller schickt mich natürlich lieber, als seinen Sohn.“ Gerhusa Schefflein wurde bleich. „Folgen musst du, aber lass nicht unnütz dein Leben.“ Lisbeth hielt Jakobs Hand. Sie wollte ihren Bruder gar nicht los lassen. „Bei allen Heiligen es geht nur so. Ich komm lebendig wieder, versprochen. Der Herr Rotenhan muss die Festung selbst versorgen, wie soll er sonst die Belagerung aushalten. Er braucht dafür einen Müller. Ein heiß gelaufenes Rädchen und, schwuppdiwupp, hat er das schönste Feuer hinter seinen Mauern, wenn das Mehl sich entzündet, von einer Pulvermühle ganz zu schweigen.“
Die Frauen verabschiedeten sich von Jakob. Sie begaben sich zur Ruhe. Lisbeth grübelte lange über Melchior und Eva. Jetzt kam die Angst um ihren Bruder Jakob hinzu, die sie mehrmals aus dem Schlaf riss. Die Brüder Wolf, Balthasar und Jakob gingen ins Wirtshaus Zum Wilden Eber. Cunz Leuboldt freute sich über die seltenen Gäste. Seine Tochter Sophie eilte geschäftig an deren Tisch. „Der Jakob. Sag, bist du auf Besuch, oder hast du gar die Nase voll von der großen Stadt?“ Der junge Mann, mit den vor Lebenslust blitzenden, dunklen Augen, schmunzelte. „Ja die kleine Sophie. Du bist bald hübscher als die Weiber in Würzburg. Bringst du uns von eurem Bier?“ Sophie blickte verlegen drein. „Frisch gebraut ist`s. Schade, dass du nicht auf der Maifeier warst.“
„Hättest ein Liebesmaien wollen“, stichelte Jakob. Wolf grinste. „Den hat ihr der Christoph von der Dürrwiese besorgt.“
Cunz beendete die Frotzeleien und schickte seine Tochter ins Bett. „Da geht sie hin, deine Sophie“, flüsterte Wolf seinem Bruder ins Ohr und lachte. Cunz Leuboldt brachte das bestellte Bier. Er setzte sich zu den Müllerburschen. Die Knechte vom Niederhof gesellten sich dazu. Sie hörten neugierig die Ereignisse der letzten Tage. „Da bist du ja vorne mit dabei!“, stellte Gabriel Rücker fest, nachdem Jakob geendet hatte. „Es ist nimmer schön in Würzburg. Wimmeln tut es von Fremden, Halsabschneidern und Gaunern, die ein Geschäft aus all dem Durcheinander machen wollen. Man ist nachts nicht mehr sicher in den Straßen. Selbsternannte Prediger wiegeln die Menschen auf, versprechen das goldene Land, Reliquienhändler verkaufen teuren Schutz und alle wollen irgendwo dabei gewesen sein. Selbst im Dorf munkelt man, dass sich einige der Sach angeschlossen hätten. Niemand spricht offen darüber, aber manch einer verdächtigt Nachbarn und Freunde“, meldete sich Cunz Leuboldt zu Wort. Daraufhin entbrannte eine wilde Diskussion darüber, ob die Gerüchte wahr seien. Keiner wagte es einen bestimmten Namen zu nennen.
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