„Einen Hund?“, echote sie. „Ja, sie hatte Baro, den sie über alles liebte. Wieso fragen Sie? Wo ist er? Ist er hier? Haben sie ihn gefunden?“, fragte Katharina jetzt völlig durcheinander.
„Hatte Ihre Schwester den Hund am Tag ihres Todes bei sich?“
„Ja, natürlich. Jedenfalls gehe ich davon aus, auch wenn ich es nicht gesehen habe. Aber Samantha ging fast nie ohne ihn aus dem Haus. Er war ihr ein und alles. Wenn sie ihn irgendwo nicht mit hineinnehmen konnte, dann wartete Baro im Wagen.
Aber dabei war er fast immer.
Er ist ein so liebenswerter kleiner Kerl“, sagte Katharina zärtlich. „Er wird todunglücklich sein. Ich nehme ihn zu mir und sorge für ihn. Kann ich zu ihm?“
Die beiden Männer sahen sie an.
„Was ist? Warum antworten Sie nicht?“
„Das ist leider nicht möglich. Bisher haben wir nämlich nur die Hundeleine gefunden. Sie lag auf dem Boden hinter der Bank, auf der Ihre Schwester saß. Es tut mir sehr leid“, erwiderte Kommissar Heckert.
„Aber wo kann er sein? Er wäre niemals freiwillig von Samanthas Seite gewichen“, sagte Katharina betroffen.
„Vielleicht ist er ja in den Wald gelaufen, vor dem die Bank steht“, meinte Benno Schuster.
„Niemals!“
Katharina schüttelte entschieden den Kopf. „Baro wäre bei ihr geblieben, hätte sie mit Haut und Haaren gegen jeden Angriff verteidigt und beschützt.“
„Dann war es vielleicht so, dass der Hund in den Wald lief, weil er glaubte, von dort drohe Ihrer Schwester Gefahr, und Ihre Schwester lief ihm hinterher, um ihn zurückzuholen.“
„Ich begreife das alles irgendwie nicht“, sagte Katharina verwirrt. „Ich weiß ja noch nicht einmal, woran meine Schwester gestorben ist. Darüber haben Sie mir überhaupt noch nichts gesagt. Wieso eigentlich nicht?“
„Weil es sich für Sie furchtbar anhören wird“, warnte Heckert.
„Wie starb sie? Ich will es wissen.“
„Sie starb durch Genickbruch.“
Katharina starrte ihn an. „Sie ist gefallen? Verunglückt? Aber wieso …?“
„Es war keineswegs ein Unglück, Frau Berger“, stellte Kommissar Heckert richtig. „Ihrer Schwester wurde durch Fremdeinwirkung das Genick gebrochen.
Sie wurde ermordet!“
„Auf dieser Bank?
Aber wer sollte so etwas tun? Und warum?
Samantha erzählte mir, dass dorthin kaum jemand käme. Ihr sei in den Tagen, an denen sie mit Frank dort gewesen sei, nie jemand begegnet.
Und Sie sagten, sie hätte dort tot auf dieser Bank gesessen. Aber wer konnte denn überhaupt wissen, dass sie diesen Ort aufsuchen würde?“
„Vielleicht ihr Freund?“
„Frank Köster, meinen Sie? Nein, der bestimmt nicht. Der hat sich doch davon gemacht. Er hat Samantha in Stich gelassen, hat sie kalt lächelnd wie einen gebrauchten Gegenstand abserviert.
Er stecke in großen Schwierigkeiten und müsse sich ins Ausland absetzen, hat er zu ihr gesagt. Und dann ist er auf Nimmerwiedersehen verschwunden.
Samantha war zutiefst verletzt. Eben noch hatte sie an ein Glück zu zweit geglaubt und dann dieser abrupte, herzlose Bruch.
Ich glaube, sie fuhr nur zu diesem Platz, um mit sich ins Reine zu kommen. Dass es sie das Leben kosten würde, konnte sie ja nicht ahnen“, sagte Katharina leise.
„Wir finden die Wahrheit heraus, Frau Berger“, versprach Heckert.
Katharina nickte und stand auf. Sie verabschiedete sich von den beiden Kommissaren und verließ mit hängenden Schultern das Zimmer.
„Ich glaube nicht, dass sie mit dem Mord etwas zu tun hat“, sagte Kommissar Heckert, als die beiden Männer wieder alleine waren.
„Ich auch nicht“, erwiderte Benno Schuster. „Jemandem das Genick zu brechen, erfordert Kraft und Geschick. Eine so zierliche Person wie Katharina Berger wäre meiner Meinung nach für eine solche Tat nicht annähernd stark genug.“
„Allerdings könnte sie jemanden beauftragt haben“, gab Kommissar Heckert zu bedenken.
„Ja, da haben Sie allerdings recht“, erwiderte Benno.
„Haben Sie das Bild in der Zeitung gesehen?“, fragte der Mann in dem eleganten dunkelblauen Anzug erregt.
Sein Besucher, der lässig in einem der Ledersessel saß, nickte.
„Ich dachte, mich trifft der Schlag, als ich im Flugzeug das Foto in der Zeitung entdeckte. Sie haben sich nicht an unsere Abmachung gehalten. Und ich bin keineswegs gewillt, einen derartigen ungeheuerlichen Vertragsbruch so einfach hinzunehmen.“
„Sie ist tot, nur das ist wichtig“, sagte der Besucher gelassen.
„So, meinen Sie?“
„Ja, das meine ich. Sie sagten, sie könnte Ihnen gefährlich werden und Ihre Geschäfte stören, was auch immer das heißen mag. Ich habe mich an sie herangemacht, um das Problem zu lösen. Die Gefahr ist beseitigt. Was wollen Sie noch mehr?“, erwiderte der Besucher, der im Gegensatz zu seinem eleganten Gastgeber schwarze Jeans, schwarze Lederjacke und ein schwarzes T-Shirt darunter trug.
„Sie versprachen, dass man die Tote auf keinen Fall finden würde. Ich habe mich darauf verlassen. Und jetzt sehe ich ein Foto von ihr in der Zeitung und dazu den Aufruf, wer sie kennt, möge sich bitte umgehend bei der Mordkommission in Hamburg melden.
Wieso sollte mich das zufrieden stimmen?
Sie haben versagt, haben Ihren Auftrag nicht absprachegemäß ausgeführt.
Nein, Niklas, ich bin keineswegs mit Ihrer Arbeit zufrieden!“
„Was regt sie denn so sehr daran auf, dass die Leiche gefunden wurde?“, fragte der Schwarzgekleidete neugierig.
„Ich hasse es für eine Arbeit zu bezahlen, die nicht wunschgemäß erledigt wird. Immerhin bezahle ich Sie sehr gut. Außerdem halte ich zudem auch noch schützend meine Hand über Sie, soweit es mir möglich ist“, erwiderte sein Auftraggeber kalt.
„Also das mit der schützenden Hand, das sollten Sie nun aber wirklich nicht überbewerten, Herr Homberger. Ich habe bislang noch von niemandem Hilfe benötigt. Im Allgemeinen komme ich sehr gut allein zurecht. Und was die Bezahlung angeht, so zahlen Sie nicht mehr und nicht weniger als den üblichen Preis, den ich für einen derartigen Auftrag verlange“, stellte der Besucher richtig.
„Ist das so, Niklas? Dann war der Betrag wohl nicht hoch genug, um den Leichnam endgültig verschwinden zu lassen?“
„Darum geht es doch überhaupt nicht“, winkte dieser ab.
„Ach ja? Und um was geht es Ihrer Meinung nach?“, fragte Homberger eisig.
„Ich frage mich, wer mir in dieser Sache dazwischengefunkt hat. Wie kam die Tote auf diese Bank und warum? Schließlich habe ich sie nicht dorthin gebracht wie Sie sich ja wohl denken können.“
„Wie meinen Sie das? Wer soll Ihnen denn dazwischengefunkt haben?“
„Na, Sie sind gut. Da ich die Tote nicht an den Fundort gebracht habe, muss es ja wohl zwangsläufig ein anderer gewesen sein. Hingelaufen kann sie ja wohl kaum sein.
Die Frau wurde getötet, als sie ihrem Hund in den Wald hinterherlief. Danach habe ich die Leiche so versteckt, dass sie nicht so einfach gefunden werden konnte. Ich bin ja schließlich kein Anfänger und mache so etwas nicht zum ersten Mal.“
„Und doch saß sie dort auf der Bank. Das ist eine Tatsache, die Sie nicht bestreiten können.“
„Das habe ich auch nicht vor. Ich habe mich an die Abmachung gehalten und den Auftrag ausgeführt. Sie ist tot oder etwa nicht?“
„Ja, aber ihr Tod sollte heimlich geschehen und kein Aufsehen erregen. Sie sollte einfach von der Bildfläche verschwinden und niemals gefunden werden. Diese Anforderung haben Sie jedoch keineswegs erfüllt. Sie brauchen sich ja nur die Überschriften in der Presse anzusehen:
DIE TOTE AUF DER BANK!
Was für eine Schlagzeile!
Ein gefundenes Fressen für diese Schreiberlinge. Und das alles auch noch in dicken Versalien und so groß wie möglich auf den Titelseiten! So habe ich mir das nun wirklich nicht vorgestellt.
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