1 ...7 8 9 11 12 13 ...36 Die kalte Nachtluft erfrischte Marianne, als sie kurz nach 22 Uhr das Gebäude verließ, die neue Mappe unterm Arm.
Der Stadtteil wirkte um diese Zeit wie ausgestorben. Eine alte Wohngegend mit überwiegend drei- bis vierstöckigen, unattraktiven Nachkriegsbauten.
Was ihr an Geschäften aufgefallen war, eine Änderungsschneiderei, eine Tabaktrafik, ein, modisch sicher fragwürdiger, Friseursaloon, das war´s.
Außer ihr standen sich nur zwei junge Kursteilnehmerinnen rauchend, ebenfalls wartend die Beine in den Bauch. Sonst war, abgesehen von einem alten Mann, der seinen lustlosen Dackel Gassi führte, keine Menschenseele zu sehen. Sie schaltete ihr Handy wieder auf laut und kontrollierte eventuelle Anrufe. Nichts.
>Hallo Horst, du ich bin schon bei der Bushaltestelle, der Kurs ist ok. Ich schreib dir ein Mail, wenn ich daheim bin. Ich liebe dich, Bussi - deine Maus. <
Sendete das SMS, steckte ihr Handy ein, suchte den Fahrschein heraus. Der Bus hielt gerade, direkt vor ihrer Nase…
Marianne hatte ihrer besten Freundin gebeichtet, wer das lebende Souvenir von Siena war.
Ihr auch erklärt, warum sie bisher dazu geschwiegen hatte. Nun, da sie sich ihrer Gefühle sicher war, oder wenigstens glaubte, sicher zu sein, musste es heraus. Anfangs erzählte sie stockend, dann immer fliesender. Zuletzt sprudelte es nur so aus ihr heraus. Eva sollte mitfühlen, welches Glück es für sie bedeutete, endlich einmal so geliebt und begehrt zu werden. Sie musste es in allen Einzelheiten mit Eva besprechen, ihre Eindrücke loswerden. Ab diesem Abendessen mit Ihrem Seniorchef, bis zum gestrigen, eigentlich unbeschreiblichen Nachmittag. Marianne war, trotz dieser angeblichen Unbeschreiblichkeit, eine wirklich sehr farbige Beschreibung gelungen, fand Eva…
Deren Arbeitstag begann erst um zehn Uhr. Los würde im Laden heute nicht viel sein. Es war um die Monatsmitte ja selten der große Run. Die Frühjahresmode bereits etwas ausgesucht. Die modebewussten Damen hatten längst gewählt. Was blieb war Laufkundschaft. Wenn sie also etwas später kam, in ihrer Position, auch ok.
Sie hatte die Gewohnheit, ihren PC selten abzuschalten. Lief auf stand by ganze Nächte durch. Die letzte war er ebenfalls auf Posten gestanden, ohne eine einzige, noch so kleine Aufgabe zu erhalten. Dafür setzte sich Eva jetzt davor, sah nachdenklich aus dem Fenster, auf die Stadt hinunter. Smog lag heute, dicht wie Watte über der City, der Preis dafür, wenn der Föhn nicht blies. Wahrscheinlich würde es heute zu regnen beginnen, aber erst später, nicht gleich. Der Radio hatte wenigstens solchen gemeldet. Eva schlürfte an ihrem Kräutermixtee, angelte sich mit der Zunge ein Stück, nicht aufgelöstem Kandiszucker aus der Tasse, lutschte das süße Etwas, ganz in Gedanken versunken…
Ach ja, darum saß sie vor dem Bildschirm. Gerade war es ihr wieder eingefallen. Google, ihr erweitertes Gehirn sollte ihr ein paar Fragen beantworten.
Sie gab Horsts Namen ein. Google war sparsam, nicht einmal eine Telefonnummer. Aber ein Foto gab es immerhin.
Sie versuchte erst einmal, sich diesen Mann in Natura vorzustellen. Analysierte seine Gesichtszüge. Er gefiel ihr nicht, soviel zum ersten Eindruck, der ja oft im Leben der entscheidende sein soll. Im Gegensatz zu Marianne, kannte sie sich mit Männer aus. Hatte eine lange Vergleichsliste.
Für diesen Typ hätte sie keinen Abend geopfert. Da hätte es überfeucht hergehen, sie sich in einer Notlage befunden haben müssen. Sonst mit Sicherheit, nein danke, kein Bedarf.
Über dieses Foto kam sie zu Horsts Brötchengeben – H. Hermann & Partner. Eva wählte die Homepage dieser Firma.
Exklusive Präsentation, das gab sie neidlos zu. Ihre Firma, obwohl international am Markt, konnte bei dieser Qualität nicht mithalten. H.Hermann & Partner schien eine Adresse für Qualitätsweine zu sein, die sicher zu den Besten im Lande zählte. Der Firmensitz lag in Oberösterreich, die Foto Show zeigte Weingärten und Verarbeitungstechniken, Gebäude, Verwaltungs- und Verkaufsräume, Lagerkapazitäten und -Mitarbeiter.
Chef war ein gewisser Dipl.-Kfm. Heinz Hermann, eine sympathische Erscheinung mit gewinnenden Lächeln, wenigstens auf dem Foto, Eva´s Kennerblick. Es folgten, regional von West nach Ost, die Betreuer im Außendienst. Als Zweiter grinste Mariannes Eroberung vom Bildschirm. Natürlich war nichts Persönliches über die Mitarbeiter zu erfahren, lediglich Reisegebiet, Telefonnummer, Mailadresse, fertig. Aber immerhin, Eva studierte erneut ausgiebig Horsts Gesicht.
Was gefiel ihr nicht, und was stieß sie überhaupt gleich ab?
In Gedanken stand sie bereits, mit Schild und Schwert bewaffnet vor Marianne, um sie vor einem imaginären Unglück zu beschützen. Stellte es ihr doch gerade die Nackenhaare auf.
Eva war aufgestanden, hatte ihr Kreuz durchgedrückt, für den bettelnden Benjamin ein Stück Trockenfutter aus der Dose, in der Küche geholt. Die Schale kandierter Früchte als verlängertes Frühstück, gleich mit ins Wohnzimmer gekommen. Das machte durchaus Sinn, denn durch Eva´s verstreutes Wohnen, wäre es zum Marathon ausgeartet, wegen jeder Dörrpflaume, einzeln in die Küche zu laufen. Benjamin dankte ihr die freundliche Zuwendung, indem er sich zwischen ihren Füßen niederlies, mit seinen Pfoten ihre Zehen massierte. Das Spiel ging immer solange gut, bis Eva das dauernde Gekitzel unangenehm wurde, sie ihren Kater liebevoll auf die Polsterlandschaft beförderte…
Sie sah sich die weiteren Kundenbetreuer an.
Plötzlich hellte sich ihr Gesicht auf und ihr entfuhr ein erstauntes - das gibt´s nicht, das kann doch nicht sein, der smarte Pater!
Den Titel hatte ihm Eva verliehen(nach Weinkost und mehr…). Sie fand, er passte einfach perfekt zu ihm, hatte ihn verdient.
Für den Raum Wien, innere Stadt, sicher eines der besten Verkaufsgebiete für hochpreisige Weine und Champagner, war ein sportlicher Fünfziger zuständig, gleichzeitig der stellvertretende Verkaufsleiter - Peter St.
Der smarte Peter, das darf doch nicht wahr sein, war wohl alles andere als ein Zufall. Sie hatte Peter vor etwa einem Jahre, auf einer Weinkost in der Messe kennen gelernt. War mit ihrer ganzen betrieblichen Damenrunde dort gelandet, gewissermaßen ein interner Betriebsausflug. Es herrschte Bombenstimmung, schlechte Luft, Riesenlärm und dichtestes Gedränge. Nur durch Aufteilung auf mehrere Tische, fanden die Damen, wenigstens einen schmalen Sitzplatz, (anfangs nicht ganz freiwillig…) auf Tuchfühlung, mit (noch)fremden Herren. Eva und Grete hatten stehend ein Glas Ödenburger Spätburgunder verkostet, als ein Bekannter von Grete, sie an seinen Tisch einlud. Selbst für die beiden schlanken Damen ging sich sitzen nur sehr beengt aus. Aber immer noch besser, als planlos herum zu stehen. Visasvis von ihr saß der Peter. Sie fanden sich auf Anhieb sympathisch, Peter zog alle Register, die ein erfolgreicher Verkäufer, auf Lager haben musste. Der breite Ring an der echten Hand, wies ihn gleich offiziell als verheiratet aus. Trotzdem hatte er sofort mit flirten losgelegt, dass sich die Balken nur so bogen, Er vergeudete keine einzige kostbare Minute, konzentrierte sich nur noch auf Eva. Sie hatte nichts dagegen gehabt, wollte ja nicht mehr, als einen unterhaltsamen Abend verleben, sich amüsieren. Als sie um drei Uhr morgens sein Hotelzimmer verließ, in der nahen Tiefgarage ihren Mini abholte, gab es für sie nichts zu bereuen. Bis auf die 13,60 Euro Parkspesen vielleicht…
Sie griff sich ihr Smartphone und wählte die Telefonnummer, die der Bildschirm ihr anbot. Als sie fertig eingegeben hatte, schien Peter St. auf. Sie hätte ihn ja immer noch gespeichert gehabt…da schau her, wieso den blos?
Er hob sofort ab, musste aber beim Namen Eva erst einmal kurz überlegen. Freute sich dann aber(glaubhaft) aufrichtig, sie zu hören. Nach einem kurzen Smalltalk, kam Eva zum Grund ihres Anrufes. Fragte Peter direkt nach diesem Horst. Ließ ihn auch gleich wissen, warum sie so starkes Interesse an allen Einzelheiten hatte. Wieviel ihr an diesen, seinen Informationen lag. Er verstand, dachte eine verlängerte Sekunde nach, erzählte dann so ziemlich alles, was er zum Thema Horst auf Lager hatte. Eva spürte schon bei seinen ersten Worten, dass Horst nicht gerade Peters bester Freund war. Keine sehr hohe Meinung von seinem Tiroler Kollegen hatte, weder dienstlich noch privat.
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