Der Whisky brannte in seiner Kehle, als er den Becher in einem Zug leerte.
Amaru Stand auf der Mauer des Vorhofes. Auf dem Turnierplatz wurden Zelte für die Moraner errichtet. Alles entwickelte sich nach Plan.
Der Zayao lächelte. Das Gespräch mit dem Königshaus war zufriedenstellend verlaufen. Niemand würde einen Verdacht gegen ihn hegen. Auch Luritri und Araneon liefen vollkommen ahnungslos in die vorbereitete Falle. Wenn sie erst in Leonsang eingetroffen waren, würde sich die Schlinge immer enger um sie herum zuziehen. Man würde äußerst zufrieden mit ihm sein.
Die Blauhaut befand sich bereits auf dem Weg zurück. Er sollte Verbündete treffen und ihnen die ungefähre Position der Flüchtlinge geben. Vielleicht ergaben sich vorab bereits erste Resultate. Er erwartete nicht, dass die Zayao starb. Araneon hingegen sollte von zwei Männern zu besiegen sein, wenn er allein war. Falls nicht, würden sich in der Burg weitere Gelegenheiten ergeben.
“Liebste”, flüsterte Coran ihr im Nachtlager zu, “ich habe immer an dich gedacht in diesem Wagen. Ich hatte erwartet, dich nie wiederzusehen und in diesem Pritschenwagen mein Leben auszuhauchen.”
“Ich bin hier”, flüsterte Toshira. “Ich muss dich schon bald wieder verlassen. Du musst die Leute führen.”
“Gerade habe ich dich wieder bei mir. Kannst du nicht bleiben?” Coran klang enttäuscht.
“Leider nicht.” Sie küsste ihn zärtlich. “Der Ruf meiner Mutter, Lunona, ist so stark, dass ich mich ihm nicht widersetzen kann. Es ist ein fast körperliches drängen.”
“Körperliches Drängen? Dazu fällt mir gerade etwas ein.” Sanft zog er sie in seine Arme.
Zwei Tage später waren alle Vorbereitungen getroffen. Wagen waren gebaut, Pferde eingefangen worden. Coran hatte auf Drängen Toshiras die Runen auf ihren Klingen dauerhaft in den Stahl geätzt. Da die Minen auch über eigene Schmieden verfügten, war dies kein Problem gewesen. Nur widerwillig hatte Coran sich an den meisterhaft gearbeiteten Schneiden zu schaffen gemacht. Er wusste, wie wichtig sie für Toshira waren. Er hatte die Runen zuerst auf ein weißes Stück Stoff übertragen. Anschließend bearbeitete er die Klingen der Entflohenen. So konnten sie sich gegen die Dæmonen verteidigen, sollte es zu Zusammenstößen kommen.
Es war soweit. Cheob war einen Tag zuvor aufgetaucht. Toshira hatte Coran den Ceonskontakt näher erklärt. Sechzig Meilen war Cheob entfernt gewesen. Eine Stunde später tauchte er an der Mine auf.
Toshira küsste Coran auf die Wange. “Immerhin haben wir die gesamten Ætherlarven im Lager vernichtet. Ich hoffe, es hat ausgereicht, um den Moranern genügend Zeit zu verschaffen. Mögen sie es nach Leonsang geschafft haben. Falls nicht...” Ihre Stimme versagte. Sie dachte an Chan.
“Wenn du Chan siehst, sag ihr, dass ich sie liebe. Dass ich sie nicht vergessen habe.”
“Das werde ich.” Coran zog sie in seine Arme. “Ich hoffe, dass wir drei uns wieder sehen. Ich werde unsere Abende zu dritt am Lagerfeuer sehr vermissen.”
Ein Strudel aus Luft-Æther öffnete sich. Lunona rief sie. Ein letztes Mal umarmte Toshira ihren Liebsten. Sie gab ihm einen langen Kuss. Widerstrebend löste sie sich von ihm.
“Wir werden uns wiedersehen.”
Der Schmied sah ihr in die Augen. “Ich liebe dich. Ich werde auf dich warten.”
Dann wandte er sich um und lief zu der wartenden Reisegruppe.
Coran sah noch einmal über die Schulter. Die Schwertmeisterin schwang sich auf ihren Reitgeparden. Der trabte ein paar Schritte vorwärts. Beide verblassten.
Coran setzte sich neben den Kutscher des ersten Wagens.
“Wir können.” Seine Stimme klang belegt.
Adriël preschte in seinem Ætherschlitten heran. In einer scharfen Kurve brachte er das Gefährt nach wenigen Schritten zum Stehen. Er sprang heraus. “Leonsang”, rief er. “Leonsang ist in Sicht.”
Luritri seufzte. Sie drückte den Rücken durch. “Das sind gute Nachrichten. Wie weit ist es noch?”
Der Späher zuckte mit den Schultern. “Vielleicht fünfzehn Meilen.”
Finola, die ehemalige Rätin, wandte sich zu Araneon um. “Was meint Ihr, wie lange werden wir dafür brauchen?”
“Ich schätze, einen halben Tag. Wir sollten am späten Vormittag eintreffen.”
Finola schürzte die Lippen. “Bei den Sieben. Dann sollten wir hoffen, Leonsang ohne weitere Zwischenfälle zu erreichen.”
Luritri schnurrte. “Bisher waren die Sieben mit uns. Besonders Pheran.” Sie wechselte einen Blick mit Chan.
“Ja”, antwortete diese lächelnd. “Besonders mein Vater.”
Adriël wurde vorausgeschickt. Er nahm ein paar Leute mit, die nicht gut zu Fuß waren. Er sollte in Leonsang Bescheid geben, damit die Stadt Vorbereitungen zur Aufnahme der Flüchtlinge treffen konnte. Auch die Entsendung einer bewaffneten Abordnung zum Geleit sollte Adriël erbitten.
Die Sonne stand bereits hoch über dem Horizont, als Araneon den Tross für eine Pause anhalten ließ. Es würde die letzte Rast sein. Dank der klaren Sicht zeichneten sich am Horizont bereits die Mauern Leonsangs ab. Der Himmel war im Laufe des Vormittags aufgeklart, nachdem der Tross eine Stunde lang durch Nieselregen gestapft war.
Immer häufiger trafen sie auf einzelne Gehöfte, deren Besitzer den Flüchtlingen etwas zu essen anboten. Meist war es nicht viel. Es stärkte zumindest die Moral.
Die wenigen Kinder der Flüchtlinge waren zu müde, um zu spielen. Ruhig kauerten sie sich auf ihren Plätzen zusammen und aßen. Finola hatte sie gezählt. Die Rätin hatte es während einer Beratung kurz erwähnt: Nicht mehr als vierunddreißig Kinder begleiteten die Flüchtlinge. Davon zwölf Jungen. Zu wenig.
Chan bat die Reiter der Raubkatzen, die Kinder nach der Rast aufsitzen zu lassen. Sie selbst hatte Navar bereits um Erlaubnis gebeten. Das gesamte Rudel der Katzen hatte sich bereit erklärt, die Kinder zu tragen.
Als das Signal zum Aufbruch ertönte - ein Brüllen von Luritris Säbelzahntiger - manifestierten sich zwei Gehörnte in etwa einhundert Schritt Entfernung zu Chan.
Sie schienen nicht minder überrascht zu sein, als Chan selbst, die mit Navar etwas abseits des Lagers in der Sonne gedöst hatte.
Der schwarze Leopard fauchte. Chan hatte sich von Vendira zwei Bolzen schnitzen lassen, ähnlich den Geschossen der Armbrüste. Sie waren etwas kürzer. Dafür breiter. Elfische Runen bildeten verschlungene Muster auf dem Holz.
Die beiden Gehörnten stürmten heran. Einer warf etwas in die Luft. Ein Æthervogel flog auf Chan und Navar zu und hinterließ eine dünne Spur braunen Dunstes. Der feine Nebel erschien Chan wesentlich blasser, als die wallenden Schlieren, die diese Kreaturen sonst verströmten.
Die Dæmonen hatten die Hälfte der Distanz überbrückt. Einer hielt einen Hornbogen. Er blieb stehen und legte auf Chan an. Sie hatte ihrerseits einen der beiden Bolzen auf ihre Handfläche gelegt.
Pheran, steh mir bei! Sie drückte mit ihrem Willen gegen den Bolzen. Das Geschoss flog mit hoher Geschwindigkeit auf den Bogenschützen zu und bohrte sich in dessen Brust. Er fiel rückwärts in das hohe Gras. Die zweite Lederfratze hatte einen Säbel gezückt und stürmte auf sie zu. Chan legte eilig den zweiten Bolzen in ihre Hand und drückte gegen das Holz. Sie verfehlte den Kopf des Angreifers um Haaresbreite. Ein Knurren. Navar warf sich auf den Gehörnten. Sein Körpergewicht brachte den Dæmon zu Fall. Der Panther wich einem schnellen Säbelhieb aus, indem er sich über den Rücken abrollte. Navar fauchte, hielt aber respektvoll Distanz zu der Klinge. Die Attacke ihres Gefährten hatte Chan Zeit verschafft. Sie hielt ihren Anderthalbhänder kampfbereit. Der Dæmon griff an. Chan bewegte sich leicht von der Angriffslinie weg und schwang ihre Waffe senkrecht in einem Hieb in Richtung Kopf. Im letzten Moment tauchte der Dæmon zur Seite. Er hieb mit seinem Säbel gegen das Schwert. Schmerz durchzuckte Chans Handgelenk. Ihre Zähne klapperten von der Wucht des Hiebes. Sie musste das Schwert loslassen. Die Lederfratze lächelte. “Wenn das nicht die zweite Hybride ist.” Sein Gesicht verzog sich. Er wirkte ärgerlich. Sah auf seinen Bauch hinab. Ein schwarzer Bolzen ragte heraus. Es sirrte. Ein zweiter Bolzen bohrte sich in seine Brust. Er war tot, bevor er am Boden aufschlug, ein drittes Geschoss in der Stirn.
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