Man sieht also, dass die Alchemie im Grunde in allen möglichen Dingen und Handwerken steckt, auch wenn man sie dort nicht sofort erwartet oder sucht. Natürlich geschahen sehr viele Entdeckungen aus reinem Zufall, sodass man hier nicht einfach sagen kann, dass der Alchemist XY dies oder jenes erfunden hat. Doch auch wenn es Zufallsfunde immer gegeben hat und auch immer geben wird, die Alchemie hat die verschiedenen naturwissenschaftlichen „Zufallsfunde“ kategorisiert, kanalisiert und dann auch reproduziert.
Ob es nun das berühmte Schießpulver war, das Porzellan, Metalllegierungen oder die Mineralkunde selbst, wodurch wieder neue Stoffe und chemische Verbindungen entdeckt wurden – sie alle haben alchemistische Fragmente in sich. Natürlich gab es dann irgendwann auch „den Alchemisten“ als Berufsstand, wobei sich meist hier die adligen bzw. gut situierten Menschen mit dieser Thematik befassten, da die Alchemie neben Zeit auch ein entsprechendes Laboratorium benötigt. Wenn man kein Geld hatte, dafür aber den passenden Verstand, der die jeweiligen alchemistischen Ideen „produzierte“, musste man sich einen Sponsor suchen.
Daher kann man erst einmal oberflächlich und lapidar sagen, dass sich die Alchemisten mit allem und alles befassten. Wenn man es etwas umgrenzen will, dann kann man die Bereiche der Mineralogie, der Metallurgie und letztlich auch der Geologie finden. Gleichzeitig aber auch einen großen Teil der Biologie, sodass es um Farbstoffe und andere Möglichkeiten der Einfärbung ging, was dann aber auch zu der allgemeinen Farbenlehre führte. Da sie aber nicht nur die Stoffe auf Farbe, Gewicht, Aussehen und oberflächlichen Eigenschaften untersuchten, sondern auch hier in die Tiefe gingen, muss man natürlich ganz klar die Chemie und die Physik mit benennen. Dass hierbei wieder und wieder die Idee der Transformation von „unedlen Metallen“ (egal ob es nun Eisen oder Blei war, Hauptsache es bestand kein echter Mangel) in „edle Metalle“ (also Gold oder auch Silber) keimte, kann man auch mit dem heutigen Lottospiel vergleichen. Ob man nun diesem Gewinn nachjagt und Chancen von 1 zu 140 Millionen hat oder ob man darauf hofft, dass man ein Verfahren erfindet, dass es nicht doch ermöglicht, aus „Dreck Gold zu schaffen“. Es wurden die verschiedensten Ideen produziert, sodass letztlich hier auch der Begriff „Stein der Weisen“ geprägt wurde, ein universelles Elixier oder auch „festes Ding“, welches die Transformation zum Golde starten sollte. Nun, im Grunde war es von vorneherein bekannt, dass hiermit die innere Transformation gemeint war, dass man sich selbst erkennt, analysiert und seine Schwächen minimiert und die eigenen Stärken weiter ausbaut und forciert.
Zwar tauchten immer wieder mal Schriften auf, dass man mit Hilfe des Steins der Weisen universelle Heilmittel kreieren konnte, sodass Krankheiten kein Thema mehr waren und auch der Alterungsprozess des Menschen keine Garantie des Ablebens war, doch ist dies eher sekundär zu betrachten. Nun ja, in der heutigen Zeit tauchen aber auch immer wieder sinnfreie Texte auf, die schlimmer als jedes Werbeversprechen Heilung, Geldsegen und Unsterblichkeit garantieren.
Die primären „alchemistischen Werbeversprechen“ stammen jedoch aus dem Mittelalter, auch wenn Gold für die Menschen – egal ob in Europa, im Orient oder im chinesischen Gebiet – schon immer eine magische Anziehung ausübte. Es war der „Stoff der Götter“, denn sehr viele Heiligtümer und Prunkbauten wurden mit dem Edelmetall ausgestattet. Nicht umsonst waren gerade im Mittelalter die Europäer so sehr an der „neuen Welt“ und an dem dort beginnenden Genozid der verschiedenen Ureinwohner (egal ob Indianer, Maya oder Inka) interessiert. Gold war hier eine sehr wichtige Komponente bzw. eine sehr wichtige Triebfeder, sodass überhaupt die Unternehmungen der Erforschung, Katalogisierung und Eroberung verfolgt wurden. Durch die magische und auch göttliche Anziehung des Goldes wurden jedoch auch einige Menschen inspiriert, die in sich versuchten „geistiges Gold“ zu erzeugen, sodass es den Alchemisten eher um die Selbstvergöttlichung, als um schnöden Mammon ging. Gut, wenn man einen gewissen Lebensstandard und Luxus besitzen will, ist materielles Gold keine schlechte Sache. Selbstvergöttlichung bezahlt nicht immer alle Rechnungen und macht auch nicht immer alle Münder satt. Da es jedoch in der Magie ebenfalls stets darum ging, anderen Menschen zu helfen – egal, ob dies nun in einem alltäglichen Zusammenhang gebracht wird, oder sich auch die Selbstevolution bezieht – forschten die Alchemisten natürlich auch in diese Richtung. Das berühmte „Lebenselixier“, der „Stein der Weisen“ und das „Alkahest“ waren solche Versuche. Man sollte den damaligen Magiern und Alchemisten nicht immer sofort „egobehaftete Beweggründe“ unterstellen.
So wie es in der heutigen Zeit auch Menschen gibt, die primär Wissen, Weisheit und Erfahrungen weitergeben wollen, sodass sich jeder Mensch selbst evolutionieren und vergöttlichen kann, so gab es auch damals diese Charaktere, die sich nicht „magisch-spirituell prostituierten“. Der „Stein der Weisen“ war im Grunde auch schon die „primäre Bezeichnung“, der gelungenen Selbstvergöttlichung, das Erreichen des Christuszustandes, sodass im Inneren das eigene „Goldene Herz“ zu schlagen beginnt. Auf den folgenden Seiten will ich einmal eine KURZÜBERSICHT der drei primären Begriffe der Alchemie - „Stein der Weisen“, „Lebenselixier“ und „Alkahest“ – geben.
In der Alchemie versteht man unter dem Begriff „Stein der Weisen“ im Endeffekt die Quintessenz aller alchemistischen Endprodukte bzw. das höchste Endprodukt, welches man als Mensch erreichen kann. Hierbei darf man sich nicht von dem Wort „Quintessenz“ verwirren lassen, welches auch manchmal für das Element „Äther“ verwendet wird. Auf der anderen Seite, kann man dennoch einen Brückenbau zu den Begriffen „Quintessenz“ und „Äther“ schlagen, da sich das Element Äther letztlich aus „allen anderen Elementen“ (also den vier klassischen Elementen Erde, Feuer, Luft und Wasser) zusammensetzt und hier eine „übergeordnete Einheit“ bildet. Dies gilt dann auch wieder für den Stein der Weisen, der letztlich auch in der Alchemie als eine „übergeordnete Einheit“ zu deuten ist.
Der Stein der Weisen, der mit den verschiedensten Begriffen beschrieben wird - Lapis Philosophorum, Roter Löwe, Roter Drache, Rotes Elixier, Rote Tinktur, Großes Elixier, Magisterium, Panazee des Lebens (aus dem griechischen, was so viel wie „alles heilend“ bedeutet [griechisch Panakeia; lateinisch Panacea]), Philosophischer Stein oder auch einfach Astralstein – ist somit das Meisterstück, das Ziel selbst, das Große Werk (Opus Magnum).
Wie man an den Bezeichnungen erkennen kann, wird auch hier sehr oft der Begriff „Elixier“ verwendet, sodass es natürlich nahe liegt, dass der Stein der Weisen mit dem sog. Lebenselixier sehr eng verbunden ist. Hierbei ist noch interessant, dass sich das Wort „Elixier“ aus dem griechischen Wort für „Stein“ (xerion) bzw. aus dem arabischen (El Iksir) bildet. Dieses alchemistische Meisterstück, welches durch die die rohe, anfängliche, ursprüngliche, beginnende oder auch jungfräuliche Materie beginnt und sich Stück für Stück evolutioniert, ist ein essenzieller Bestandteil der Selbstevolution. Zwar gibt es auch immer wieder die Idee, dass die „jungfräuliche Materie“ eine Ursubstanz ist, die durch den „christlichen Sündenfall“ verunreinigt wurde und erst durch die alchemistischen Verfahren wieder zu der „Prima Materia“ (erste Materie) transformiert werden muss, um dann letztlich zur „Ultima Materia“ (ultimative Materie bzw. Endmaterie) zu werden, doch sollte man nicht zu viele christliche Fragmente in diese Art der Magie bringen, die letztlich in allen Kulturen beheimatet ist – auch wenn sie dort andere Namen und Bezeichnungen trägt. So ist die Zielvorstellung der Alchemie bzw. des jeweiligen Alchemisten, sehr klar auf den Stein der Weisen ausgerichtet bzw. auf den Wandlungsprozess, sodass man sich selbst erhöhen, vergöttlichen, erleuchten und evolutionieren kann.
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