Caribbean Dreams
Hermann Mezger
Copyright: © 2013 Hermann Mezger
published by: epubli GmbH, Berlin
www.epubli.de
ISBN 978-3-7375-9248-2
Die Handlung dieses Buches ist frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Ereignissen, Personen, lebend oder verstorben, Firmen und Institutionen wäre rein zufällig. Das Buch einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne die schriftliche Zustimmung des Verfassers unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme.
Covergestaltung: hank-mediengestaltung.de unter Verwendung folgender Fotos:
yellow/123RF Stock Foto (Strand) und Benetti,
Via Michele Coppino, 104 – I 55049 Viareggio/Italien (Yacht)
Dünne, wässrige Vorhänge aus Dunst und Abgasen hingen an diesem Morgen über dem Hafen von Houston, Texas. Ein paar Fischerboote und Containerschiffe waren hier und da durch das wabernde Grau auszumachen, kamen näher, verschwanden wieder und gaben der Szenerie einen gespenstischen Anstrich. Eine kalte Brise von der See her passte vorzüglich zu dem ungemütlichen Ereignis, das sich hier abspielte.
Selbst Sheriff Bud Stevenson, genannt Buddy, der sonst immer mit einem Taschentuch umherlief, um den Schweiß auf seinem ferkelroten Gesicht abzuwischen, fröstelte zu dieser frühen Stunde. Er mochte es gar nicht, wenn man ihn unausgeschlafen aus dem Bett holte. Entsprechend mürrisch war seine Laune. Nebenbei bemerkt war er nicht mehr der Jüngste, doch das wollte er weder hören noch zugeben.
Durch den leichten Nebel wirkten die Männer der Hafenwacht, der Hilfssheriff und die paar Seeleute, die am Kai um eine am Boden liegende Leiche herumstanden, wie Gestalten aus einem Gruselfilm. Bud Stevenson schob ein paar Männer zur Seite, schlurfte auf den Toten zu und beugte sich über ihn.
„Wer hat den Mann gefunden?“, fragte er in die Runde.
„Ich!“, meldete sich einer der herumstehenden Seemänner zu Wort und trat pflichtbewusst einen Schritt näher.
„Wo war das?“, fragte Stevenson, ohne die Leiche aus den Augen zu lassen. In den vielen Jahren, die er diesem Beruf nachging, hatte er schon manche Leiche gesehen, doch noch immer regte sich hinter der bulligen Gestalt und dem griesgrämigen Gesicht ein mitfühlendes Herz.
„Mitten in der Galvestone Bay, Sir.“
„Hatte er Papiere bei sich?“
„Nein!“, antwortete der Hilfssheriff. „Man hat nichts bei ihm gefunden. Weder Ausweis, noch Geld, noch Armbanduhr.“
„Also Raubmord!“, konstatierte Stevenson und zog ein Diktiergerät aus der Tasche.
„Unbekannter Toter, Alter: etwa fünfzig Jahre, Tod: durch zwei aufgesetzte Pistolenschüsse, Tatmotiv: Raubmord“, sprach er in das Aufnahmegerät.
„Man hat den Mann nicht nur erschossen, sondern ihm auch noch den Schädel eingeschlagen. Wenn man die Leiche umdreht, kann man die Verletzung an seinem Hinterkopf sehen. Soll ich…?“, fragte der Hilfssheriff.
„Untersteh dich!“, polterte der Sheriff, „ich habe noch nicht gefrühstückt. Veranlasse, dass die Leiche sofort in die Gerichtsmedizin kommt. Die sollen ein brauchbares Foto von dem Toten machen. Den Obduktionsbericht erwarte ich natürlich wie immer vorgestern. Dann ruf bitte das FBI an. Das ist zwar unnötig wie ein Kropf und sie werden auch nichts anderes feststellen als wir, aber bei einem unbekannten Toten ist das nun mal Vorschrift. Und Vorschrift ist Vorschrift.“
Stevenson wandte sich zum Gehen, doch der Hilfssheriff zupfte ihn am Ärmel und hielt ihn zurück.
„Haben Sie seine Hände gesehen, Sir? Den Händen nach hat der Mann nicht viel gearbeitet.“
„Es soll ja auch Menschen geben, die mit dem Kopf arbeiten“, belehrte ihn Stevenson.
„Aber doch nicht in Houston, Sir!“, sagte der Hilfssheriff mit einem ironischen Unterton, und damit noch nicht genug, fügte er sogleich hinzu: „Auch sein Anzug sieht nicht so aus, als ob er von der Stange wäre.“
Stevenson schnaubte ob dieser wichtigtuerischen Feststellungen, schob die Hände noch tiefer in die Tasche und wandte sich an die Anwesenden.
„Ihr kommt alle heute Nachmittag in mein Büro in der Red Bluff Road. Verstanden?“
„Ich auch?“, rief ein Angestellter der Hafenwacht, der abseits gestanden hatte und nun wenig begeistert dreinschaute.
„Ich habe alle gesagt!“
„Können Sie denn das Protokoll nicht gleich hier aufnehmen?“, fragte einer der Seemänner, der anscheinend ebenfalls nicht scharf auf die Vorladung war.
Stevenson stampfte gereizt mit dem Fuß auf den Boden.
„Nein! Wenn Sie erlauben, frühstücke ich erst mal. Ich habe einen Bärenhunger!“
Im Büro der Amerikanischen Drogenabwehr DEA herrschte eine ausgelassene Stimmung. Hinter einem mit Bildschirmen über und über bestückten Schreibtisch, zwischen leeren Cola-Flaschen und zahlreichen Telefonapparaten, vor einer an die Wand gepinnten Landkarte und unter einem summenden Deckenventilator saß George Simon, der Chef dieser Behörde. Er machte den Eindruck eines gutmütigen Bären, doch wer ihn näher kannte, der bescheinigte ihm gerne einen außergewöhnlich hohen IQ-Faktor und trotz seiner Körperfülle eine erstaunliche Beweglichkeit. Seine Augen blitzten vital in dem speckigen, rosa Gesicht. Die übergewichtige Figur kaschierte er mit einem weiten T-Shirt.
Ihm gegenüber, lachend und jugendlichen Elan versprühend, fläzte sich Hauptkommissar Holger Bramme in einen bequemen Stuhl. Seine Erscheinung hätte zu der Simons nicht gegensätzlicher sein können. Gekonnt lässig frisiertes, blondes Haar, meerblaue Augen, ein athletischer Körper und ein selbstbewusstes Auftreten drückten aus, dass er von Erfolgen verwöhnt und von den Frauen bewundert wurde.
Die freundschaftliche Atmosphäre zwischen den beiden Männern war offensichtlich und wie sie so einander anlachten, wirkten sie wie übermütige Schuljungen.
„Schön, dass du gekommen bist, Holger!“, freute sich Simon.
Bramme winkte grinsend ab.
„Ich kann doch deine Einladung nicht ausschlagen! Und wenn es darum geht, der Drogenmafia das Handwerk zu legen, muss ich unbedingt dabei sein!“
„Diesmal geht es aber nicht nur um die Nachschubwege, sondern auch um die Anbaugebiete“, erklärte Simon, stellte eine Schale mit Erdnüssen auf einen wackeligen Stapel Akten und machte Bramme mit einer einladenden Handbewegung darauf aufmerksam. „Wir werden in Kolumbien mit einer Spezialeinheit der Armee in die Berge gehen, um uns dort einen Überblick über die Anbaumethoden zu verschaffen.“
„Und was versprichst du dir von dieser Bildungsreise?“
„Man kann nur bekämpfen, was man auch kennt.“ Simon griff beherzt nach den Erdnüssen, schnippte eine davon in die Luft, um sie dann mit dem Mund aufzufangen. „Ich möchte mitreden können, wenn es darum geht, Maßnahmen gegen die Drogenbarone zu beschließen.“
„Verstehe!“ Bramme rieb sich unternehmungslustig die Hände und schnalzte erwartungsvoll mit der Zunge. „Wann geht die Reise los?“
George Simon musste angesichts dieser Ungeduld lachen. Und wenn er das tat, war sein ganzer, massiger Körper im Einsatz. Sein Lachen war so unbeschwert und herzlich, dass Bramme unwillkürlich mitlachen musste.
„Nach deinen letzten Abenteuern in Zentralasien und den unerfreulichen Begegnungen mit den dortigen Drogenbossen, müsste dein Eifer eigentlich erlahmt sein. Lässt dich dieses Milieu denn nicht mehr los, oder hat dir unser guter, alter Freund Massud noch nicht gereicht?“
Bramme grinste und schloss für einen Moment die Augen. Im Zeitraffertempo erinnerte er sich an die halsbrecherischen und lebensgefährlichen Ereignisse seines letzten Einsatzes.
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