Warum werden die Bürger nicht gefragt, die lebendig mittels unterschiedlicher Registrierungen, Kontrollen und Bespitzelungen in der Demokratie begraben werden? Aber das tut man jetzt: Wer spürt die Auswirkungen der neuen Steueridentifikations-Nummer als erstes? Die Rentner!Warum? Weil diese keine so hohe Lebenserwartung mehr haben, ließe sich fragend anfügen. „Hat ein Ruheständler übersehen, dass er wegen Alterseinkünften Steuern zahlen muss, kann er aus dem Datenpool herausgefischt und zur Kasse gebeten werden.“ (WR: Staat schafft gläserne Steuerbürger, 8.8.2007) In der Öffentlichkeit lässt man 2009 verlautbaren, dass man keine Rücksicht und keine Nachsicht bei sündigen Rentnern, die vielleicht vergessen haben, ihre Steuern anzumelden, walten lassen wird.
Aber es fließen zwei Gesetze an dieser Stelle in eine Hand, in die staatliche Hand: „Wovor haben Datenschützer Angst? Peter Schaar, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, und seine Kollegen in den Ländern befürchten, dass die Eindämmung auf rein steuerliche Fragen von den Behörden nach und nach aufgeweicht wird. Als Beleg dafür dient den Kritikern das Kontenabrufverfahren. Einst nur zur Aufdeckung von Terroristen gedacht, wird es nun auch für Zwangsvollstreckung bei Hartz-IV-Empfängern eingesetzt.“ (Ebda. 8.8.2007) Wofür die Anti-Terrorgesetze noch nützlich sein werden oder schon sind, wird sich zeigen. Der zeitliche Grad der Aufklärungsgeschwindigkeit in der Gegenwart wird zeigen, ob Menschen einen falschen Instinkt hatten, als sie dieses Gesetz ablehnten und vereiteln wollten.
Wie bekannt, ist das „Hartz-Konzept“ eine Bezeichnung für Vorschläge der Kommission „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“, die unter der Leitung von Peter Hartztagte und im August 2002 ihren Bericht vorlegte. „Die Kommission wurde von der Bundesregierungunter Gerhard Schrödereingesetzt. Sie sollte Vorschläge dazu unterbreiten, wie die Arbeitsmarktpolitikin Deutschland effizienter gestaltet und die staatliche Arbeitsvermittlung reformiert werden könne. Anlass dafür war unter anderem das Bekanntwerden von geschönten Statistiken der Bundesanstalt für Arbeitüber deren Vermittlungserfolge und über den Umfang des Verwaltungspersonals (etwa 85.000) im Verhältnis zur Zahl der Vermittler (etwa 15.000). Erklärtes Ziel des Hartz-Konzeptes war es, innerhalb von vier Jahren die Arbeitslosenzahl von damals vier Millionen zu halbieren. Dieses Ziel konnte nicht annähernd erreicht werden.“ (Wikipedia, Stichwort Peter Hartz; 4.9.2008)
Wie man in Akte 07 im ZDF (2008) hören und sehen konnte, sind 100.000 Verfahren von Hartz-IV-Empfängern bei den Sozialgerichten anhängig – diese Sozialgerichtsverfahren sind für Bürger kostenlos. Dem Staat entstehen aufgrund dieser Tatsache hohe Kosten. Zu fragen bliebe, ob nun möglicherweise die Sozialgerichtsverfahren durch diese Regelung vermindert oder gar abgekoppelt werden können, um dem Staat Geld zu sparen? Wie seit Jahren zu hören ist, gibt es immer wieder Falschberechnungen und Verzögerungen in der Überweisungspraxis der Arbeitsämter bei Hartz-IV-Empfängern. Nun werden Hartz-IV-Empfänger verklagt, Rückzahlungen an den Staat zu leisten. Dagegen können sich Hartz-IV-Empfänger mittels kostenlosen Sozialgerichtsverfahren wehren. Könnte es also sein, dass künftig der Staat aufgrund dieser Kombination der Gesetzeslage das Recht hätte, kurzerhand von den mageren Konten der Hartz-IV-Empfänger schlicht die Rückzahlungsbeträge abbuchen zu können – egal, ob zu Recht oder zu Unrecht und damit das Sozialgerichtsverfahren der Hartz-IV-Empfänger kostendämpfend aushebeln?
Anhand dieses Vorganges scheint der Verdacht, die Anti-Terror-Gesetze werden zu Instrumenten funktionalisiert, die sich gegen Bürger richten, nicht weit. Sind die Bürger am Ende die „Bürger-Terroristen“, die man von Anfang an im Auge hatte und gegen die man vorgehen kann, wenn sie für ihr verbürgtes Recht und den ihnen zugewiesenen schmalen Grad finanzieller Unterstützung kämpfen wollen? Wird ihnen von vornherein jegliche Handlungsgrundlage, sich äußern, sich gegen Falschberechnungen zur Wehr setzen zu können, genommen? Sollen sie auch in dieser Hinsicht schweigen? Unter Hartz-IV nahm die Arbeitslosigkeit um so viel zu, wie ursprünglich abgebaut werden sollte: Statt 2 Millionen weniger, sind es nun 2 Millionen Arbeitslose mehr. Das Problem der Schwarzarbeit, das mit dem Hartz-Konzept ausgehebelt werden sollte, nahm eklatant zu. In diesem politischen Fahrwasser wurde dann der 1-Euro-Job kreiert. Hierzu ist bei Wikipedia nachzulesen:
„Auch wenn von Seiten der Bundesregierung davon gesprochen wird, dass die sog. „ 1-Euro-Jobs“ nur in Bereichen entstehen sollen, die ansonsten nicht vom Markt oder öffentlichen Einrichtungen bedient werden, kritisieren insbesondere Gewerkschaften und lokale mittelständische Betriebe und Wirtschaftsverbände diese Regelung.
Eine Abgrenzung zwischen Tätigkeiten, die ansonsten nicht angeboten werden ,
und möglichen Geschäftsfeldern und öffentlichen Leistungen ist schwer bzw.
vom jeweiligen Stand der öffentlichen Versorgung abhängig.
Über de facto subventionierte Arbeitsverhältnisse könnte so bestehenden Einrichtungen
und Firmen Konkurrenz gemacht werden sowie der Druck auf entsprechende Löhne verstärkt werden.“
(Wikipedia, Stichwort Peter Hartz).
Die politische Entwicklung in 2004, die ja noch gar nicht so lange her ist, und doch aus der Perspektive 2008 wie alter Tobak anmutet, weil längst in kurzer Zeit Gewöhnung an die Hartz-IV und 1-Euro-Job Realität eingetreten ist, wurde bisweilen durch Nachrichten in der Zeitung durchbrochen, die den weiteren Sozialabbau offenbar werden ließen. Ein-Euro-Jobs waren hart diskutiert und stifteten so manchen Gedanken an, der sich mit anderen gesellschaftlichen Entwicklungen verquickte. So schrieb ich in meinem ersten Manuskript zu Oben hui, Untern pfui 2004 :
Adorno, ein bekannter deutscher und linker Nachkriegs-Philosoph sagte sinngemäß einmal: Langeweile ist der Reflex auf das objektive Grau. Ja, da sagt man sich dann vielleicht in folgenden Worten: „Ist sowieso immer dasselbe, Arbeitslosigkeit, Politiker, Gesundheitswesen - man möchte es schon gar nicht mehr lesen, denn man „weiß“ ja schon so viel darüber, nämlich dass es nicht bergauf geht. Und dann das Wetter: Es wird heute schlecht, schön, kalt oder warm. Gut.
Da tauchen plötzlich ein paar „alte Bankräuber“ in Hagen (64, 73 und 74 Jahre alt) auf. (www.süddeutsche.de vom 3.5.2005). Sie sind die Neuigkeit des Tages – und man denkt sich lächelnd, es gar nicht glauben könnend: „Das kann Zukunft haben.....eine Bank ausrauben...und dann geht man ins Gefängnis, wird verpflegt, hat sein Bett, bekommt Essen, keine Sorgen mehr wegen Gesetzesänderungen oder Finanzamt, für eine Beschäftigung und den geregelten Tagesablauf ist gesorgt, Besuch kann ich auch bekommen und Bücher kann ich ausleihen.“
Plötzlich könnte man bemerken, wie Werte sich innerlich kaum merklich bei diesen Gedanken verschieben: Das Undenkbare wird plötzlich denkbar. Seltsam. Meine Gedanken vagabundieren: „Das ist auch Demokratie und Meinungsäußerung? Vielleicht muss dann irgendwann beschlossen werden, dass Menschen nicht mehr ins Gefängnis kommen, wenn sie sich etwas stehlen oder nehmen, wofür sie nicht bezahlen. Denn es könnte teuer werden für den Staat, wenn das Schule macht: Krankenversicherung ist im Gefängnis inklusive. Zumindest hätte man noch nichts Gegenteiliges gehört. Haben die Politiker an diese Möglichkeit auch mal gedacht, dass wenn die Werte und die Ethik so wenig Wert sind oder gar keinen Wert mehr haben, ganz andere Probleme drohen könnten?
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