Sie saßen in einem geräumigen Turmgemach auf Pandorax´ Anwesen. Der Schwarzmagier erklärte den angeworbenen Gefährten weitere Einzelheiten seines Vorhabens.
„Ich habe meinen Feind, den Schwarzmagier Alazar, mithilfe meiner Kristallkugel aufgespürt“, sagte er. „Der Widerling war viele Jahre lang in anderen Dimensionen das Daseins unterwegs, um Macht anzusammeln und Unheil zu verbreiten, aber jetzt hat er sich auf der Erde in einer dunklen Festung weit im Osten im Wüsten Land niedergelassen.“
„Was hat den Magier dazu bewegt“, fragte Zayandra, die Waldzauberin, „sich in diesen Gefilden niederzulassen?“
„Das hat damit zu tun“, sagte Pandorax, „was ich ebenfalls durch die Kristallkugel sehen konnte. Er hat irgendwo in den anderen Welten ein mächtiges magisches Artefakt ergattert. Einen uralten Zauberstein, der unter anderem als das Dämonenauge bekannt ist. Dabei handelt es sich um eine unvorstellbar machtvolle magische Waffe, mit der man unter den richtigen Umständen und mit dem nötigen Wissen und den notwendigen magischen Fähigkeiten ganze Welten und ganze Galaxien vernichten kann.“
„Ein Kampf gegen diesen Gegner“, sagte Felarion, „erscheint mir nicht sehr aussichtsreich, wenn er wirklich über solche Mächte verfügt.“
„Ich vermute“, sagte Pandorax, „dass Alazar noch nicht vollständig über die Kräfte des Dämonenauges verfügen kann. Sonst hätte ich die Wirkungen bereits durch die Kristallkugel verspürt. Ich nehme deshalb an, dass er das Artefakt in der dunklen Festung im Wüsten Land verwahrt, damit dem Zauberstein weitere Mächte zuwachsen, die vielleicht mit unserer Welt und ihren Naturelementen zusammenhängen. Wenn dann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, dem Dämonenauge seine vollständigen Kräfte innewohnen und diese für seinen Besitzer nutzbar sind, dann wird Alazar es benutzen und damit zuschlagen wie es ihm beliebt, um alles, was ihm im Wege stehen könnte, erbarmungslos auszulöschen und eine unvorstellbare Schreckensherrschaft zu errichten. Er würde über eine fürchterliche Allmacht verfügen.“
„Verständlich“, bemerkte Felarion, „dass du diese Allmacht für dich selbst erlangen möchtest.“
„Alazar und ich sind seit undenkbaren Zeiten erbitterte Feinde“, erklärte Pandorax. „Ich wäre sicher einer der ersten, der unter dem Unhold leiden müsste, wenn er meiner habhaft werden könnte. Deshalb will ich dem Feind zuvorkommen und das Dämonenauge in meinen Besitz bringen. Das sollte mich und meine Getreuen anstelle Alazars zu allmächtigen Herrschern des Kosmos machen!“
„Wir werden also Anteil an dieser Macht erlangen, wenn wir dir beistehen?“, fragte die Waldhexe.
„Genau das ist mein Plan“, versicherte Pandorax. „Alazar wird es sein, der unendlich leiden darf, und wir werden gemeinsam die Allmacht des Dämonenauges erlangen.“
„Ich werde Alazar in die Welt der Dämonen hinab ziehen“, zischelte der Dämon Ulangarth bösartig. „Auf unseren Folterburgen wird er ewige Qualen erfahren. Und das Dämonenauge verschafft uns die Vorherrschaft über das gesamte Multiversum.“
3. Kapitel: Ein Attentat
Niemals zuvor hatte ich mehr Schiffe in den Hafen von Atlantium einfahren und vor Anker gehen sehen, als nach dem Tod meines Großvaters König Kardaros von Atlantis. Aus fernen Ländern kamen die Oberhäupter der Hohen Häuser persönlich oder ihre höchsten Abgesandten, um über Ursachen und Folgen seiner Ermordung durch den Feind zu beraten. Und um über die Nachfolge zu verhandeln. Denn es war längst nicht mehr selbstverständlich, dass die alten Traditionen der Erbfolge eingehalten wurden und somit mein ältester Onkel Karodan den Obsidianthron besteigen würde.
Innerhalb der Hohen Häuser von Atlantis und zwischen ihnen herrschten erbitterte Fehden und tödliche Intrigen und dennoch musste der nächste König das Reich vor allem geschlossen gegen die äußeren Bedrohungen führen. Denn soweit wir bisher wussten, hatte eine feindliche Macht Kardaros durch einen unvorstellbaren Anschlag ins Reich der Toten befördert. Die Bevölkerung war aufgewühlt. Innere und äußere Gefahren konnten auf der sterbenden Erde unter der roten Sonne ständig auf ungeahnte Weise zunehmen und zu verheerenden Entwicklungen führen.
Ich saß unter den rund fünfzig nächsten Verwandten des Verstorbenen, als die hohen Würdenträger der Reihe nach in die große Empfangshalle einzogen und die ersten Zeremonien durchgeführt wurden, bevor in den nächsten Tagen nach der feierlichen Beisetzung des Königs die geheimen Aussprachen der Hohen Häuser begannen. Niemand wusste, ob bereits nach wenigen Tagen oder aber erst in einigen Monaten über die Nachfolge und die weiteren organisatorischen und militärischen Fragen entschieden sein würde. Wahrscheinlich war die Machtergreifung durch Karodan, doch unabhängig davon konnte es im Zuge jeder möglichen Entwicklung auch zu einschneidenden Veränderungen für jeden Angehörigen der königlichen Dynastie kommen. Wie sehr dies mich persönlich betreffen sollte, hätte ich allerdings nicht zu träumen gewagt.
* * *
Ich reiste auf den Pfaden der Toten. Myriaden an Portalen konnte ich aufstoßen und so in beliebige Zeiten und Räume reisen. Wie kaum ein anderer ward ich in den schwarzen Künsten unterwiesen und nachdem ich endlich die Meisterschaft erlangt hatte, führte ich nun einen Auftrag für die Gilde der Schwarzkünstler und meinen allmächtigen Meister aus.
Ich erschien im Thronsaal, der mein Ziel war, und schwebte auf mein Opfer zu. Eine magische Formel gewispert und es lag danieder. Seine Überreste zerstäubte ich zu Nichts, damit keine Kunst eines Zauberers es wiederbeleben konnte.
Sekunden später war ich wieder in der Festung des Meisters und berichtete von meinem Erfolg. Es verlief alles wie geplant, um die Vorherrschaft an uns zu reißen.
* * *
Drei Tage nachdem mein Onkel Karodan während seiner Krönungszeremonie von einem unbekannten Attentäter der Feinde ermordet worden war, wurde ich zur Königin von Atlantis gekrönt. Offensichtlich wollte kein anderer eine Position einnehmen, in der die Lebenserwartung derartig gering war. Gegen die Mächte der neuen Feinde aus den Untiefen des Wüsten Landes hatten wir bisher kein aussichtsreiches Mittel. Und so wollte man eine Marionette auf dem Obsidianthron installieren, bis die Gefahren gebannt sein mochten. Warum sonst hätte man ein vierzehnjähriges Mädchen allen näheren Verwandten und hochrangigen Militärführern des letzten Königs vorziehen sollen? So lebte ich als Königin Sydyana vollkommen in der Gefangenschaft des Protokolls, wie sie fürchterlicher für niemanden bei Hofe sein konnte.
4. Kapitel: Ein Wanderer
Eines Abends wanderte eine einsame graue Gestalt auf der Landstraße zum Hof von Adebars Familie. Der alte Mann hatte lange weiße Haare und einen langen weißen Bart und war in einen weiten grauen Kapuzenumhang gehüllt. Er ging auf einen langen Wanderstab aus dunklem Holz gestützt, in den uralte geheimnisvolle Runen geschnitzt waren. Adebar erblickte den Wanderer bereits aus der Ferne und er wusste, obwohl der Ankömmling langsam und gebrechlich wirkte, dass er den Stab nicht nur zum Wandern gebrauchen konnte.
Der alte Zauberer Tyrbalt wurde als Gast willkommen geheißen und saß abends mit dem jungen Mann am Kamin, den er einst mit anderen Studenten in Atlantium unterwiesen hatte.
„Fast drei Jahre sind vergangen“, sagte der Zauberer. „Mir scheint nicht, dass du deine Studien hier gewissenhaft fortgesetzt hast.“
„Wir hatten wahrlich andere Sorgen“, erwiderte Adebar. „Außer wenigen Utensilien und ein paar Büchern steht mir hier auch nicht viel zur Verfügung, um Zauberkunst oder Alchemie zu praktizieren.“
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