„Wir müssen den Kampf aufnehmen!“ stellte Adama fest und gab den anderen Männern hitzig Anweisungen.
Adebar schloss seine Augen und flüsterte eine Formel. Er wollte einen Suchzauber weben, aber entweder war Andron bereits zu weit entfernt oder etwas anderes verhinderte, dass der Zauber wirkte und Adebar geistig die Spur des Bruders aufnehmen konnte. Er sah vor seinem inneren Auge lediglich dunkle Hügel und Felder, aber keine Hinweise auf den Gesuchten.
Kurz darauf ritten die mit Schwertern, Streitäxten, Speeren und Hellebarden bewaffneten Männer unter Adamas Führung wieder los. Doch die Füchse hatten sich in die tiefste Wildnis des Nordens zurückgezogen und drei Wochen später war noch immer keine Spur des entführten Jungen gefunden.
Das nächste Jahr brachte weiteres Unheil über die Menschheit. Im Süden wurden viele Tausende in Schlachten und Raubzügen getötet, bevor es zu zahlreichen starken Erdbeben, mächtigen Vulkanausbrüchen, gewaltigen Stürmen und schrecklichen Flutkatastrophen kam, deren todbringende Verheerungen hunderttausende Menschen und Tiere in kurzer Zeit das Leben kosteten. Die letzten Städte des Reiches verloren zunehmend die Verbindung zu anderen Weltgegenden und bald kam es auch hier, im vormals reichen und sicheren Atlantis, zu schweren Engpässen bei der Versorgung mit den nötigsten Lebensmitteln. Die städtischen Einrichtungen des früheren bürgerlichen Daseins wurden weitgehend abgebaut, da die Bevölkerung sich vornehmlich um die Reste von Landwirtschaft und Viehhaltung für das nackte Überleben kümmern musste. Einzig am Hofe von Atlantium wurde der gewohnte Lebenswandel des Königshauses und des Hochadels vorerst noch aufrecht erhalten.
Der Landsitz von Adebars Familie und die benachbarten Fürstenhöfe hatten sich mit ihren getreuen Mannschaften bis unter die Zähne bewaffnet und ein Netzwerk zur eigenen Versorgung gegründet, dass man in den nächsten Jahren erbittert gegen die zu erwartenden Begehrlichkeiten der armen Bevölkerung aus den nächsten Städten und Dörfern zu verteidigen gedachte. An gesellschaftlichen Austausch oder kulturelle Betätigung war deshalb für Adebar nicht mehr zu denken.
In die Wildnis des Nordens konnte man sich indessen ebenfalls nur noch in größeren bewaffneten Gruppen wagen, um Wildbrett zu jagen, da die wilden Tiere und die lange Zeit verborgenen Unwesen sich dort so schnell wie der Wind vermehrten und auf Menschenfleisch lauerten. Einzig von den Füchsen war vorerst kaum mehr etwas zu sehen. Die Hoffnung, Andron jemals wiederzufinden und zu befreien, hatten deshalb alle aufgegeben. Denn falls auch die roten Hybridwesen unter Hunger und anderen Bedrohungen litten, würden sie eine kräftige Mahlzeit den sadistischen Spielfreuden ihrer Sklavenhaltung sicherlich vorziehen.
2. Kapitel: Dunkle Gefährten
Der Schwarzmagier Pandorax blickte in die Kristallkugel. Er wirkte finstere Beschwörungen, um zu ergründen, wo er seinen Feind finden konnte. Das Glas leuchtete dunkelblau und dunkelrot und nach einiger Zeit wurde es wieder schwarz. Pandorax verdeckte die Kugel mit einer schweren Decke. Dann erhob er sich, begab sich in seine Bibliothek und suchte ein bestimmtes Buch heraus. Er setzte sich mit dem alten Band an ein Pult und blätterte darin, bis er zu der Seite mit dem Zauberspruch kam, den er gesucht hatte. Daraufhin begab er sich eine schmale Wendeltreppe hinab in ein unterirdisches Gemach. An den Wänden dieser runden Kammer entzündete er Kerzen, bevor er auf dem Boden mit weißer Kreide einen großen Kreis und darin ein Pentagram zeichnete.
Pandorax setzte sich weihevoll im Schneidersitz in die Mitte des Bannkreises und führte das Ritual durch. Er schloss die Augen und wisperte die Beschwörungsformel in unheimlichem Singsang. Nach einigen Augenblicken begann der magische Zirkel phosphoreszierend zu leuchten und es kamen Schwefeldampf und Metallgerüche auf. Dann breitete sich ein unheimliches Knistern im Gemach aus, bis endlich das silbern glitzernde Antlitz des Dämons erschien.
„Stets zu Diensten“, sagte das schlanke Unwesen höhnisch grinsend mit einer eleganten Verbeugung.
„Dämon Ulangarth“, sagte Pandorax. „Ich habe dich beschworen, um einen widerlichen Feind zu vernichten. Ich habe den Unhold in der Kristallkugel aufgespürt. Wenn du ihn mir als Folteropfer auslieferst und ihn dann in deine Dunkelwelt hinab ziehst, um ihn unendlich weiter Leiden zu lassen, dürfte das ein angemessener Lohn für deine Dienste sein.“
„Jawohl, Meister“, versicherte das Unwesen.
Felarion trennte seinem Gegner mit brutalen Streichen die Nase und die Ohren ab. Dann führte er einen schnellen Stich durch das Herz und schlug dem Besiegten in einer eleganten Drehung den Kopf ab. Aus allen Wunden sprudelte das Blut des Abgeschlachteten, als der siegreiche Kämpfer unter tosendem Beifall sein blutgetränktes Schwert hoch in die Luft streckte.
Das Publikum wollte hier mehr sehen, als einen gewöhnlichen Kampf auf Leben und Tod, wusste der Schwertmeister. Wenn man den Leuten ein grausames Schauspiel bot, zahlten die Buchmacher einem das Vielfache, denn normale Todeskämpfe oder öffentliche Hinrichtungen gab es schließlich überall und jeden Tag zu sehen.
Felarion ließ sich noch von einigen begeisterten Zuschauern auf die blutbeschmierten Schultern klopfen und kassierte dann den Beutel mit Goldmünzen. Danach begab er sich in den nahe gelegenen Gasthof, um seinen fünften Sieg in diesem Monat zu feiern. Es hatte sich wirklich gelohnt, in den nördlichen Provinzen von Atlantis am Rande der großen Wälder zu arbeiten. Die Gegner waren hier deutlich stärker, aber das war dem Schwertmeister lediglich von Nutzen, denn so konnte er ein um so größeres Spektakel veranstalten. Außerdem wusste er, dass er nur durchtriebene Massenmörder und Halsabschneider vernichtete, die sich selbst im Zweikampf bereichern und am bezahlten Töten erfreuen wollten. Jedenfalls schlachtete er dabei keine unbedarften Sportfechter wie in den größeren Städten und auch keine Massen unschuldiger Zivilisten wie zuvor im jahrelangen Dienst als Söldner in den Kriegen des Südens. Noch ein paar Monate und dann konnte er sich endgültig zur Ruhe setzen.
Als Felarion einige Gläser Bier getrunken hatte und sich gleich mit einem jungen Freudenmädchen aufs Zimmer begeben wollte, stand plötzlich ein finsterer Mann in schwarzem Kapuzenumhang an seinem Tisch. Der Schwertmeister legte die Hand auf den Schwertgriff und wunderte sich, dass er diesen unheimlichen Fremden nicht viel früher beim Betreten des Gasthofes oder bei der Annäherung bemerkt hatte.
„Sei gegrüßt, Schwertkämpfer“, sagte der Mann. „Ich bin Pandorax und suche Gefährten für eine wichtige Mission. Du bist der richtige dafür und ich kann dir jeden Preis bezahlen.“
Pandorax, Felarion und Ulangarth standen am Rande einer Lichtung in den nördlichen Wäldern. In der Mitte dieser Lichtung stand ein großer uralter Runenstein.
„Erscheine, Hexe des Waldes!“, rief der Schwarzmagier.
Daraufhin begannen kalte Winde um den Stein zu wehen und Laub und Unterholz wurden aufgewirbelt. Als der Wind abebbte und die Sicht wieder klar wurde, stand eine schlanke Frau in blaugrünem Gewand vor dem magischen Stein. Sie hatte lange und wirre dunkelgrüne Haare und ein wunderschönes Gesicht, dessen Augen wie magische grüne Edelsteine leuchteten.
„Sei gegrüßt, Zayandra, Herrin des Waldes“, sagte Pandorax.
„Was führt dich hierher in den tiefen Wald, zu meinem Hexenstein?“, fragte die Zauberin mit geheimnisvoller heller Stimme.
„Ich möchte dir einen Pakt anbieten“, erwiderte Pandorax. „Dies hier sind der Dämon Ulangarth und der Schwertmeister Felarion. Wir begeben uns auf einen Feldzug, um einen gefährlichen Feind zu vernichten und unvorstellbare Macht zu erlangen. Dafür benötigen wir deine Hilfe. Und es soll dein Schaden nicht sein, wenn du uns begleitest.“
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