1 ...7 8 9 11 12 13 ...20 ihn nach dem Nordwesten zu schicken. Er wird vielmehr direkt nach Quintana fahren, um sich Williams
und seines sogenannten Sekretärs zu bemächtigen.«
»Er kennt ja ihren Aufenthalt gar nicht!«
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»O doch, denn Sie selbst haben ihm denselben mitgeteilt.«
»Ich? Unmöglich! Das müßte ich doch wissen! Wann sollte das geschehen sein?«
»Soeben jetzt.«
»Sir, ich begreife Sie nicht!« rief die Dame höchst erstaunt.
Ach werde Ihnen behilflich sein, mich zu verstehen. Erlauben Sie mir nur, eine kleine Veränderung
meiner Person vorzunehmen.«
Bei diesen Worten nahm ich die dunkle Perücke, den Vollbart und auch die Brille ab. Die Dame trat
erschrocken zurück.
»Um Gottes willen!« rief sie aus. »Sie sind nicht ein Redakteur, sondern jener Deutsche! Sie haben mich
betrogen!«
»Ich mußte das tun, weil man Sie vorher getäuscht hatte. Die Geschichte mit der Mulattin ist vom Anfang
bis zum Ende eine Lüge. Man hat mit Ihrem guten Herzen Mißbrauch und Spott getrieben. Clinton ist gar
nicht der Sekretär Williams. Er heißt in Wahrheit Gibson und ist ein gefährlicher Betrüger, den ich
allerdings unschädlich machen soll.«
Sie sank wie ohnmächtig auf den Sessel nieder und rief:
»Nein, nein! Das ist unmöglich! Dieser liebe, freundliche, prächtige Mann kann kein Betrüger sein. Ich
glaube Ihnen nicht.«
»Sie werden mir glauben, sobald Sie mich angehört haben. Lassen Sie mich Ihnen erzählen!«
Ich unterrichtete sie über den wirklichen Stand der Angelegenheit und hatte den Erfolg, daß ihre bisherige
Sympathie für den ›lieben, freundlichen, prächtigen‹ Sekretär sich in den heftigsten Zorn umwandelte. Sie
sah ein, daß sie in schmählichster Weise belogen worden sei, und gab mir schließlich sogar ihre
Genugtuung darüber zu erkennen, daß ich in Verkleidung zu ihr gekommen sei.
»Hätten Sie das nicht getan,« sagte sie, »so hätten Sie nicht die Wahrheit von mir erfahren und wären
meiner Weisung gemäß gen Norden nach Nebraska oder Dakota gedampft. Das Verhalten dieses Gibson-
Clinton erfordert die allerstrengste Ahndung. Ich hoffe, daß Sie sofort aufbrechen, um ihn zu verfolgen,
und bitte Sie, mir von Quintana aus zu schreiben, ob es Ihnen gelungen ist, ihn dort festzunehmen. Auf
dem Transporte nach New York müssen Sie mir ihn hierher bringen, damit ich ihm sagen kann, wie sehr
ich ihn verachte.«
»Das wird wohl kaum möglich sein. Es ist nicht so leicht, sich in Texas eines Menschen zu bemächtigen
und ihn nach New York zu bringen. Ich würde äußerst zufrieden sein, wenn es mir gelänge, William
Ohlert aus den Händen seines Verführers zu befreien und wenigstens einen Teil der Summen zu retten,
welche beide unterwegs einkassiert haben. Für jetzt aber würde es mich außerordentlich freuen, von
Ihnen vernehmen zu können, daß Sie die Deutschen nicht länger für Barbaren halten, welche nicht lieben
können. Es hat mich geschmerzt, meine Landsleute grad von Ihnen so verkannt zu sehen.«
Die Antwort war eine Entschuldigung ihrerseits und die Versicherung, daß sie sich von ihrem Irrtume
bekehrt fühle. Wir schieden in herzlichster Weise voneinander, und ich sagte den beiden vor dem Hause
wartenden Polizisten, daß die Angelegenheit erledigt sei. Ich drückte ihnen ein Trinkgeld in die Hände
und eilte fort.
Natürlich mußte ich möglichst schnell nach Quintana und und suchte zunächst nach einem Schiffe,
welches dorthin ging. Die Gelegenheit war mir nicht günstig. Ein Dampfer lag bereit, nach Tampico zu
gehen, legte aber auf der Tour nirgends an. Schiffe, welche mich nach Quintana gebracht hätten, gingen
erst in einigen Tagen ab. Endlich fand ich einen schnellsegelnden Klipper, welcher Ladung für Galveston
hatte und nach Mittag abgehen wollte. Mit ihm konnte ich fahren. In Galveston hoffte ich, schnelle
Gelegenheiten nach Quintana zu finden. Ich ordnete schnell meine Angelegenheiten und ging an Bord.
Leider sollte meine Erwartung, in Galveston ein Schiff nach Quintana zu finden, nicht zutreffen. Ich fand
eine Gelegenheit über dieses Ziel hinaus, nach Matagorda, am Ausflusse des östlichen Colorado. Doch
wurde mir versichert, daß es mir leicht sein werde, von dort schnell zurück nach Quintana zu kommen.
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Das veranlaßte mich, diese Gelegenheit zu benutzen, und die Folge zeigte, daß ich dies nicht zu bereuen
hatte.
Damals war die Aufmerksamkeit des Kabinetts von Washington nach Süden gerichtet, nach Mexiko,
welches Land noch unter den blutigen Wirren des Kampfes zwischen der Republik und dem Kaisertume
litt.
Benito Juarez war von den Vereinigten Staaten als Präsident der Republik von Mexiko anerkannt worden,
und dieselben weigerten sich ganz entschieden, ihn gegen Maximilian fallen zu lassen. Sie betrachteten
den Kaiser nach wie vor als Usurpator und begannen, auf Napoleon jenen Druck auszuüben, welcher ihn
dann zu der erzwungenen Erklärung veranlaßte, seine Truppen aus Mexiko zurückzuziehen. Durch die
Erfolge Preußens im deutschen Kriege indirekt gezwungen, hielt er auch Wort, und von da an war der
Untergang Maximilians besiegelt.
Texas hatte sich beim Ausbruche des Bürgerkrieges für die Sezession erklärt und sich also an die Seite
der Sklavenstaaten gestellt. Die Niederwerfung der letzteren hatte keineswegs eine schnelle Beruhigung
der Bevölkerung zur Folge. Man war erbittert gegen den Norden und verhielt sich infolgedessen
feindselig gegen dessen Politik. Eigentlich war die Bevölkerung von Texas gut republikanisch gesinnt.
Man schwärmte für Juarez, den ›indianischen Helden‹, welcher sich nicht gescheut hatte, es mit Napoleon
und einem Sprossen des mächtigen Hauses Habsburg aufzunehmen. Aber weil die Regierung von
Washington es mit diesem ›Helden‹ hielt, konspirierte man im stillen gegen denselben. So ging ein tiefer
Riß durch die Bevölkerung von Texas. Die einen traten offen für Juarez auf; die andern erklärten sich
gegen denselben, nicht aus Überzeugung, sondern nur aus reiner Widerstandslust. Infolge dieses
Zwiespalts war es nicht leicht, durch das Land zu reisen. Alle Vorsicht des Einzelnen, seine politische
Farbe verbergen zu wollen, war vergeblich; man wurde förmlich gezwungen, mit derselben
hervorzutreten.
Was die in Texas ansässigen Deutschen betrifft, so waren sie mit sich selbst uneins. Als Deutsche
sympathisierten sie mit Maximilian, doch entsprach es ihrem Patriotismus nicht, daß er unter der Aegide
Napoleons nach Mexiko gekommen war. Sie hatten genug republikanische Luft eingeatmet, um zu
glauben, daß der Einfall der Franzosen im Lande Montezumas ein ungerechter sei und nur den Zweck
verfolge, durch Auffrischung der französischen Gloire den Blick der Franzosen von den eigenen
unheilbaren Gebrechen abzulenken. Aus diesem Grunde verhielten sich die Deutschen schweigend und
standen jeder politischen Demonstration fern, zumal sie es während des Sezessionskrieges mit den
Nordstaaten und gegen die Sklavenbarone gehalten hatten.
So standen die Verhältnisse, als wir die flache, langgestreckte Nehrung zu Gesicht bekamen, welche die
Matagorda-Bai von dem mexikanischen Golfe trennt. Wir segelten durch den Paso Caballo ein, mußten
dann aber schnell Anker fallen lassen, da die Bai so seicht ist, daß tiefer gehende Schiffe Gefahr laufen,
auf den Grund zu geraten.
Hinter der Nehrung ankerten kleinere Fahrzeuge, vor derselben in See mehrere große Schiffe, Dreimaster,
und auch ein Dampfer. Ich ließ mich natürlich sofort nach Matagorda rudern, um mich zu erkundigen, ob
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