„Ich weiß, was du denkst, Crow … als neuer Leader von Sektion A würde es deine Position stärken, sich das Alpha-Weibchen zu schnappen.“ Ich weiche seinem Blick nicht aus, obwohl mir das schwerfällt.
Leider wendet auch Crow seinen Blick nicht ab. „Das ist wahr … ein Teil von mir fordert das tatsächlich als sein Recht ein.“ Das erste Mal an diesem Tag zeigt er ein Lächeln … aber es ist eher die Art von Lächeln, die ein nachsichtiger Vater seinem Kind schenken würde. „Aber du vergisst, dass ich auch einen nicht unerheblichen menschlichen DNA-Anteil habe. Die Wahrheit ist, dass ich dich schon wollte, als du mich in das INBREED-Programm geholt hast.“ Seine Hand berührt meine Wange und fährt über meine Haut … dann nimmt er eine Strähne meines braunen Haares zwischen die Finger und zwirbelt sie leicht. „Aber du warst unerreichbar für mich … so unerreichbar.“
Plötzlich wird sein Blick wieder hart. Er lässt mich los, sieht mich aber weiterhin an. „Du brauchst mich, Leslie … auf jede erdenkliche Art. Du wirst in jedem Fall die Frau des Leaders von Sektion A sein … sei froh, dass ich es bin. Warum kämpfst du dagegen an? Gerade, als ich dich geküsst habe … da wolltest du mich mehr als alles andere.“
Ich schüttele den Kopf. „Du irrst dich ...“
„Ich irre mich nie in solchen Dingen … das ist der Vorteil meiner genetischen Veränderung. Ich bin genauso treffsicher in der Wahl der für mich richtigen Partnerin wie Torn.“ Jetzt wird er wieder sanft … versucht mich, mit Argumenten zu überzeugen. „Dies hier ist eine neue Situation für uns alle. Aber irgendwann wird sie sich ganz normal für dich anfühlen … wir können alles haben, was Torn und Larona haben … gib uns eine Chance, Leslie.“
Ich schüttele den Kopf. Seine Worte treiben mir die Tränen in die Augen, ohne dass ich das will. „Bitte … ich muss jetzt allein sein …“, flüstere ich, und tatsächlich nickt Crow und gibt den Weg frei.
Ich laufe aus der Küche und schließe mich im Badezimmer ein, obwohl ich ahne, dass ein Schloss Crow nicht wirklich aufhalten könnte.
Crow
Ich weiß, dass sie mich will … ich sollte geduldig sein und abwarten, aber leider ist das etwas, was ich gerade überhaupt nicht gut abkann. Ich war immer der Geduldige und Zurückhaltende in der Einheit, aber nun bin ich der Leader … und ein Leader muss sich zuallererst durchsetzen können … die Kontrolle behalten und die Situation beherrschen. Ich kann fast spüren, wie mein Körper die Testosteronproduktion ankurbelt, die mich aggressiver und ungeduldiger macht. Verdammt! Es ist ja nicht nur so, dass ich Leslie schon seit Jahren wollte und nicht anrühren durfte. Das Problem … das mir durchaus peinlich ist … und von dem ich mich frage, ob es mit der hormonellen Veränderung zu tun hat, die in meinem Körper vor sich geht … ist, dass mich keine andere Frau mehr erregt. Es fing bei der letzten Partnerin an, die Leslie mir brachte. Zuerst waren es Aussetzer … dass sich während ich sie nahm, meine Erregung in Lustlosigkeit verwandelte. Dann wurde es schlimmer … bis ich sie nicht mehr angefasst habe. Und je weniger mich der Anblick einer Frau erregen konnte, desto geiler wurde ich in Leslies Gegenwart. Zum Schluss wurde es sogar so schlimm, dass ich schon fast hart wurde, wenn ich mit ihr in einem Raum war. Der Gedanke, ihr den Bodysuit vom Körper zu reißen und sie zu nehmen, bestimmt mein Denken, sobald sie in meiner Nähe ist. Sie gehört mir … das weiß ich, seit ich sie das erste Mal gesehen habe; und jetzt, wo ich sie endlich haben kann, zögere ich. Ich wünsche niemandem die Höllenqualen, die ich wegen dieser Frau ausgestanden habe. Das war letztendlich der Grund, weshalb ich mich auf Torns Plan eingelassen habe … die Kontrolle über Terra Alpha zu übernehmen. Ich wusste, dass ich irgendwann durchdrehen würde … wegen ihr … Leslie ...
Ich starre auf die Beule in meiner Hose. Ihr Körper allein reicht mir nicht. Ich will, dass sie mich akzeptiert, wie Larona Torn akzeptiert. Erst dann habe ich meinen Seelenfrieden.
Kurz überlege ich, aufzustehen und einfach zu ihr zu gehen. Sie aus dem Bad zu holen, ins Schlafzimmer zu tragen und sie zu unterwerfen. Aber Leslie ist nicht Larona … ich würde ihren Körper besitzen, aber nicht sie …
Seufzend mache ich es mir auf dem Sofa bequem, so gut es geht. Leslies Bungalow hat kein zweites Schlafzimmer … eigentlich hatte ich auch nicht damit gerechnet, dass ich diese Nacht irgendwo anders schlafen würde, als in Leslies Bett. Ich bin ja so ein Wahnsinns-Alpha , denke ich angepisst und stopfe mir ein Kissen hinter den Kopf. Gottseidank können die anderen mich nicht sehen … Torn oder viel schlimmer … Strike. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es mit Strike noch Ärger geben wird. Er wartet ab und beobachtet mich … schätzt meine Stärke ab, bevor er mich herausfordert. Strike wird die Chance, seine Stellung in der Rangordnung zu verbessern nicht ungenutzt verstreichen lassen. Ich muss ein Auge auf Leslie haben … sie ahnt nicht, in wie großer Gefahr sie ist, solange ich meine Position als Leader nicht gefestigt habe.
Mein Blick geht zur Badezimmertür. Leslie hat sich eingeschlossen – ein Umstand, der mich stört. Aber ich reiße mich zusammen. Hätte ich meine Besitzansprüche auf sie schon durchgesetzt, würde ich ihr das nicht durchgehen lassen. Aber so dulde ich ihren Rückzug. Ein wenig Zeit will und muss ich ihr geben … ich spüre, dass es etwas in ihr gibt … einen dunklen Schatten, den sie vor mir verbirgt. Ich habe Leslie nie mit einem anderen Mann gesehen, und auch noch nie den Geruch eines anderen Mannes an ihr wahrgenommen, seit sie mich in das INBREED-Programm geholt hat. Nicht, dass ich nicht dankbar dafür wäre. Ich mag gar nicht daran denken, was passiert wäre, wenn ich plötzlich den Geruch eines Mannes an ihr wahrgenommen hätte … alles hätte ich akzeptieren können, nur das nicht! Aber trotzdem verwundert es mich. Leslie ist eine junge, attraktive Frau. Die anderen Ärzte sind nicht so zurückhaltend. An jedem von ihnen habe ich schon einmal den Geruch nach Sex wahrnehmen können. Nur Leslie scheint sich niemals für jemanden zu interessieren; fast kam es mir vor, als würde sie sich selbst verleugnen.
Ich schließe die Augen und versuche, zu schlafen, obwohl das in meinem erregten Zustand kaum möglich ist. Wenn Leslie die Nacht im Bad verbringen will, dann soll sie das tun. Es ändert nichts an der Tatsache, dass sie mir gehört … endlich und unwiderruflich.
Leslie
Ich weiß nicht, wie lange ich im Bad gesessen habe, als ich endlich aufstehe und mich wage, die Tür zu öffnen. Eigentlich hatte ich duschen wollen, wie ich das jeden Abend nach der Arbeit tue – aber mit einem unzufriedenen Alpha-Wolf auf dem Sofa, der mir soeben offenbart hat, dass er mich als sein Weibchen erwählt hat – beschließe ich, mein Schicksal lieber nicht herauszufordern. Großer Gott! Warum muss gerade mir das passieren? Ausgerechnet Crow …
Leise trete ich auf den Flur und lausche. Alles ist still. Ich kann Crow auf dem Sofa liegen sehen. Er ist eingeschlafen. Kurz überlege ich, ob ich es wagen kann, mich an ihm vorbeizuschleichen und das Haus zu verlassen … Doch was dann? Wohin soll ich gehen? Der nächste Trooper, der mich erwischt, bringt mich entweder zu Crow zurück oder behält mich gleich für sich selbst. Außerdem glaube ich nicht, dass ich es überhaupt bis zur Tür schaffen würde. Trooper-Ohren sind verdammt gut, und Crow ist ein ausgebildeter Soldat. Er kann reagieren, bevor ich überhaupt einen Gedanken zu Ende gedacht habe.
Frustriert verziehe ich mich in mein Schlafzimmer. Der Gedanke, dass die Tür nicht abzuschließen ist, hinterlässt ein mulmiges Gefühl. Aber wie schon bei der Badezimmertür glaube ich ohnehin nicht, dass ein Schloss Crow aufhalten würde, wenn er in mein Schlafzimmer kommen will. Also hoffe ich auf den Rest Menschlichkeit in ihm, und dass er sich mir nicht aufdrängt. Mir ist klar, dass er nicht ewig warten wird … aber unsinnigerweise hoffe ich auf eine wundersame Lösung dieses Problems … obwohl ich keine Ahnung habe, wie die aussehen könnte. Er will … ich will nicht … wie sollte dieses Problem für uns beide zufriedenstellend gelöst werden?
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