Jetzt nicht mehr! Crow geht an mir vorbei in den Wohnraum und lässt seinen Blick über meine Einrichtung schweifen … die Fotos meiner Eltern und meiner Schwester auf dem Highboard an der Wand, das Foto eines unbekannten Künstlers, das ich von der Erde mit hierher gebracht habe. Es zeigt einen Nachmittag am Meer, wie er vor langer Zeit auf der Erde gewesen sein muss. Die Sonne scheint auf das Wasser und lässt es glitzern, die Menschen liegen auf Handtüchern am weißen Sandstrand. Kinder sammeln Muscheln, Boote sind am Horizont zu sehen, der Himmel ist blau …
„Schön … sieht es so auf der Erde aus?“, fragt Crow und betrachtet das Bild. Da ist er wieder … der Crow, den ich so mag. Der intelligente junge Mann, der Dinge hinterfragt und sich für Vieles interessiert.
„Nein … so sah es einmal auf der Erde aus. Heute sind die Meere tot, die Strände verschmutzt und niemand würde sich mehr dort aufhalten.“
„Das ist schade“, antwortet Crow stirnrunzelnd, dann steuert er meine Couch an und lässt sich darauf fallen, als gehöre sie ihm. Ich bleibe stehen und weiß nicht recht, was ich jetzt tun soll. Von seinem Sofaplatz aus hat Crow einen guten Überblick über meinen Bungalow.
„Ich mag Ihre Einrichtung, Doc.“
„Danke.“ Mehr fällt mir nicht dazu ein. Ich mag sie auch … und ich hätte sie gerne wieder für mich allein. Aber scheinbar ist das keine Option. Brennend heiß kommt mir in den Sinn, dass es zu den Trooper-Bungalows doch einen gravierenden Unterschied gibt. Meiner hat kein zweites Schlafzimmer. Kurz überlege ich, Crow darauf aufmerksam zu machen, aber ich will lieber keine schlafenden Hunde wecken. Stattdessen sehe ich zur Digitaluhr an der Wand. Es schon fast Sieben Uhr am Abend. Mein Schock lässt langsam nach und ich fühle, dass ich Hunger habe. Ich bin versucht, Crow zu sagen, dass ich in die Küche gehe, um etwas zu kochen, doch ich halte mich im letzten Moment zurück. Das hier ist noch immer mein zu Hause, und ich bin ihm keine Rechenschaft schuldig.
Demonstrativ wende ich mich ab und gehe in die Küche. Ich habe die Rechnung allerdings ohne Crow gemacht, denn kaum habe ich den Wohnraum verlassen, höre ich seine Schritte hinter mir. Meine Nackenhaare stellen sich auf. Ich erwarte, dass sich sein Arm wie eine Stahlschlinge um mich legt … wie ich es bei Torn gesehen habe, wenn Larona ihm irgendeinen Grund gibt, seine Dominanz ihr gegenüber klarzustellen. Wenn Crow anfängt, sich mir gegenüber so zu verhalten, habe ich keine Chance … das ist mir klar. Also ist es vielleicht besser, ihn nicht zu provozieren. Allerdings darf ich auch nicht zu unterwürfig wirken und ihm so Signale senden, die ihn auf dumme Gedanken bringen.
„Ich habe Hunger“, sage ich, ohne mich nach Crow umzudrehen.
„Dann lassen Sie uns etwas kochen“, höre ich seine Stimme dicht hinter mir, und schon wieder fühle ich mich von ihm bedrängt. Crows Verhalten hat sich eindeutig verändert … es ist, als würde er die Distanz zwischen uns immer mehr verringern wollen. Wahrscheinlich ist er noch unsicher aufgrund seiner Jugend … Crow ist fünfundzwanzig und damit fast drei Jahre Jünger als ich … und seiner neuen Position als Leader. Er muss sich erst darin zurechtfinden. Das könnte meine Chance sein, ihn zu verunsichern und ihn mir vom Leib zu halten.
In der Küche hole ich schweigend Zutaten aus dem Kühlschrank und drücke sie Crow in die Hand. Ich gebe mich möglichst souverän, und zumindest im Augenblick scheint das zu wirken.
„Was habt ihr jetzt vor?“, frage ich, während wir kurz darauf Reis mit Hühnchen essen, das ich noch vom Vortag im Kühlschrank hatte … die letzten Lebensmittel, die wir von der Erde bekommen haben. Ab jetzt müssen wir selbst zusehen, wie wir uns versorgen.
„Eine neue Gemeinschaft aufbauen … normal leben … so, wie ihr es auf der Erde tut.“
Ich überhöre, dass Crow wie selbstverständlich vom Sie ins Du gewechselt ist.
„Aber … ihr seid nicht wie wir …“
Er sieht mich an, und ich meine, so etwas wie Ärger in seinen Augen zu erkennen. „Du meinst also, dass acht Prozent DNA uns so anders machen … dass wir andere Dinge wollen, als die Menschen auf der Erde? Andere Bedürfnisse haben … von anderen Dingen träumen?“
Da ist er wieder … der Philosoph. Aber ich darf mich davon nicht täuschen lassen. Er ist ein Master Trooper. „Ihr seid anders … ihr verhaltet euch anders, als andere Männer.“
Crow lässt die Gabel fallen und steht auf. Ich kann spüren, dass er um Beherrschung kämpft. „Das mag sein … und es mag auch sein, dass dich das irritiert, Leslie. Es mag sogar sein, dass du dich dagegen wehrst. Es ändert aber nichts an der Tatsache, dass ihr darauf reagiert … auch du Leslie. Gerade in diesem Augenblick sendet dein Körper mir eindeutige Signale.“
Ich starre ihn an. Was redet er da? Ich weiß doch wohl am besten, was mein Körper fühlt. Und was soll das heißen? Was für Signale? Wie will er die denn überhaupt wahrnehmen?
Crow scheint meine Gedanken lesen zu können, denn er antwortet ernst. „Es ist euer Geruch, Leslie. Ich kann riechen, wenn eine Frau mich will.“
Ich gebe ein empörtes Geräusch von mir und schüttele den Kopf. Das ist alles zu viel. „Hör zu, Crow. Ich habe dich immer gemocht … aber eben gemocht. Für mich bist du so etwas wie ein jüngerer Bruder.“
Jetzt ist er richtig sauer. Das war definitiv nicht das, was Crow hören wollte. Seine blauen Augen werden zu Eis. Er steht ganz ruhig da, aber ich kann sehen, wie sein Körper sich anspannt. Mein Gott, ich wünschte in diesem Moment fast, er wäre nicht wie ein Bruder für mich! Crow ist mit Abstand der attraktivste Mann, dem ich je begegnet bin mit seinem markanten Gesicht, den leicht gelockten schwarzen Haaren, die ihm fast bis zum Kinn reichen und den strahlend blauen Augen. An ihm ist alles perfekt. Im Gegensatz zu mir … an mir ist nichts perfekt … ein Umstand, den ich versucht habe, zu vergessen …
„Ich bin nicht dein Bruder ...“, gibt er ruhig, aber mit unmissverständlichem Unterton in der Stimme zu bedenken.
„Nein … das bist du nicht … du bist ein Master Trooper … ein Teil meines Jobs.“ Ich stehe auf und will gehen. Leider vergesse ich dabei alle Vorsicht.
Im nächsten Moment hat Crow mich gepackt und drückt mich gegen den Kühlschrank. Alles geht so schnell, dass ich kaum weiß, wie mir geschieht. Ich will aufschreien, da spüre ich schon Crows Lippen auf meinen – hart und fordernd. Sein Körper presst sich gegen mich, und ich kann seine Erektion durch den dünnen Stoff meines Bodysuits an meinem Bauch spüren. Ich versuche, mich zu wehren, doch Crows Kraft ist so gewaltig, dass ich mich kaum bewegen kann, wenn er es nicht zulässt. Und im Augenblick lässt er es nicht zu!
„Leslie …ich will dich“, höre ich ihn an meinem Ohr knurren, als er meinen Mund wieder freigibt. Sein Haar kitzelt an meinem Hals, und ich erschrecke über die Gänsehaut, die mir seine Berührung bereitet. Und noch mehr erschrecke ich darüber, als mir klar wird, dass es weniger Angst ist, als Erwartung oder Anspannung, die meine Haut so empfindlich macht. Obwohl ich es nicht sehen kann, weiß ich, dass meine Nippel sich hart durch den Stoff meines Bodysuit drücken. „Crow ...“, gelingt es mir zu krächzen. Warum klinge ich auf einmal so unsicher? Ich sammele mich und gebe meiner Stimme eine ruhige aber eindeutige Klangfarbe. „Bitte lass mich los … ich möchte das nicht.“
Tatsächlich gibt Crow mich frei. Ich versuche, nicht zu offensichtlich nach Luft zu schnappen. Er soll auf keinen Fall sehen, wie sehr mich sein Überfall aus der Bahn geworfen hat.
„Du willst mich, Leslie … du versuchst, dagegen anzukämpfen und es zu leugnen. Aber du wirst mir gehören. Du hast schon immer mir gehört.“ Seine Stimme klingt nun ebenso ruhig und überzeugt wie meine.
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