Der Traum vom ewigen Leben ist so alt wie die Menschheit selbst. Doch seit der Vertreibung aus dem Paradies ist unser irdisches Dasein endlich. Und die Vorstellung von einem Weiterleben nach dem Tod bleibt verbannt in ein mit dem Verstand nicht zu fassendes Jenseits, an das zu glauben hier keine Voraussetzung sein soll.
Deshalb will und kann ich mich in diesem Buch nur mit den biologischen und medizinischen Möglichkeiten des Altwerdens befassen, die nach heutigem Stand der Forschung gelten. Vor allem werde ich der Frage nachgehen, wie man ein hohes Alter bei guter Gesundheit erreichen kann. Krankheit und Siechtum sind schließlich wenig erstrebenswert. Was also kann jeder unabhängig von seinen genetischen Voraussetzungen tun, um möglichst lange im Besitz seiner körperlichen und geistigen Kräfte zu bleiben? Auf welchen Säulen steht unsere Gesundheit, und was bedroht sie? Und was verstehen wir überhaupt unter Lebensqualität?
Gehen Sie bei der Lektüre des Buches mit mir auf eine spannende Reise! Begleiten Sie mich bei der Suche nach Antworten auf eine der letzten ungeklärten Fragen unserer Welt: die nach dem Geheimnis eines langen, gesunden und damit glücklichen Lebens.
Ihr Prof. Dr. Jürgen Ennker
Lahr/Baden
1. Lebenslänge
Die Lebenserwartung
Die gute Nachricht vorweg: Wir werden immer älter. Die Lebenserwartung hat sich in den letzten 130 Jahren mehr als verdoppelt. Heute geborene Jungen und Mädchen werden durchschnittlich rund 77 bzw. 83 Jahre alt. Und die Lebenserwartung steigt weiter: Statistisch gesehen erlebt jede zweite Frau in Deutschland ihren 85. Geburtstag und jeder zweite Mann seinen 80. Und 94 Prozent der Frauen sowie 89 Prozent der Männer werden zumindest 60 Jahre alt. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Lebenserwartung des Steinzeit-Menschen lag bei gerade einmal 25 Jahren plus/minus 5 Jahren.
Auch wenn es nach Überlieferungen, etwa aus der Bibel, so aussieht, als hätte es schon vor unserer Zeitrechnung Menschen gegeben, die sehr viel älter wurden als wir heute, so trügt der Schein. Forscher vermuten, dass unrealistische Altersangaben im Alten Testament wie das von Methusalem (969 Jahre) oder das von Adam (930 Jahre) entweder auf einen Schreibfehler zurückgehen oder das Lebensalter damals nach den Monaten des Mondkalenders berechnet wurde. Demnach wäre Methusalem doch nur 78 Jahre alt geworden – für damalige Verhältnisse immer noch ein stolzes Alter.
Im Kapitel Genesis 6, 1-4, also nach der Sintflut, begrenzte Gott die Lebenszeit dann auf 120 Jahre. Ob man gläubiger Christ ist oder nicht: Dieses Alter entspricht bis heute tatsächlich in etwa der höchsten Lebensspanne, die je ein Mensch erreicht hat. Nur die Französin Jeanne Louise Calment wurde mit 122 noch zwei Jahre älter.
Ansonsten gilt Japan als das Land mit den meisten über Hundertjährigen. Aber auch in Deutschland leben derzeit 10.000 über Hundertjährige – so viele wie noch nie! Wissenschaftler schätzen, dass es im Jahr 2050 bereits rund 115.000 sein könnten. Denn jedes Jahr wächst die Lebenserwartung um etwa drei Monate.
Die Rolle der Gene – die Biologie des Alterns
Doch wo liegt die Grenze unserer biologischen Lebensfähigkeit? Genforscher wie der Amerikaner Gichard Cawthon halten es durchaus für möglich, eines Tages 1000 Jahre alt zu werden. Voraussetzung aber ist, dass wir es schaffen, den „programmierten Zelltod“ und damit die natürlichen Prozesse des Alterns aufzuhalten.
Der Hintergrund: Im Laufe unseres Lebens teilen sich unsere Zellen viele Male. Dabei erneuern sie sich, indem Defekte durch zelleigene Stoffwechselprozesse repariert werden. Doch auch diese Fähigkeit nimmt mit den Lebensjahren ab: Dann wird der Zellpool kleiner, denn auch das Stammzellreservoire, aus dem neue Zellen gebildet werden, altert. Ohne frische Zellen jedoch ist Sterben nur noch eine Frage der Zeit. Dieser programmierte Zelltod, dieses Programm des Alterns, ist genetisch vorgegeben und sogar mit dem im Tierreich identisch. Jede Zelle kann sich nur 40 bis 50 Mal teilen. Danach ist Schluss.
Könnte man diesen Gen-Code knacken, der die Zellteilung steuert und das Zeitfenster für den Zelltod größer ziehen, könnte man – so die Meinung der Altersforscher – auch die Lebenserwartung verlängern. Neben Veränderungen im Lebensstil bedeutet das vor allem, eine Einflussnahme auf die Gene.
Wissenschaftler schätzen, dass die Lebenslänge zu 20 bis 30 Prozent von unserem Erbgut abhängt, das Risiko für viele lebensbedrohliche Erkrankungen sogar zu 50 Prozent! Bei den über 100-Jährigen, vor allem bei Männern, aber spielen dazu noch „Langlebigkeitsgene“ eine Rolle: Denn diese Menschen werden nicht nur „normal“ alt, sondern sie bleiben dabei auch noch gesund und fit. So gibt es in bestimmten Regionen der Erde besonders viele rüstige Alte. Und auch wenn man sich in seinem eigenen Bekanntenkreis umschaut, kann man feststellen, dass – von wenigen Ausnahmen abgesehen – Mitglieder einer Familie älter werden als die anderer Familien. Auffällig ist, dass bei diesen Menschen Altersleiden wie Diabetes, Demenz, Bluthochdruck oder Parkinson wenn überhaupt erst nach dem 85. Geburtstag auftreten – ein Alter, in dem sich die Alterungsprozesse im Körper wieder zu verlangsamen scheinen und das Sterberisiko statistisch gesehen wieder sinkt. Lebensbedrohliche Folgeerkrankungen kommen somit nicht mehr so stark zum Tragen wie bei Menschen, die etwa schon ab 60 an diesen Krankheiten leiden.
Genetiker sind deshalb schon länger auf der Suche nach dem einen „Methusalem-Gen“, quasi dem DNA-Schlüssel zum Älterwerden. Gefunden wurde es allerdings noch nicht. Wohl aber 150 Genvarianten, die man bei mehr als 1000 Hundertjährigen auffällig häufig fand und die seitdem im Zusammenhang mit extremer Langlebigkeit stehen.
Verlängerte Genkappen – verlängertes Leben
So kam man etwa den Telomeren auf die Spur, den Schutzkappen der Chromosomen. Jeder unserer Erbgutfäden besitzt an seinen beiden Enden solche Telomere. Insgesamt 5000 bis 12.000 Paare. Das Problem: Diese Kappen werden bei jeder Zellteilung kleiner. Zwar sitzen darin keine lebenswichtigen Gene, doch irgendwann können die Telomere ihre Schutzfunktion nicht mehr ausfüllen. Die Folge: Sie verkleben miteinander, und die Zelle verliert ihre Funktion. Ungefähr 30 bis 200 Telomere verschwinden mit jeder Zellteilung.
Hoffnung geben neue Beobachtungen, nach denen die Telomere doch nicht immer kleiner werden, sondern zwischenzeitlich auch wieder wachsen. Verantwortlich dafür ist das Enzym „Telomerase“. Es verlängert die Schutzkappen wieder und kann so bedeutenden Einfluss auf das Überleben der Zelle nehmen. Leider lässt die Aktivität des Enzyms mit den Jahren nach – und damit auch die Länge der Telomere. Studien mit betagten Teilnehmern haben gezeigt: Die Gruppe mit den längeren Endkappen lebte im Schnitt fünf Jahre länger als die mit den kürzeren.
Würde es gelingen, das Enzym Telomerase weiter zu aktivieren, könnte man nach Schätzungen von Altersforschern 10 bis 30 Jahre länger leben!
Wie Gene auf die Kalorienbremse drücken
Eine weitere, wichtige Rolle bei der Lebensverlängerung spielt offenbar das Gen PHA-4. Es stammt vom Fadenwurm Caenorhabditis elegans, hat aber gleich drei vergleichbare „Verwandte“ beim Menschen. Diese wiederum sind Teil der Gen-Familie FOXA, die an der Entwicklung und Ausbalancierung von „Glukagon“ großen Anteil hat. Glukagon ist ein Hormon, das in der Bauchspeicheldrüse hergestellt wird und bei Bedarf Zucker- und Fettreserven knacken und in die Blutbahn schleusen kann. So wird der Körper auch in schlechten Zeiten mit wenigen Mahlzeiten gut mit Energie versorgt. Das Hormon erhöht auch die Konzentration von Insulin im Blut – eines weiteren wichtigen Hormons, dessen natürlicher Gegenspieler Glukagon ist. Je besser dieses hormonelle Zusammenspiel funktioniert, desto günstiger wirkt es sich auf den Kalorienverbrauch und damit auf die Lebensdauer aus. Denn eine asketische, kalorienreduzierte Ernährungsweise gilt erwiesenermaßen als lebensverlängernd! So fand man heraus, dass dort, wo man maßvoll isst und Fettleibigkeit ein Fremdwort ist, wie etwa auf der japanischen Insel Okinawa, im Kaukasus oder auf Sardinien, deutlich mehr Hundertjährige leben als in Ländern, in denen Fast Food und Übergewicht auf dem Vormarsch sind.
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