Francis Fitzgerald - F. Scott Fitzgerald - Zärtlich ist die Nacht

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F. Scott Fitzgerald: Zärtlich ist die Nacht: краткое содержание, описание и аннотация

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In den 20er Jahren reist die amerikanische Oberschicht gerne durch Europa, lässt mal hier mal dort für einige Zeit nieder. Zu diesen Rastlosen gehören auch der Psychiater Dick und seine Frau Nicole, die einst seine Patientin war. Nicole ist noch nicht ganz geheilt. Das wird in der Ehe spürbar. Die Vermischung der Rollen des Ehepartners und des Patienten überfordert beide. Bei ihrem Südfrankreichaufenthalt gerät die Ehe immer tiefer in die Krise.
F. Scott Fitzgerald ist der große Chronist des Jazz Age und der Goldenen Zwanziger in den USA. Mit «Zärtlich ist die Nacht» ist ihm ein Meisterwerk gelungen, das wie kein zweites die Oberflächlichkeit und Leere hinter dem vordergründig rauschhaften Lebensstil der amerikanischen Oberschicht demaskiert.
Dieses E-Book enthält eine vollständige deutsche Ausgabe des Romans «Zärtlich ist die Nacht» (Originaltitel: «Tender is the night») von F. Scott Fitzgerald.

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»Ich weiß, daß ich für lange Zeit nicht dazu taugen werde, mich mit jemand zu verheiraten«, sagte sie demütig.

Dick war zu sehr aus der Fassung gebracht, um noch etwas zu sagen. Er blickte in das Kornfeld hinaus und versuchte, seine unerbittliche Strenge wiederzuerlangen.

»Es wird alles gut gehen – alle hier glauben an Sie. Ja, Doktor Gregory ist so stolz auf Sie, daß er wahrscheinlich –«

»Ich hasse Doktor Gregory.«

»Das sollten Sie nicht tun.«

Nicoles Welt war in Scherben gegangen, aber es war nur eine dünne, kaum erst erschaffene Welt; unter ihrer Oberfläche lagen ihre Gefühle und Instinkte miteinander im Streit. War es erst eine Stunde her, daß sie am Portal auf ihn gewartet hatte, ihre Hoffnung wie ein Mieder um ihren Körper tragend?

... Kleid, bleibe gefältelt für ihn, Knopf, platz nicht ab, blühe Narzisse – Luft, bleibe still und süß.

»Es wird schön sein, wieder Freude am Leben zu haben«, tastete sie sich weiter vor. Einen Moment kam ihr der verzweifelte Gedanke, ihm zu erzählen, wie reich sie sei, was für große Häuser sie bewohne und daß sie in Wahrheit ein kostbares Besitztum darstelle – einen Augenblick lang wurde ihr Großvater in ihr lebendig, Sid Warren, der Pferdehändler. Aber sie überwand die Versuchung, alle Werte umzuwerten, und verschloß diese Dinge in ihrer viktorianischen Rumpelkammer – obwohl ihr selbst keine Heimstatt geblieben war außer Leere und Schmerz.

»Ich muß zur Klinik zurück. Es regnet nicht mehr.«

Dick ging neben ihr her, fühlte ihre Verzweiflung und hätte ihr am liebsten den Regen von den Wangen geküßt.

»Ich habe ein paar neue Platten«, sagte sie. »Ich kann es kaum erwarten, sie zu spielen. Kennen Sie –«

An jenem Abend, nach dem Essen, beabsichtigte Dick, den Bruch zu vollenden; auch wollte er Franz die Sitzfläche versohlen, weil er es zum Teil gewesen war, der ihm diese widrige Sache eingebrockt hatte. Er wartete in der Halle. Seine Blicke verfolgten eine Baskenmütze, nicht naß vom Warten im Regen wie Nicoles, sondern einen Schädel bedeckend, der unlängst operiert worden war. Darunter blickten menschliche Augen umher, fanden ihn und näherten sich.

»Bonjour, Docteur.«

»Bonjour, Monsieur.«

»II fait beau temps.«

»Oui, merveilleux.«

»Vous êtes ici maintenant?«

»Non, pour la journée seulement.«

»Ah, bon. Alors – au revoir, Monsieur.«

Froh, wieder eine Begegnung überstanden zu haben, entfernte sich der Unglückselige mit der Baskenmütze. Dick wartete. Nach kurzer Zeit kam eine Krankenschwester herunter und richtete ihm eine Botschaft aus.

»Fräulein Warren läßt sich entschuldigen, Herr Doktor. Sie will sich hinlegen und möchte heute abend oben speisen.«

Die Schwester spannte auf seine Antwort, halb und halb erwartend, er werde durchblicken lassen, daß Fräulein Warrens Verhalten pathologisch sei.

»Oh, ich verstehe. Nun –« Er schluckte ein paarmal und versuchte, seinen Herzschlag zu bändigen. »Ich wünsche gute Besserung. Danke.«

Er war ratlos und unzufrieden. Aber jedenfalls entlastete es ihn.

Er ließ ein paar Zeilen für Franz zurück als Entschuldigung, daß er nicht zum Abendessen blieb, und ging zu Fuß durch die Gegend zur Straßenbahn-Haltestelle. Als er sie erreichte, vergoldete die Frühjahrsdämmerung die Schienen und die Glasscheiben der Automaten, und es kam ihm zum Bewußtsein, daß sich Haltestelle und Hospital in der Schwebe zwischen Zentripetal- und Zentrifugalkraft befanden. Er erschrak. Er war froh, als seine Absätze wieder auf dem soliden Züricher Kopfsteinpflaster klapperten.

Er erwartete, am nächsten Tag etwas über Nicole zu hören, aber es kam nichts. Um zu erfahren, ob sie krank sei, rief er die Klinik an und sprach mit Franz.

»Sie kam gestern und heute zum Lunch herunter«, sagte Franz. »Sie schien etwas abwesend und in den Wolken. Wie verlief es?«

Dick versuchte, den alpinen Abgrund zwischen den Geschlechtern zu überbrücken.

»Wir kamen gar nicht so weit – jedenfalls hatte ich den Eindruck. Ich versuchte, mich zurückzuziehen, aber ich glaube nicht, daß genug geschehen ist, um ihre Einstellung zu ändern, wenn es überhaupt tief ging.«

Vielleicht sprach aus ihm gekränkte Eitelkeit, weil es kein Todesstoß gewesen war.

»Aus einigem, was sie zu der Schwester sagte, möchte ich entnehmen, daß sie begriffen hat.«

»Sehr schön.«

»Es war das beste, was passieren konnte. Sie scheint nicht hypererregt – nur etwas in den Wolken.«

»Na also!«

»Komm mich bald besuchen, Dick.«

VIII

In den nächsten Wochen empfand Dick eine gewaltige Unzufriedenheit. Der pathologische Ursprung und das mechanische Beenden der Angelegenheit ließen einen faden, metallischen Nachgeschmack zurück. Nicoles Gefühlen war übel mitgespielt worden – wie, wenn es sich nun herausstellen würde, daß es seine eigenen gewesen waren? Notgedrungen mußte er sich eine Zeitlang das Glück fernhalten – im Traum sah er sie auf den Klinikwegen dahinschreiten und ihren Strohhut schwingen.

Einmal sah er sie in Person; als er am Palast-Hotel vorbeiging, bog ein prächtiger Rolls Royce in die halbmondförmige Auffahrt ein. Im Vergleich zu seinen riesigen Ausmaßen klein wirkend und von hundert überflüssigen Pferdekräften gezogen, saß Nicole darin, mit einer jungen Dame, die er für ihre Schwester hielt. Nicole sah ihn, und alsbald öffneten sich ihre Lippen in einem Ausdruck des Schreckens. Dick zog seinen Hut und ging vorüber, doch war die Luft um ihn einen Augenblick erfüllt vom Geräusch all der umherschwirrenden Kobolde des Großmünsters. Er versuchte, sich die Sache von der Seele zu schreiben, in einer Denkschrift, die ausführlich das traurige Leben behandelte, das vor ihr lag, und die Möglichkeiten eines neuen Ausbruches der Krankheit unter dem Druck, den die Welt unweigerlich auf sie ausüben würde – alles in allem eine Denkschrift, die wohl jeden überzeugt hätte außer dem, der sie geschrieben hatte.

Im großen und ganzen war der Zweck dieser Bemühung, sich noch einmal darüber klarzuwerden, inwieweit er gefühlsmäßig beteiligt war; von da an sorgte er entschlossen für Gegenmittel. Eins davon war die Telefonistin aus Bar-sur-Aube, die jetzt durch Europa, von Nizza nach Koblenz, eine verzweifelte Treibjagd nach den Männern veranstaltete, die sie in ihrer unvergleichlich schönen Urlaubszeit kennengelernt hatte; ein weiteres war, daß er Anstalten traf, im August mit einem Regierungstransport nach Hause zu fahren; ein drittes die konsequente Steigerung seiner Arbeit an den Korrekturbogen für das Buch, das den Psychiatern der Deutsch sprechenden Welt im Herbst vorliegen sollte.

Dick war dem Buch längst entwachsen; nun wollte er praktische Forschungsarbeit leisten. Wenn er einen Posten als Assistent bekam, mußte ihm eine Menge Material zufallen.

Inzwischen hatte er ein neues Werk geplant: »Ein Versuch, die Neurosen und Psychosen einheitlich und pragmatisch zu klassifizieren, auf Grund der Untersuchung von fünfzehnhundert Prä-Kraepelin- und Post-Kraepelin-Fällen, wie sie in der Terminologie der verschiedenen zeitgenössischen Schulen diagnostiziert werden würden – sowie eine Chronologie solcher Meinungsabweichungen, die unabhängig entstanden sind.«

Dieser Titel würde monumental wirken.

Nach Montreux fuhr Dick langsam mit dem Rad, sah soviel wie möglich nach dem Jugenhorn aus und war von dem Glitzern des Sees geblendet, der durch die Alleen der Strandhotels hindurchschimmerte. Ihm fielen die Scharen von Engländern auf, die nach vierjähriger Pause wieder zum Vorschein gekommen waren und mit mißtrauischen Detektivblicken umhergingen, so als könnten sie in diesem verdächtigen Lande jeden Augenblick von deutschen Räuberbanden überfallen werden. Überall ein Neu-Aufbauen und Wiedererwachen in dieser Welt, die eine Sturmflut in Trümmer gelegt hatte. Auf seinem Weg nach Süden, in Bern und in Lausanne, hatte man Dick neugierig gefragt, ob wohl in diesem Jahr Amerikaner kommen würden. »Im August oder am Ende schon im Juni?«

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