„Dein Urteil war mir eigentlich immer wichtiger als seins“, sagte Vera, „aber du hast ja alles kaputt gemacht.“
Es entstand eine kleine Pause, weil ich nichts zu meiner Rechtfertigung sagen konnte oder wollte. Es hätte nichts geändert an dem, was geschehen war, und eine erneute Auseinandersetzung zu dem Thema schien mir unangebracht.
„Er meint auch, ich müsste wieder in geordneten Verhältnissen leben.“
„Und?“, fragte ich, „willst du das auch? Vielleicht heiraten?“
Vera zögerte mit ihrer Antwort und meinte, dass sie es selber nicht wisse. Dass sie zurzeit ganz schön durch den Wind sei und Zeit zum Nachdenken brauche und überhaupt.
„Aber unabhängig davon“, sagte sie, „wäre es wohl an der Zeit, über unsere Scheidung zu reden. Das hat jetzt nichts mit Hans zu tun. Ich meine …“
„Ich weiß, was du meinst“, antwortete ich. „Es wäre halt, … Klarheit in die Verhältnisse bringen.“
Für einige Sekunden entstand ein betroffenes Schweigen, diese Nachdenklichkeit, die sich in Jahren angesammelt hatte und jetzt mit wenigen Worten zu Entschlossenheit wandelte.
„Einmal“, sagte ich, fast versöhnlich der neuen Aussicht gegenüber, „hat mich dein Vater zur Seite genommen, - in der Fabrik, weißt du, als Annabel unterwegs war, - hat seinen Arm um mich gelegt, mit einer ausholenden Bewegung sein Feinkostimperium gezeigt und gesagt: Das alles wollte ich meinem Schwiegersohn eines Tages übergeben, wenn es schon meine Tochter nicht will, und deshalb hätte ich mir einen Betriebswirt oder Ähnliches für Vera gewünscht. Nimm das jetzt nicht persönlich.
Ich weiß, hab ich geantwortet, und er hat gesagt, dass ich es mir immer noch überlegen kann, mein Leben neu auszurichten, und dass es nicht viele gäbe, die solch eine Chance ausschlagen würden. Als ich ihm sagte, dass ich lieber schreiben würde, lag in seinem Blick das ganze Unverständnis, das er mir von Anfang an entgegengebracht hat. Du weißt selbst, dass er jede Gelegenheit genutzt hat, dich gegen mich aufzubringen.“
„Und du weißt genau, dass er damit keinen Einfluss auf mich hatte“, sagte Vera, „aber was soll’s, das ist alles Vergangenheit, und im Moment macht mir Mutter zu schaffen. Da tritt sowieso alles andere in den Hintergrund.“
„Natürlich“, antwortete ich, „und ich wünsche deiner Mutter und dir die Kraft, das durchzustehen.“
Mach’s gut“, sagte sie nach einer Pause, legte ihre Hand kurz auf meine und stieg aus dem Auto aus. „Wir hören voneinander.“
„Grüß deine Mutter“, sagte ich, „ich werd mir mal Zeit für sie nehmen.“
„Das wird sie sicher freuen.“
Ich sah Vera nach bis sie im Haus verschwunden war. Warum hatte ich nicht alles so kommen sehen? Oder hatte ich es gesehen und nur nichts tun können? Oder hatte ich es gesehen und nichts tun wollen oder es vielleicht sogar darauf angelegt?
Manchmal kann man schon in Unruhe über sich selbst und sein Leben geraten.
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