Orelinde Hays
R.A.O.D.
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Inhaltsverzeichnis
Titel Orelinde Hays R.A.O.D. Dieses ebook wurde erstellt bei
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Nachwort und Hinweis der Autorin
Impressum neobooks
Ich saß beim Frühstück und las in der Donnerstagsausgabe der Los Angeles Times: "Großbritanniens Nordirlandminister Sir Patrick Mayhew und Irlands Außenminister Dick Spring taten so, als sei der Frieden in der Ulster-Provinz bereits für alle Zeiten gesichert. Breit lächelnd und endlos händeschüttelnd gaben die beiden Unterhändler bekannt, dass jenes lang erwartete "Rahmendokument" nun unter Dach und Fach sei..."
Es war immer dasselbe mit den Politikern: Sie lächelten, während auf den Straßen Nordirlands der Konflikt brodelte. Die Zustimmung der nordirischen Protestanten war mehr als ungewiss und sie lehnten es weiter ab, überhaupt über die Vereinbarung zu reden.
Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass es Zeit für mich wurde: Um 09:00 Uhr hatte mein Freund Paul Egan eine Besprechung in seinem FBI-Büro angesetzt. Das passte mir eigentlich gar nicht, denn ich steckte bis über beide Ohren in Arbeit mit einem Pilotprojekt für die Fachschule, an der ich unterrichtete. Mittlerweile waren es schon sechs Jahre, in denen ich als freier Mitarbeiter der amerikanischen Regierung tätig war: Mal als technischer Berater und Sprengstoffexperte, bedingt durch meinen Beruf als Wissenschaftler in Chemie und Physik, mal als Computerfachmann. Und auch, mit dem Status eines FBI-Beraters, undercover - Seite an Seite mit Paul. Wenn ich da an manche Dinge dachte... man konnte wirklich sagen: Wir verstanden uns blind. Das blieb natürlich nicht unbemerkt und das FBI hatte mehrfach versucht, mich abzuwerben. Zugegeben, diese Einsätze ab und zu reizten mich; aber ständig, das war mir doch zu aufregend.
Paul war mein Freund aus alten Studientagen und gleichzeitig mein Chef. Ihn hatte es damals auf die juristische Laufbahn gezogen, später war er durch Zufall beim FBI gelandet. Ein Jahr älter als ich, hatte er es mit sechsunddreißig Jahren bereits zum stellvertretenden Leiter einer Sektion für besondere In- und Auslandseinsätze gebracht. Er konnte mit Recht stolz darauf sein. Durch seine Entschlossenheit und Entscheidungsfreudigkeit hatte er sich einen Namen gemacht; auch oft genug in brisanten Einsätzen Kopf und Kragen riskiert. Dann lernte er Alice kennen und ließ sich vor zwei Jahren, als sein Sohn Jerry geboren wurde, in den Innendienst versetzen. Der Kleine war ein liebes Kerlchen, bei dem ich voller Stolz Patenonkel wurde. Irgendwie waren sie meine Familie geworden, nachdem mein eigenes Privatleben durch all die Turbulenzen auf der Strecke geblieben war.
Und ich die Frau verloren hatte, die ich liebte. Sie kam vor zwei Jahren bei unserem Einsatz in Shiraz im Iran ums Leben, wo wir im Auftrag der Menschenrechtskommission eingesetzt waren. Karen hatte gerade Fotos geschossen, als wir von Soldaten der regierungstreuen Truppen entdeckt wurden, die sofort das Feuer auf uns eröffneten.
Sie wurde tödlich getroffen. Ich hielt sie fassungslos in meinen Armen und mein Verstand hatte völlig ausgesetzt in dem Moment. Als Paul mich dann aus dem Schussfeld zerrte, erwischte es ihn ebenfalls. Mit letzter Kraft und Dank der Hilfe eines französischen Journalisten konnte ich ihn gerade noch in Sicherheit bringen.
Den Blick von Alice werde ich wohl nie vergessen: Hochschwanger mit Jerry stand sie an seinem Bett, dankte mir mit tränenerstickter Stimme. In diesem Augenblick wurde mir wieder schmerzlich bewusst, wie sehr Karen mir fehlte:
Im Iran war auch in mir etwas gestorben.
Nun saß ich also mit Paul und seinen engsten Mitarbeitern an einem Tisch und wir besprachen den Auftrag, den er koordinieren sollte. Wir mussten ausgerechnet nach Irland, in die Heimat meiner Eltern.
Vor einem halben Jahr, im September 1994, war in Nordirland die Waffenruhe verkündet worden. Nun sollte es an uns liegen, den nächsten Terrorakt zu verhindern. Präsident Clinton hatte sich schon seit geraumer Zeit in die Friedensbemühungen eingeschaltet und daher wurden wir sozusagen von höchster Stelle für diesen Sonderauftrag angefordert: Das FBI hatte von irischen Kontaktleuten den Hinweis erhalten, dass ein Bombenanschlag in Dublin geplant war. Ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem dort viele internationale Begegnungen stattfinden sollten. Der nur schleppend in Gang kommende Friedensprozess würde durch einen Anschlag bedrohlich gefährdet werden.
Paul sah mich abwartend und mit ernster Miene an.
Mir war aber eigentlich sofort klar gewesen, welch hohes Risiko dieser Einsatz barg. Seit längerem ging sowohl aus amerikanischen wie auch britischen Geheimdienstberichten hervor, dass sich die IRA, nach Art der italienischen Mafia, in Betrug, Erpressung und sogar Drogenhandel zu etablieren begann. Wie aus internen Berichten des britischen MI5 zu erfahren war, befürchtete man dort, dass der radikale Flügel der Irisch Republikanischen Armee den Waffenstillstand, der von ihnen nie befürwortet worden war, mit erneuter Gewalt brechen wollte. Wir bekamen es mit knallhartem Terrorismus zu tun.
"Du musst es nicht machen!", räumte Paul ein, doch ich wies seine Bedenken zurück. "Erstens habe ich keine Familie und zweitens bin ich dort völlig unbekannt! Und jetzt lasst uns die Details besprechen."
Erst schien Paul zu zögern, doch dann nickte er und wir fuhren fort.
Ich sollte unter dem Decknamen Frank Laughlin als alter amerikanischer Bekannter von Pauls Kontaktmann Sean Flannagan eingeschleust werden. Einen Frank Laughlin gab es tatsächlich. Tätig im Waffen- und Sprengstoffhandel, mit einer Filiale in Dublin. Das FBI hatte ihn schon länger ins Visier genommen, wegen illegalen Waffenhandels. Man hatte ihm einen Deal angeboten und bediente sich nun seiner Identität. Wir hofften, so an die Drahtzieher zu gelangen und einen Anschlag verhindern zu können. Da ich auch als Sprengstoff-Experte für das FBI tätig war, stellte ich also die ideale Besetzung dar.
Wie immer bei solchen Aktionen hatte schnellstmögliches Handeln oberste Priorität und ich musste mal wieder alles stehen und liegen lassen. In solchen Momenten war ich dankbar für die verständnisvolle Führungsspitze der Schule, an der ich unterrichtete, und zum Glück hatte ich unter den Fachschülern Mitarbeiter, bei denen mein Projekt in guten Händen war. Viel Zeit, alles zu regeln, blieb mir nicht, denn der Abflug war bereits am nächsten Tag.
Um 11:00 Uhr trafen wir uns am Flughafen.
"Hey ihr Zwei, passt gut auf euch auf!", lächelte Alice tapfer und nahm Jerry wieder auf den Arm, nachdem ich ihn auch noch umarmt hatte.
"Daddy nich deht!", heulte er und streckte die Ärmchen nach seinem Vater aus. Man spürte genau, wie schwer Paul der Abschied fiel.
"Also, Kumpel", versuchte er den Kleinen zu trösten, "ich verlasse mich auf dich! Dass du mir ja gut auf die Mama aufpasst, hörst du? Du bist jetzt der Mann im Haus, okay?"
Die nächste Lautsprecherdurchsage ermahnte uns, dass es Zeit wurde.
"Letzter Aufruf des Fluges 911 nach Dublin! Die Passagiere werden gebeten, sich zum Ausgang 8 zu begeben!"
Ein letzter Kuss, ein letzter Händedruck und zehn Minuten später saßen wir in der Maschine. Den ganzen Flug über war Paul recht schweigsam.
"Hey, mein Freund, lass die Ohren nicht hängen! Du siehst sie ja bald wieder!" Vergeblich versuchte ich, ihn aufzumuntern.
Er sah mich nachdenklich an. "Jetzt lernst du das Land deiner Eltern auf andere Weise kennen, als ursprünglich vorgesehen..."
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