Jules Lux
Be Nobody
Vom Irrtum, reich und berühmt sein zu wollen
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Jules Lux Be Nobody Vom Irrtum, reich und berühmt sein zu wollen Dieses ebook wurde erstellt bei
Zum Geleit Zum Geleit Sehr verehrte Leserin, sehr geehrter Leser, Wenn Sie dieses Büchlein am Abend zur Hand nehmen, soll es Ihnen rasch Linderung verschaffen von einer Welt, die den ganzen Tag hinausposaunt, wie wichtig es ist, bedeutend zu sein, Geld zu haben, sich weiterzubilden und einen guten Job zu bekommen. Sollten Sie zu der bedauernswerten Spezies der Medienmenschen gehören, die schon am Morgen auf Papier oder Displays nach den neuesten Meldungen suchen, sei es aus den Tälern der Politik, der Unterhaltung oder des sogenannten Showbiz, möchte ich nicht versäumen, Ihnen mein aufrichtiges Beileid auszusprechen. Was kann es schlimmeres geben, als den Tag mit Politik- und Klatsch-News beginnen zu müssen – mit den immer gleichen Skandalen, Verlautbarungen, Börsennotizen und ähnlichem Unfug. Ich werde Sie gerne dabei unterstützen, sich von dieser geschäftigen Welt abzuwenden, ohne dass Taschentücher, Psychiater oder Sprünge vom Fenstersims nötig werden. Jules Lux
1 Einführung
2 Niemand schaut die Welt an
3 Lob der Kinderlosen
4 Onkel und Tanten
5 Die Körper und die Beigen
6 Moderne Tragödien
7 Spezialauftrag
8 Im Dienste der Frauen
9 Das Berufsleben
10 Was bin ich?
11 Reichtum macht sexy – wer’s glaubt
12 Der Ernst des Lebens
13 Ruhm
14 Kipplaster
15 Der Mann, der nicht weinen konnte
16 Cooles Kino
17 Sonne, Brille
18 Die Bedeutung, unbedeutend zu sein
19 Was bleibt
20 Ein neues Gedeck
Impressum neobooks
Sehr verehrte Leserin, sehr geehrter Leser,
Wenn Sie dieses Büchlein am Abend zur Hand nehmen, soll es Ihnen rasch Linderung verschaffen von einer Welt, die den ganzen Tag hinausposaunt, wie wichtig es ist, bedeutend zu sein, Geld zu haben, sich weiterzubilden und einen guten Job zu bekommen.
Sollten Sie zu der bedauernswerten Spezies der Medienmenschen gehören, die schon am Morgen auf Papier oder Displays nach den neuesten Meldungen suchen, sei es aus den Tälern der Politik, der Unterhaltung oder des sogenannten Showbiz, möchte ich nicht versäumen, Ihnen mein aufrichtiges Beileid auszusprechen. Was kann es schlimmeres geben, als den Tag mit Politik- und Klatsch-News beginnen zu müssen – mit den immer gleichen Skandalen, Verlautbarungen, Börsennotizen und ähnlichem Unfug. Ich werde Sie gerne dabei unterstützen, sich von dieser geschäftigen Welt abzuwenden, ohne dass Taschentücher, Psychiater oder Sprünge vom Fenstersims nötig werden.
Jules Lux
Am Anfang dieses kleinen Reisebuches möchte ich Sie bitten, sich etwas vorzustellen. Bitte stellen Sie sich vor, ein Niemand zu sein. Nur vorstellen! Soviel darf ich vorwegnehmen: Wenn alles klappt, werden Sie am Ende, nach der letzten Seite, ein Niemand sein wollen.
Beginnen wir mit dem Gedankenexperiment. Betten Sie sich für die folgenden Zeilen möglichst weich und schalten Sie Fernseher, Radio, Internet ab. Sollten Sie im Zug oder Flugzeug von allzu sehr mit sich selbst beschäftigten Nachbarn und überfordertem Servicepersonal eingekesselt sein, wird Ihnen die Vorstellung, ein Niemand zu sein, per se leichter fallen und Sie haben die erste Hürde schon genommen.
Stellen Sie sich nun vor, auf einem völlig fremden Bahnhof in einer Ihnen völlig fremden Stadt zu stehen. Sie müssen zu keinem Zug, haben kein Hotelzimmer gebucht, keinen Termin, keine Bekannten zum Anrufen, Nullkommanichts auf der Einkaufsliste. Sollten Sie bereits jetzt Schweißausbrüche oder einen erhöhten Puls bekommen oder die Polizei rufen wollen, bleiben Sie tapfer. Sie stehen also mitten im Gewühl, zwischen unbekannten Menschen, die alle ein Ziel oder einen Plan zu haben scheinen. Menschen, die ferngesteuert sind von Arbeitsverträgen, Terminkalendern, Einkaufslisten und Gewohnheiten. Und dagegen nun Sie – mit nichts vor sich oder hinter sich. Einfach nur im Gewühl stehend, wie von einem Flugzeug über unbekanntem Terrain abgeworfen, mit unendlich viel Zeit und einem freien Kopf. Mit sich selbst im Reinen, weil Sie an nichts denken müssen und sich dem Leben in genau dieser Stunde völlig anvertrauen.
Was nun? Schalten Sie in den Flaniermodus, ein lockeres Gehen, bei dem Sie um sich schauen und andere, Ihnen entgegenkommende Menschen ansehen können. Ziehen Sie von Ecke zu Ecke, so dass Sie ein Ziel zu haben scheinen. Und? Wie ist das?
Stellen Sie sich weiter vor, dass Sie plötzlich von einer Person angesprochen werden, die Sie nach dem Weg fragt. Sie sind verwirrt und geben irgendeine Auskunft. Denken Sie nicht zu lange nach. Sagen Sie einfach: „Geradeaus, dann links.“ Wie es Kinder machen, obwohl sie nicht die leiseste Ahnung haben.
Beim Weitergehen überlegen Sie, ob es der Person wirklich um die Auskunft ging oder ob Sie mit Ihnen ins Gespräch kommen wollte. Bleiben Sie dennoch auf keinen Fall stehen! Genießen Sie die Ungewissheit. Gehen Sie locker langsam weiter. Haben Sie den Blick der Dame oder des Herrn bemerkt, der Ihnen gerade entgegenkam?
Wenn Sie nun diese zwei kurzen Begegnungen Revue passieren lassen, vielleicht während Sie scheinbar interessiert die Auslage eines Geschäfts betrachten, fragen Sie sich bitte selbst: Wann zuletzt haben Sie als ein Niemand, als ein Mensch, der keiner Profession folgt und nicht mit Namensschild oder Visitenkarte unterwegs ist, derlei erlebt? Erkennen Sie die wundervollen Möglichkeiten, wenn man planlos durch eine fremde Stadt läuft, völlig unbekannt, ohne Termin, Handykontakt, mit einer unendlichen Zeit für Beobachtungen und spontane Begegnungen? Vielleicht wollen Sie nun aus diesem Gedankenspiel gar nicht mehr heraus. Wenn dem so ist, wollen wir schnell zum nächsten Kapitel kommen, in dem wir aus der Sicht dieses friedlichen Flaneurs die „normale“ Welt anschauen.
Übung: Stellen Sie sich eine halbe Stunde völlig teilnahmslos ins Gewühl eines Bahnhofs oder eines Flughafens und beobachten Sie die Vorbeileilenden.
2 Niemand schaut die Welt an
Als in sich ruhender Mensch werden Sie beim Betrachten Ihrer Umwelt schnell feststellen: Es herrscht Krieg. Genau vor Ihrer Nase. Jeder will wohin, weiter, mehr und schneller. Ihre Mitmenschen eilen zu Zügen, in Geschäfte, zu Terminen, als ginge es um ihr Leben. Eine Horde von Wilden bahnt sich den Weg durch die Straßen und Gebäude, durch Schnellrestaurants und Shopping-Center. Die Kontostände dieser Rennwütigen mögen hoch, mittel oder im Minus sein – es macht keinen Unterschied. Irgendjemand hat allen eingetrichtert, dass man arbeiten gehen muss, dass es Vorgesetzte gibt und feste Strukturen, dass Schlitzohrigkeit Spaß macht, Glück nur ein Augenblick ist, jeder Abstieg hochnotpeinlich, die eigene Sippschaft über allen anderen steht. So weit, so trostlos.
Das Erstaunlichste aber ist, dass jeder dieser von weitem höchst uninteressant erscheinenden Menschen bei näherer Betrachtung einzigartig sein möchte und dies irgendwie auch ist. Ein Widerspruch?
Es gibt diesen Moment in öffentlichen Verkehrsmitteln, wo sich der Gedanke von Ruhe und Frieden und besagter Unverwechselbarkeit in der Masse problemlos nachvollziehen lässt. Sie eilen in die Bahn oder den Bus und finden sich plötzlich in einem eigentümlichen Mikrokosmos wieder. In einer Art Zwischenwelt. Zwischen Zuhause, wo Sie bekannt sind, und der Arbeit, der Schule oder dem Freundeskreis, wo Sie ebenfalls einigermaßen prominent sind. Um vom einen Ort des Bekanntseins zum anderen Ort des Bekanntseins zu gelangen, müssen Sie durch die Schleuse des Unbekannten. Diese Schleuse hat durchaus eine kräftigende Wirkung. Aber ich will nicht vorgreifen. Sie sitzen oder stehen also in einer Bahn oder einem Bus. Um sie herum eine Schar von Menschen, zufällig zusammengewürfelt. Jeder von ihnen hat sich irgendwie positioniert, hergerichtet, in Szene gesetzt. Der eine schaut raus, der andere liest, der letzte ist nervös. Man tut beschäftigt oder gelangweilt, beschädigt oder topfit. Jeder scheint Relevanz zu haben, denn sonst wäre er ja nicht hier. Er muss ja schließlich wohin. Dahin, wo man angeblich auf ihn wartet, wo er einen Termin hat, wo er Bedeutung hat.
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