»Höre 'mal, Du alter Schlagmirtodt, Du thust doch zuweilen einen ganz guten Gedanken haben, und ich wundere mir nur über mir selber, daß ich ihn nicht gehabt haben thue. Aber ist es nicht dieser Fehler, so thut es ein anderer sein, den wir alle gemacht haben, und dieser möchte mir noch viel mehr Wunder nehmen als der vorige.«
»Mir ist von einem Fehler keine Spur pekannt; also sag, was wir nicht richtig gemacht hapen!«
»Ja, wir haben es nicht blos nicht richtig gemacht, sondern wir thun es sogar vollständig ganz und gar nicht gemacht haben. Sage einmal, Kaspar, wat thun wir jetzt für eine Jahreszeit haben?«
»Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, aper Deine Frage könnte mich peinahe peleidigen! Winter natürlich!«
»Schön! Und wat thut es im Winter?«
»Kalt sein.«
»Nicht richtig. Weiter!«
»Schneien.«
»Gut! Und wenn es schneien thut und es läuft Einer in dem Schnee herum, wat thut man hernachmals sehen?«
»Die Fußtapfen.«
»Na, also! Weißt Du nun, wat ich meene?«
»Jetzt weiß ich es. Aper das ist ja eine ganz verfluchtige Deiwelsgeschichte, daß wir so lange draußen herumgelaufen sind und hapen auch das Pferd gefunden, aper auf die Fußspuren sind wir noch nicht gefallen. Pruder Schwalpe, Du pist ein Esel, ich pin zwei Esel, und von den Anderen ist Jeder drei Esel!«
»Da thust Du Recht haben, von wegen die zwei Esels und drei Esels; den einen aber nimmst Du zu den zweien und dann thut es grad zwei mal drei sein. Wat meenst Du da derzu, Kaspar?«
»Pruder Schwalpe, wenn Du es nicht wärst, so schlüge ich Dir ein Loch in den Kopf, so groß, daß Du selper hineinfallen und die Peine prechen könntest. Aper da stehen wir und vergessen, den Rittern Rechenschaft zu gegen von dem, was wir pegonnen hapen. Hept den Stein wieder an seine Stelle; den Gang können wir auch schließen, denn Pruder Steckelpein wird mit seinem Volke durch das Thor kommen!«
Während die Leute seiner Weisung folgten, trat er zu dem Beichtstuhle, und das darauf folgende unterirdische Rollen bewies, daß der Mechanismus seine Schuldigkeit gethan habe. Während dessen hatte Bismarck den gebundenen Geistlichen mit Hilfe Detlevs in die Zelle getragen, in welcher die Juden eingesperrt gewesen waren, und ihn dort eingeschlossen. Als die Kriegsknechte sich entfernt hatten, nahm Detlev den Stein hinweg, ließ die Uebrigen in die Oeffnung treten und brachte, ehe er ihnen folgte, den Drücker, welcher in dem Beichtstuhle angebracht war, in Bewegung. Darnach folgte er ihnen.
Mit Hilfe der Laterne wurde ihnen die Passage durch das Gewölbe und den Gang leichter, als sie es ihnen bei vollständiger Dunkelheit gewesen wäre, und nur die Jüdin, an dergleichen Anstrengungen und Abenteuer nicht gewöhnt, hielt das schnelle Vorwärtskommen um ein Beträchtliches auf. Endlich traten sie vor die Felsenspalte; es war mittlerweile Nacht geworden, und der Mond warf ein zweifelhaftes Licht durch das wirre Gezweig auf die der wiedergewonnenen Freiheit sich freuende Gesellschaft.
»Itzig,« rief Schmuel, »das Wägelchen ist hin und mit ihm Alles, was wir haben gepackt darauf und bezahlt mit grausam vielem Gelde; aber daß ich kann wiedersehen den runden Mond, den breiten Himmel und die langen Bäume, das ist mir lieber, als daß ich verloren habe das Geld. Laß uns loben den Herrn, welcher errettet hat Noah aus der Fluth des grimmigen Wassers, und danken diesen Herren, die gedacht haben an uns in der Zeit der Noth!«
»Ja, wir wollen lobsingen und spielen einen Reigen, wie die Tochter Jephtha's, als er kam von der Schlacht, in welcher er geschlagen hatte die Feinde Israels. Und Du, mein Kind, laß hören Deine Stimme zu dem herrlichen Ritter, welcher in dem Augenblicke der Gefahr herbeigesprungen ist wie der Löwe vom Libanon und die Löwin von Hermons Bergen und hat geschlagen den Priester Astaroths auf das Haupt, daß er ist umgefallen wie ein Stein, den man stößt in den Sand!«
Diese Mahnung war überflüssig, denn schon während der Wanderung durch den Gang hatte sich das schöne Mädchen auf Detlev gestützt, und bei dem Austritte aus demselben erfaßte sie seine Hand und zog sie fest und innig an den Mund.
Dabei lehnte sie ihr dunkles Köpfchen an seine Schulter und frug mit zitternder Stimme:
»Wie kann ich Euch jemals danken, Herr! Es ist zu groß, was Ihr an uns gethan habt, als daß wir mit Worten sagen könnten, was unsere Herzen denken. Ich bin nur eine geringe Magd, aber erlaubt mir, an Euch zu denken, so oft meine Seele zurückkehrt zu den Schrecken der letzten Tage!«
»Laßt den Dank und alles Reden jetzt noch bei Seite,« meinte Bismarck. »Ihr habt ja gehört, daß es hier Späher giebt, welche uns gefährlich werden könnten. Wo habt Ihr Euer Pferd gelassen?«
»Erlaubt mir, Euch zu führen! Der Ort ist nicht gar weit von hier, und ich werde ihn wohl trotz des nächtlichen Dunkels wiederfinden. Doch nehmt das Schwert zur Hand, damit uns Niemand unbewehrt findet!«
Langsam und vorsichtig ging es vorwärts; es war ein gefährlicher Weg, denn jeden Augenblick konnte der lange Kriegsknecht, den Detlev in der Kapelle gesehen hatte, über sie herfallen. Die Nacht war zwar nicht vollständig finster, aber die Schatten täuschten, und in jedem dunklen Streifen glaubte der junge Mann einen der herbeieilenden Feinde zu erkennen. Er überlegte, wie der gefürchteten Ueberraschung vorzubeugen sei, und erinnerte sich der Art und Weise, wie der listige Schwalbe das Pferd gefunden hatte. Er blieb stehen, legte die Hand an den Mund und ließ ein täuschend ähnliches Wiehern erschallen. Die stille Nachtluft trug es weit durch den Wald und brachte bald auch die darauf erfolgte Antwort zurück. Mit vermehrter Vorsicht wurde der Weg fortgesetzt, Detlev immer voran, dann Bismarck und in einiger Entfernung die Anderen hinterher. Nach einiger Zeit wurde das Wiehern wiederholt, die Antwort ertönte aus fast unmittelbarer Nähe, und bald darauf löste sich eine dunkle Gestalt vom Schatten der Bäume und trat, gefolgt von einer kleinen Anzahl Männer, auf Detlev zu.
»So, also! Da bist Du ja wieder. Konntest wohl den Weg nicht finden, Kaspar? Was haben die Ritter gesagt?«
»Wirst es gleich hören und fühlen!« rief der Angeredete und sprang in der Absicht, ihm das Schwert zu entreißen, auf ihn zu. Leider aber blieb sein Fuß an der Wurzel eines Baumes hängen, und ehe er das verlorene Gleichgewicht wieder erlangen konnte, hatte Balthasar die Waffe aus der Scheide gerissen und drang auf ihn ein.
»D'rauf, ihr Leute!« rief er; »er ist es, den wir suchen. So, also, nur immer wacker!« Aber schon stand Bismarck vor ihm, und die Klingen Beider kreuzten sich zum lebensgefährlichen Waffentanze.
Fast hätte man meinen sollen, der skelethagere Knecht sei dem Ritter überlegen; er führte sein Schwert gleich einem Satan und machte Herrn Henning gar viel zu schaffen. Wer weiß, welches Ende der Kampf genommen hätte, wenn nicht Detlev noch zur rechten Zeit an die Seite seines hart bedrängten Gefährten getreten wäre. Es war ihm gelungen, einem der Knechte den Flamberg zu entwinden, und so bewaffnet, hatte er sie nach wenig Augenblicken in die Flucht geschlagen. Nun wandte er sich gegen Balthasar, dieser that das Seinige, dem doppelten Angriffe kraftvoll zu widerstehen; als er aber bemerkte, daß dies unmöglich sei, und zudem wahrnahm, daß sich die Seinen aus dem Staube gemacht hatten, holte er zum letzten wuchtigen Hiebe aus und rief:
»Fort, alle miteinander? So, also, da stelle ich mich auch nicht allein her und lasse mir das Leder gerben!«
Der Hieb wurde geschickt parirt, und mit zwei Schritten seiner langen Beine war er verschwunden. Detlev versuchte, ihn einzuholen, mußte aber die Fruchtlosigkeit dieses Beginnens einsehen und kehrte daher zu den Anderen zurück.
Bald war das Pferd gefunden; es befand sich noch an demselben Platze, wo sein Herr es angebunden hatte, und schnaubte demselben freudig entgegen. Nach kurzer Berathung ward beschlossen, das Mädchen auf das Thier zu heben und zu Fuße den Weg zum nächsten Orte einzuschlagen, um sich dort wieder beritten zu machen.
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