Neugierig öffnete sie einen der Schränke. Darin hing Ryans Kleidung, die er oft bei Geschäftstreffen trug. Oder wenn er sich mit seiner Sekretärin traf. Ok, sie war also tatsächlich in seinem Haus. Aber war sie auch in seinem Schlafzimmer? Falls ja, warum? Und wo war Ryan? Hoffend, dass sie auf den Rest ihrer Kleidung und ihre Handtasche stieß, schaute sie in den anderen Schränken und Kommoden nach. Leider erfolglos. Grübelnd ging sie ans Fenster und starrte hinaus. Irgendetwas war nicht so, wie sie es erwartet hatte. Sie konnte nur nicht sagen, was es war. Abgesehen davon, dass sie nicht hier sein wollte.
Mürrisch und mit zusammengeballten Händen lief sie zurück zum Bett, legte den Ring auf den Nachttisch und setzte sich. Vielleicht sollte sie sich einfach wieder hinlegen, die Decke über den Kopf ziehen und hoffen, dass sie aus diesem Alptraum wieder aufwachte. Resigniert schaute sie nach oben und runzelte fasziniert die Stirn. In dem dunklen Holz des Betthimmels, der nur von außen mit Stoff verkleidet war, funkelten winzige Kristalle wie Sterne. Vor Staunen klappte Regina ihren Mund weit auf und ließ sich für einen Moment verzaubern. War das hier wirklich Ryans Haus? Er hatte sich in ihrer Gegenwart nie sehr romantisch gezeigt, aber in diesem Zimmer deutete alles darauf hin. Nein, irgendetwas lief hier grundlegend falsch. „Nicht irgendetwas!“, korrigierte sie sich murmelnd, „ Ich bin hier falsch. Ich habe hier nichts verloren. Ich müsste bei mir daheim sein und mein Buch weiter schreiben. Glücklicher Single und definitiv ohne diesen – wenn auch sehr schönen – Ring.“ Fluchend ließ sie sich nach hinten fallen, zog den Bettbezug über ihren Kopf und kniff die Augen zusammen. Nochmals einzuschlafen war unmöglich. Vorsichtig lugte sie unter der Decke mit einem Auge hervor. Nichts. Es hatte sich absolut nichts geändert. „Wach endlich auf!“, schrie sie sich selbst an, setzte sich auf und gab sich eine Ohrfeige. „Autsch.“. Jammernd hielt sie sich die Hand vor den Mund. Sie war wach. Definitiv. Das hier war kein Traum, sondern Realität. Wenn auch eine abartig verdrehte, die eigentlich einer Fantasie entsprungen sein musste. Wie verrückt war Ryan, dass er sie gegen ihren Willen zurückgebracht und ihr sogar den Ring wieder an den Finger gesteckt hatte?
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Draußen wurde es bereits wieder dunkel, als sie endlich Schritte von draußen hörte. Kamen die Schritte näher oder entfernten sie sich? Zitternd saß sie auf dem Bett und atmete angestrengt. Ihre Beine hatte sie bis unters Kinn gezogen und mit den Armen umschlungen. In ihren Augen loderte eine Kampflust, die sie nur selten befiel.
Ein Schlüssel wurde umgedreht.
Wie in Zeitlupe sah sie, dass die Klinke heruntergedrückt wurde und die Tür geöffnet. Herein trat Ryan; schön und andächtig wie ein zeitloses Gemälde. Seine Haare lagen offen über den breiten Schultern. Sein weißes Shirt steckte in schwarzen Hosen, was seinen muskulösen, flachen Bauch zum Anbeißen erscheinen ließ. Über sein Gesicht glitt ein unmerkliches Lächeln. „Na, gut geschlafen?“, fragte er mit samtweicher Stimme und kam auf sie zu. „Du Blödmann!“, fauchte sie ihn an. „Kannst du mir mal erklären, was das soll?“ Sie traute sich keinen Millimeter zu rühren, da sonst ihre Bettdecke verrutschen und den Blick auf ihre nackten Schenkel freigeben würde. Sein Blick fiel auf den Nachttisch, auf dem ihr Ring lag. Seine grünen Augen verdunkelten sich. „Warum trägst du ihn nicht?“, fragte er in einem seltsam warnenden Ton. „Weil er mir nicht gehört.“, zischte sie. „Doch, das tut er. Wir sind verlobt oder hast du das vergessen, meine Liebe?“ Ohne die Augen von ihr abzuwenden, setzte er sich auf den Rand des Bettes, was Regina dazu veranlasste, von ihm wegzurutschen. Immer noch darauf bedacht, dass ihre Beine nicht zu sehen waren. „Du scheinst etwas durcheinanderzubringen. Wir waren verlobt. Wir sind es nicht mehr. Gib mir meine Sachen, damit ich nach Hause kann.“ Sie sagte es ruhig, ohne ein Zittern in der Stimme, worüber sie selbst sehr erstaunt war. „Du gehörst mir!“ Regina meinte, ein Knurren zu hören. „Du spinnst doch! In welchem Jahrhundert lebst du eigentlich? Du hast kein Besitzrecht an mir. Das, was du hier tust, ist Kidnapping.“ Ihre Augen funkelten zornig. Ryan schien das zu amüsieren. „Regina, Regina.“, tadelte er sie kopfschüttelnd, „Wir sind verlobt und daran kannst du nichts ändern.“
„Und ob ich das kann. Schon mal was von freiem Willen gehört?“ Ryan warf seinen Kopf in den Nacken und lachte schallend. „Habe ich. Aber auf dich trifft das nicht zu.“, meinte er nur wenige Sekunden später mit einem durchdringenden, herben Gesichtsausdruck. „Oh, da irrst du dich aber gewaltig. Du kannst mich nicht zwingen dich zu heiraten.“, entgegnete sie giftig. „Um was wollen wir wetten, Regina?“ Sein Schmunzeln ärgerte sie. Sie konterte mit einem direkten Seitenhieb, indem sie ihm geradewegs ins Gesicht sagte, dass sie nur mit Freunden wettete. „Und jetzt gib mir gefälligst meine Hosen! Ich kann schließlich nicht ewig halb nackt rumsitzen.“ Sie war gereizt und ganz, ganz kurz davor Amok zu laufen. Was bildete dieser Schnösel sich ein? Nonchalant lächelnd schüttelte er langsam den Kopf. „Was soll das heißen? Dass du mir zustimmst?“, fragte sie stirnrunzelnd. Seine schmalen, hinreißenden Lippen entblößten seine perfekten, weißen Zähne. „Das heißt, dass es mir egal ist.“ Im selben Moment schob er sich näher an sie heran. Regina lief vor Empörung knallrot an. „Du bist doch verrückt!“, brüllte sie und trommelte mit ihren kleinen Fäusten auf seine stahlharte Brust. „Treib es nicht zu weit.“ Blitzschnell umfasste er ihre Handgelenke. Regina verzog schmerzlich das Gesicht. „Dann lass mich gehen.“, wimmerte sie und versuchte, sich aus seinem eisernen Griff zu befreien. „Ich kann dir einen Scheck ausstellen. Das ist doch, was du willst. Aber lass mich gehen.“ Ihr war schrecklich bewusst, wie fest seine großen Hände ihre Gelenke umschlangen. Eine eigenartige Hitze breitete sich in ihrem Körper aus, die ihre Gegenwehr merklich schwächte.
Unbewusst leckte sie sich über die trockenen Lippen, was seinen Blick intensiv brennend auf ihr ruhen ließ. „Hm… dein Geld war anfänglich ein großer Reiz. Das muss ich zugeben. Aber die Dinge haben sich geändert. Das hab ich dir gestern Abend schon gesagt.“ Sein Gesicht näherte sich ihrem viel zu sehr. Unwillkürlich neigte sie sich nach hinten. „Schau dich um, Regina! Meinst du wirklich, ich habe dein Geld nötig?“ Wollte er sie in Sicherheit wiegen? Das alles ergab – irgendwie – keinen Sinn. „Schön und gut. Mein Geld ist es nicht, behauptest du. Wozu brauchst du mich dann?“ Fragend zog sie eine Augenbraue nach oben. „Ich zeige es dir.“, hauchte er ihr ins Ohr, was ihr verdeutlichte, dass sich der Abstand zu ihm schon wieder verringert hatte. Mit den Lippen fuhr er über ihre Halsbeuge. Sie erschauerte. Oh nein, nicht mit mir! , brüllte sie innerlich und zog ihr Knie so heftig nach oben, dass es gegen seine Brust donnerte und ihn ins Taumeln brachte.
Erschrocken ließ er ihre Arme los. Sie nutzte diese sich ihr bietende Gelegenheit und stemmte ihn mit aller Kraft von sich weg. „Komm mir bloß nicht zu nah, du… du… Arschloch!“ Zu schade, dass sie ihm keinen Zahn ausgehauen hatte. Für einen winzig kleinen Moment konnte sie ein Staunen in seinen Augen erkennen, was aber sofort wieder von einem eisigen Ausdruck abgelöst wurde. „Du kleines, verzogenes Miststück.“, knurrte er. Regina war darauf gefasst, dass sie ihm völlig unterlegen war und erwartete das Schlimmste. Doch es passierte nichts. Er zog sich zurück und ließ sie verwirrt im Bett hocken. Benommen hörte sie, wie der Schlüssel von außen umgedreht wurde.
Sie saß in der Falle.
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