Inhaltsverzeichnis
Berenice
Bon-Bon
Das Faß Amontillado
Das Geheimnis der Marie Rogêt
Vorbemerkung
Das Geheimnis der Marie Rogêt
Das Manuskript in der Flasche
Das ovale Porträt
Das schwatzende Herz
Das Stelldichein
Das System des Dr. Teer und Prof. Feder
Das unvergleichliche Abenteuer eines gewissen Hans Pfaall
Der Doppelmord in der Rue Morgue
Der Duc de l'Omelette
Der entwendete Brief
Der Goldkäfer
Der Herrschaftssitz Arnheim
Der Mann der Menge
Der Teufel der Verkehrtheit
Der Teufel im Glockenstuhl
Der Untergang des Hauses Usher
Die denkwürdigen Erlebnisse des Artur Gordon Pym
Vorwort des Erzählers
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebentes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Dreizehntes Kapitel
Vierzehntes Kapitel
Fünfzehntes Kapitel
Sechzehntes Kapitel
Siebzehntes Kapitel
Achtzehntes Kapitel
Neunzehntes Kapitel
Zwanzigstes Kapitel
Einundzwanzigstes Kapitel
Zweiundzwanzigstes Kapitel
Dreiundzwanzigstes Kapitel
Vierundzwanzigstes Kapitel
Fünfundzwanzigstes Kapitel
Nachwort
Die Insel der Fee
Die längliche Kiste
Die Maske des roten Todes
Die schwarze Katze
Die Sphinx
Die Tatsachen im Falle Waldemar
Du bist der Mann
Eine Erzählung aus den Ragged Mountains
Eine Geschichte aus Jerusalem
Eleonora
Gedichte
An Annie
An Helene
Die Stadt im Meer
An F ... S.
An den Fluss
Ein Traum
Romanze
An M. L. S.
Annabel Lee
Der Rabe
An Zante
Traumland
Schweigen
An –
Annabel Lee
Eulalie
Sonett an die Wissenschaft
An meine Mutter
An Marie Louise Shew
An Frances S. Osgood
Das Kolosseum
Hymne
Lied
An meine Mutter
Das ruhlose Tal
Die Glocken
Die Schläferin
An Helene
Israfel
Der Eroberer Wurm
Ein Traum im Traume
Ulalume
Märchenland
An eine im Paradiese
Der See
An ...
Das Verwunschene Schloss
Hinab in den Maelström
Hopp-Frosch
König Pest
Landors Landhaus
Lebendig begraben
Ligeia
Metzengerstein
Morella
Schatten (Eine Parabel)
Schweigen (Eine Parabel)
Seltsame Geschichten
Der Goldkäfer
Eine Geschichte aus dem Felsengebirge
Der schwarze Kater
Das Faß Amontilladowein
Die Maske des roten Todes
Die Rache des Zwerges
Der alte Mann mit dem Geierauge
Die Mordtat in der Rue Morgue
Der gestohlene Brief
Bericht über den Fall Valdemar
Der Untergang des Hauses Usher
Metzengerstein
In der Tiefe des Maelstroms
William Wilson
Ligeia
Vier Tiere in einem – Der Homo-Kamelopard
Wassergrube und Pendel
William Wilson
Fußnoten
Berenice
Dicebant mihi sodales,
si sepulcrum amicae visitarem, curas meas
aliquantulum fore levatas.
Ebn Zaiat
Mannigfach sind Trübsal und Not. Unglück und Gram sind vielgestaltig auf Erden. Gleich dem Regenbogen spannt sich das Unglück von Horizont zu Horizont, und gleich den Farben des Regenbogens sind seine Farben vielfältig und scharf abgegrenzt und dennoch innig miteinander verwoben. Wie kommt es, daß Schönheit mir zum Kummer wurde, daß selbst aus Friedsamkeit ich nur Gram zu schöpfen wußte? Doch wie die Ethik lehrt, daß das Böse eine Konsequenz des Guten sei, so lehrt uns das Leben, daß die Freude die Trauer gebiert. Entweder ist die Erinnerung vergangener Seligkeit die Pein unseres gegenwärtigen Seins, oder die Qualen, die sind, haben ihren Ursprung in den Wonnen, die gewesen sein könnten.
Mein Taufname ist Egäus, meinen Familiennamen will ich verschweigen. Doch gibt es keine Burg im Lande, die stolzer und ehrwürdiger wäre als mein Geburtshaus mit seinen düstern grauen Hallen. Man hat unser Geschlecht ein Geschlecht von Hellsehern genannt. Und dieser Glaube wurde bestärkt durch allerlei Sonderlichkeiten im Baustil des Herrenhauses, in den Fresken des Hauptsaales, in den Wandteppichen der Schlafgemächer, in den Ornamenten einiger Gewölbepfeiler der Waffenhalle, besonders aber in der Galerie alter Gemälde, in Form und Ausstattung des Bibliothekzimmers und schließlich auch in seinen äußerst seltsamen Bücherschätzen selbst.
Die Erinnerung an meine frühesten Lebensjahre ist mit jenem Zimmer und seinen Büchern, von denen ich nichts Näheres mehr sagen will, innig verknüpft. Hier starb meine Mutter. Hier wurde ich geboren. Doch es ist überflüssig, zu sagen, daß ich schon früher gelebt, daß meine Seele schon ein früheres Dasein gehabt hatte. Ihr leugnet es? Nun, wir wollen nicht streiten. Selbst überzeugt, suche ich nicht zu überzeugen. Jedoch – ich habe ein Erinnern an luftzarte Gestalten, an geisterhafte, bedeutsame Augen, an harmonische, doch trauervolle Laute; ein Erinnern, das sich nicht bannen laßt, ein Erinnern, das einem Schatten gleich sich nicht von meiner Vernunft loslösen läßt, solange ihr Sonnenlicht bestehen wird.
In jenem Zimmer also wurde ich geboren. Da ich solcherweise, aus der langen Nacht des scheinbaren Nichts erwachend, in ein wahres Märchenland eintrat, in einen Palast von Vorstellungen und Träumen, in die wunderlichen Reiche klösterlich einsamen Denkens und Wissens, so ist es nicht erstaunlich, daß ich mit überraschten, brennenden Blicken in diese Welt starrte, daß ich meine Knabenjahre im Durchstöbern von Büchern vergeudete, meine Jünglingszeit in Träumen verschwendete. Erstaunlich aber ist es, welch ein Stillstand über die sprudelnden Quellen meines Lebens kam, als die Jahre dahingingen und auch mein Mannesalter mich noch im Stammhaus meiner Väter sah, erstaunlich, welch vollständige Umwandlung mit meinem Wesen, mit meinem ganzen Denken vor sich ging. Die Realitäten des Lebens erschienen mir wie Visionen und immer nur wie Visionen, während die wunderlichen Ideen aus Traumlanden nicht nur meinem täglichen Leben Inhalt gaben, sondern ganz und gar zu meinem täglichen Leben selber wurden.
Berenice war meine Kusine, und wir wuchsen zusammen in den Hallen meiner Väter auf. Doch wir entwickelten uns sehr verschieden: ich schwächlich von Gesundheit und dem Trübsal verfallen, sie ausgelassen, anmutig und von übersprudelnder Lebenskraft; ihrer warteten die spielenden Freuden draußen in freier Natur, meiner die ernsten Studien in klösterlicher Einsamkeit. Ich lauschte und lebte nur meinem eignen Herzen und ergab mich mit Leib und Seele dem angestrengtesten und qualvollsten Nachdenken; sie schlenderte sorglos durchs Leben und achtete nicht der Schatten, die auf ihren Weg fielen, und nicht der rabenschwarzen Schwingen, mit denen die Stunden schweigend entflohen. Berenice! Ich beschwöre ihren Namen herauf – und aus den grauen Trümmern des Gedenkens erheben sich jäh tausend ungestüme Erinnerungen! Ah, leibhaftig steht ihr Bild jetzt vor mir, so wie in jungen Tagen ihrer Leichtherzigkeit und ihres Frohsinns! O wundervolle, himmlische Schönheit! O Sylphe, die durch die Gebüsche Arnheims schwebte! O Najade, die seine Quellen und Bäche belebte! Und dann, dann wird alles grauenvolles Geheimnis, wird zu seltsamer Spukgeschichte, die verschwiegen werden sollte. Krankheit, verhängnisvolle Krankheit befiel ihren Körper; plötzlich – vor meinen Augen fast – brach die Zerstörung über sie herein, durchdrang ihren Geist, ihr Gebaren, ihren Charakter und vernichtete mit schrecklicher, unheimlicher Gründlichkeit ihr ganzes Wesen, ihre ganze Persönlichkeit! Weh! Der Zerstörer kam und ging! Und das Opfer – wo blieb es? Ich kannte es nicht mehr – erkannte es nicht mehr als Berenice!
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