Ruta bei Genua,
im Herbst 1886
Scherz, List und Rache
Vorspiel in deutschen Reimen
Einladung
Wagt's mit meiner Kost, ihr Esser!
Morgen schmeckt sie euch schon besser
Und schon übermorgen gut!
Wollt ihr dann noch mehr, – so machen
Meine alten sieben Sachen
Mir zu sieben neuen Mut.
Seit ich des Suchens müde ward,
Erlernte ich das Finden.
Seit mir ein Wind hielt Widerpart,
Segl' ich mit allen Winden.
Wo du stehst, grabtief hinein!
Drunten ist die Quelle!
Laß die dunklen Männer schrein:
»Stets ist drunten – Hölle!«
War ich krank? Bin ich genesen?
Und wer ist mein Arzt gewesen?
Wie vergass ich alles Das!
Jetzt erst glaub ich dich genesen:
Denn gesund ist, wer vergass.
Unseren Tugenden auch soll'n leicht die Füsse sich heben:
Gleich den Versen Homer's müssen sie kommen und gehn!
Bleib nicht auf ebnem Feld!
Steig nicht zu hoch hinaus!
Am schönsten sieht die Welt
Von halber Höhe aus.
Es lockt dich meine Art und Sprach,
Du folgest mir, du gehst mir nach?
Geh nur dir selber treulich nach: –
So folgst du mir – gemach! gemach!
Schon krümmt und bricht sich mir die Haut,
Schon giert mit neuem Drange,
So viel sie Erde schon verdaut,
Nach Erd' in mir die Schlange.
Schon kriech' ich zwischen Stein und Gras
Hungrig auf krummer Fährte,
Zu essen Das, was stets ich ass,
Dich, Schlangenkost, dich, Erde!
Ja! Mein Glück – es will beglücken –,
Alles Glück will ja beglücken!
Wollt ihr meine Rosen pflücken?
Müsst euch bücken und verstecken
Zwischen Fels und Dornenhecken,
Oft die Fingerchen euch lecken!
Denn mein Glück – es liebt das Necken!
Denn mein Glück – es liebt die Tücken! –
Wollt ihr meine Rosen pflücken?
Vieles lass ich fall'n und rollen,
Und ihr nennt mich drum Verächter.
Wer da trinkt aus allzuvollen
Bechern, lässt viel fall'n und rollen –,
Denkt vom Weine drum nicht schlechter.
Scharf und milde, grob und fein,
Vertraut und seltsam, schmutzig und rein,
Der Narren und Weisen Stelldichein:
Dies Alles bin ich, will ich sein,
Taube zugleich, Schlange und Schwein!
Willst du nicht Aug' und Sinn ermatten,
Lauf' auch der Sonne nach im Schatten!
Glattes Eis
Ein Paradeis
Für Den, der gut zu tanzen weiss.
Lieber aus ganzem Holz eine Feindschaft,
Als eine geleimte Freundschaft!
Auch Rost tut not: Scharfsein ist nicht genung!
Sonst sagt man stets von dir: »er ist zu jung!«
»Wie komm ich am besten den Berg hinan?« –
Steig nur hinauf und denk nicht dran!
Spruch des Gewaltmenschen
Bitte nie! Lass dies Gewimmer!
Nimm, ich bitte dich, nimm immer!
Schmale Seelen sind mir verhasst;
Da steht nichts Gutes, nichts Böses fast.
Der unfreiwillige Verführer
Er schloss ein leeres Wort zum Zeitvertreib
In's Blaue – und doch fiel darob ein Weib.
Zwiefacher Schmerz ist leichter zu tragen,
Als Ein Schmerz: willst du darauf es wagen?
Blas dich nicht auf: sonst bringet dich
Zum Platzen schon ein kleiner Stich.
»Raub dir das Weib, für das dein Herze fühlt!« –
So denkt der Mann; das Weib raubt nicht, es stiehlt.
Leg ich mich aus, so leg ich mich hinein:
Ich kann nicht selbst mein Interprete sein.
Doch wer nur steigt auf seiner eignen Bahn,
Trägt auch mein Bild zu hellerm Licht hinan.
Du klagst, dass Nichts dir schmackhaft sei?
Noch immer, Freund, die alten Mucken?
Ich hör dich lästern, lärmen, spucken –
Geduld und Herz bricht mir dabei.
Folg mir, mein Freund! Entschliess dich frei,
Ein fettes Krötchen zu verschlucken,
Geschwind und ohne hinzugucken! –
Das hilft dir von der Dyspepsei!
Ich kenne mancher Menschen Sinn
Und weiss nicht, wer ich selber bin!
Mein Auge ist mir viel zu nah –
Ich bin nicht, was ich seh und sah.
Ich wollte mir schon besser nützen,
Könnt' ich mir selber ferner sitzen.
Zwar nicht so ferne wie mein Feind!
Zu fern sitzt schon der nächste Freund –
Doch zwischen dem und mir die Mitte!
Erratet ihr, um was ich bitte?
Ich muß weg über hundert Stufen,
Ich muß empor und hör euch rufen:
»Hart bist du! sind wir denn von Stein?« –
Ich muß weg über hundert Stufen,
Und niemand möchte Stufe sein.
»Kein Pfad mehr! Abgrund rings und Totenstille!« –
So wolltest du's! Vom Pfade wich dein Wille!
Nun, Wandrer, gilt's! Nun blicke kalt und klar!
Verloren bist du, glaubst du – an Gefahr.
Seht das Kind umgrunzt von Schweinen,
Hülflos, mit verkrümmten Zeh'n!
Weinen kann es, Nichts als weinen –
Lernt es jemals stehn und gehn?
Unverzagt! Bald, solle ich meinen,
Könnt das Kind ihr tanzen sehn!
Steht es erst auf beiden Beinen,
Wird's auch auf dem Kopfe stehn.
Rollt' ich mich rundes Rollefass
Nicht um mich selbst ohn' Unterlass,
Wie hielt' ich's aus, ohne anzubrennen,
Der heissen Sonne nachzurennen?
Nah hab den Nächsten ich nicht gerne:
Fort mit ihm in die Höh und Ferne!
Wie würd' er sonst zu meinem Sterne? –
Dass dein Glück uns nicht bedrücke,
Legst du um dich Teufelstücke,
Teufelswitz und Teufelskleid.
Doch umsonst' Aus deinem Blicke
Blickt hervor die Heiligkeit!
Er steht und horcht: was konnt ihn irren?
Was hört er vor den Ohren schwirren?
Was war's, das ihn darniederschlug?
Wie jeder, der einst Ketten trug,
Hört überall er – Kettenklirren.
Verhasst ist mir das Folgen und das Führen.
Gehorchen? Nein! Und aber nein – Regieren!
Wer sich nicht schrecklich ist, macht Niemand Schrecken:
Und nur wer Schrecken macht, kann Andre führen.
Verhasst ist mir's schon, selber mich zu führen!
Ich liebe es, gleich Wald- und Meerestieren,
Mich für ein gutes Weilchen zu verlieren,
In holder Irrniss grüblerisch zu hocken,
Von ferne her mich endlich heimzulocken,
Mich selber zu mir selber – zu verführen.
Das schreibt und schreibt sein unausstehlich weises Larifari,
Читать дальше