Ein Rappe, schon schweißnass am Hals, galoppiert herein. Meine Nachbarin, eine Dame in den besten Jahren, die ihre schwellenden Formen in ein feuerrotes T-Shirt gepresst hat, und Besitzerin eines braven Wallachs, fragt interessiert: „Was hat der denn da Weißes am Hals?“ Ich erkläre, dass es Schweiß sei, vom Abreiten. „Und der ist so weiß?“
Weitere Fragen, warum an der Trense eine Stange sei, oder weshalb er denn jetzt rückwärts gehe und nicht mehr wolle, bleiben von mir unbeantwortet, da ich – auch durch das schöne Bild – sprachlos bin.
Nun wird ein bezaubernd schöner Fuchs von einer jungen Frau vorgestellt. Er geht im Schritt an uns vorbei, ich rufe „Ach, ein Hengst, was für ein Kerl!“ Eine Weile tiefes Schweigen auf den Bänken, bis meine Nachbarin sich zu mir herüber beugt:
„Ich muss Sie doch mal fragen, woran sehen Sie das denn?“
Von meiner Seite nun leise Erklärungen über das Legen eines Hengstes, wie es vorher aussieht – und danach. Darauf erstaunter Ausruf von ihr: „Da habe ich nie einen Unterschied gesehen!“
Eine männliche Stimme hinter uns: „Sie Arme!“
M. C.
Der Milchmolch und der Kellerkiller
sitzen still auf einem Ast.
Da sagt der Milchmolch zu dem Kellerkiller:
Sei doch – bitte – etwas – stiller.
Darauf der Kellerkiller zu dem Milchmolch spricht:
– – –
Wir hörn es nicht.
Frühling lässt sein heißes Blut
wieder brodeln in den Lenden;
süße, wohlvertraute Säfte
strömen aus des Schoßes Glut.
Weibchen beben schon,
wollen heftig kommen.
– Horch: von tief ein lautes Lustgestöhn!
Frühling, ja du bist’s!
Du machst mich benommen.
Nach Er ist’s von Eduard Mörike
Deutschland, Deutschland, über alles,
über alles klagst du laut,
wenn sich Dunkel und Besorgnis
zu Gefahr zusammenbraut.
Ohne Maß und ohne Grenze
dir vor jeder Tiefe graut,
Deutschland, Deutschland, über alles,
über alles klagst du laut.
Deine Güter, deine Kräfte
nutzt du nur zu Wehgeschrei,
keine Weitsicht, keine Taten,
mutlos sehnst du Trost herbei. –
Oder ist es doch nur Täuschung,
Übertreibung, Heuchelei,
deine Nöte, deine Sorgen
relatives Wehgeschrei?
Wohlstand, Reichtum, Geld und Freizeit,
Deutschland einig Jammerland!
Stöhnend lasst uns alle klagen
an der Luxusinseln Strand.
Armut, Mangel, Not und Kummer
hast du lang nicht mehr gekannt.
Schlaf im Banne deines Unglücks,
schlafe deutsches Dämmerland!
Nach A. H. Hoffmann von Fallersleben
Gräsergewirr.
Wie – das – riecht!
Eine Ameise schwankt
einen Halm hinauf – und macht kehrt.
Der Wind trödelt im Blumenbeet,
die Sonne grinst – und schwitzt.
Junigeflirr.
Endlich bin ich neun, liege,
das Kinn auf der Faust,
platt auf dem Bauch
auf der Wiese.
Vor mir Gräsergrün,
über mir unser Apfelbaum.
Lichtgeriesel.
Neben mir, zugeklappt, Robinson Crusoe.
Kein Vogel singt.
Stille – – –
Eine Hummel brummt müde heran –
und weg!
Wieder ... Stille.
Heu – das ganze Dorf riecht nach Heu!
Der Max von nebenan
ruft nach seiner Schwester –
keine Antwort.
Bruthitze brüllt.
Ich drehe mich auf den Rücken.
Oben zwischen den Blättern: blau.
Grün, blau, grün – blau.
Die Halme
pieksen im Nacken.
Kein Wolke zu sehen.
Die Luft schläft
und schmeckt nach heißem Stein.
Im Garten tobt der Sommer.
Die Uhr vom Kirchturm schlägt Zwei.
Oder Drei.
Von fern ... eine Taube.
Guguuh gu. Guguuh gu.
Wieder Stille.
Da!
Jetzt kreischen sie wieder,
die Mauersegler,
wie jeden Sommer.
So ein Jubel!
Sommergeschrei.
Ich schließe die Augen,
Licht – überall Licht!
Hell ... und heiß
... und hitzig.
Lichtgeflimmer.
Wie – das – leuchtet!
Nach Unvergessbare Sommersüße von Arno Holz
Die Osterglocken rufen
mahnend und laut.
Vorwurfsvoll?
Die Menschen strömen.
Buntes Gewimmel,
Rufen, Geschrei.
Ob es sonst
auch so voll ist?
Heiter der Pastor,
festliches Rot
Ist er den Eltern
katholisch genug?
Weihwasser, geschleudert.
Weihrauch, geschüttelt.
Kichern und Schnuppern.
Opium für’s Volk?
Trockene Hostien,
heilig und weiß.
Den Wein gibt’s nur
für den Pastor, warum?
Die Kleinen und Großen
singen und schweigen,
munter und scheu.
Der Segen. – Amen.
Kinder Gottes.
Vater unser?
Gottes Dienst.
Wer dient hier wem?
Wie hat’s dir gefallen,
Kind?
Nicht gut, es waren
so viele Leute da.
Ich habe immer alle Katzen verscheucht. Nicht, dass ich Katzen nicht mag. Nein, es ging mir um Caesar. Caesar war etwas in die Jahre gekommen.
Der alte Schnatterkopf hatte den qualvollen Tod seiner Lebenspartnerin vor ein paar Jahren erstaunlich gut verkraftet. Sie hatten sich sehr geliebt, saßen oft stundenlang nebeneinander auf der Stange und erzählten sich was. Mal kraulte er zärtlich ihren Nacken, mal tauschten sie innige, teilweise heftige Zungenküsse aus. Aber es hatte auch deutliche Dispute gegeben. Wenn sie seine Zärtlichkeiten satt hatte, konnte es schon passieren, dass sie sich gelangweilt abwandte, und er dann kreischend zu zetern anfing. Sie hatte sich davon fast immer völlig unbeeindruckt gezeigt und war mit geschlossenen Augen ihren Gedanken nachgegangen. Nur ganz selten hatte sie nach ihm gehackt, so dass sein Schimpfen für kurze Zeit erstaunt verstummt war.
«»
„Du kommst ja jetzt öfter“, begrüße ich sie. Ich beschließe, sie Rosana zu nennen. Ihr Fell ist fahl-beige mit ein paar weißlichen Flecken, und sie hat eine rosa Nase. Etwas scheu kommt sie näher, während ich lesend auf der Terrasse liege. Verlegen streicht sie um ein Stuhlbein herum. Sie war mir neulich schon einmal aufgefallen, als sie mit dem Kopf genussvoll in der Katzenminze wühlte.
«»
Dann war Caesar plötzlich alleine. Ich hatte große Trauer und Apathie erwartet, aber nichts dergleichen geschah. Er war heiter und lustig und schnatterte und schimpfte weiter. Im letzten Sommer, als ich einmal vom Garten ins Wohnzimmer zurück kam, lag sein Käfig umgestürzt auf dem Boden, das Futter war auf dem Teppich verteilt und die auslaufende Tränke hatte einen dunklen Fleck hinterlassen. Er selbst hockte munter in dem ganzen Chaos und guckte mich mit schiefem Kopf interessiert an – was ich zu diesem unerhörten Vorfall wohl sagen würde. Ich fand das Ganze ziemlich dreist. Da war sicher eine der vielen Katzen aus der Nachbarschaft in übler Absicht von der Terrasse ins Wohnzimmer geschlichen, war auf den Käfig gesprungen und hatte ihn umgeworfen. Das Getöse hatte ihr hoffentlich einen gehörigen Schrecken eingejagt.
«»
Rosana wagt den Sprung zu mir auf die Gartenliege. Ich bin beglückt. Überhaupt kommen jetzt viel mehr Katzen bei mir vorbei, nachdem Caesar tot ist. Zumindest bilde ich mir das ein. Neulich, an einem der lauen Sommerabende, hatte Caesar ganz ungewöhnlich laut und seltsam geschrien. Als ich dazu kam, lag er leblos auf dem Käfigboden. Etwas nachdenklich habe ich ihn im Garten unter der Weide vergraben.
Zärtlich kraule ich Rosana den Nacken. „Wo ist eigentlich Caesar?“, fragt sie plötzlich. Ich bin erstaunt, dass sie nach ihm fragt, und höre auf zu kraulen. „Caesar ist neulich gestorben“, sage ich so lässig wie möglich. Es ist mir ein bisschen peinlich, dass ich so kurz nach seinem Tod schon dabei bin, eine neue Freundschaft zu schließen. Ich streichele sie, eine Weile ist nur ihr Schnurren zu hören. „Woran ist er denn gestorben?“, fragt sie beiläufig und schaut an mir vorbei. „Ach weißt du, der war schon alt.“ Sie schnauft hörbar, schließt zufrieden die Augen und sagt nichts weiter.
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