Jede Guerillagruppe würde in einer offenen Feldschlacht mit diesem Gegner notwendigerweise völlig unterliegen. Daher wählt sie den aussichtsreicheren Guerillakrieg, der jedoch stets mit dem politischen Kampf verknüpft werden muss.
Die Guerilla ist keine konventionelle Armee. Weder in bezug auf verfügbare Ausrüstung und Militärtechnik, noch in bezug auf militärische Ausbildung und Kampferfahrung.
Die Guerilla muss demzufolge kleine und selbständig operierende Kampfeinheiten bilden, die im Hinterland des Gegners agieren und äußerlich nicht als Guerillakämpfer erkennbar sind.
Die Guerilla muss nadelstichartige Operationen durchführen. Sie kann den Gegner nicht vernichten, sie muss ihn hingegen zermürben.
Die Guerilla ist mobil und flexibel und nicht identifizierbar.
Die Guerilla muss ständig in Bewegung bleiben, um dem überlegenen Gegner auszuweichen.
Die Guerilla selbst muss die Entscheidungshoheit darüber behalten, ob, wann, wo und unter welchen Bedingungen und auf welche Weise sie militärisch zuschlägt.
Die beste Basis für die klassische Landguerilla bieten die Berge oder der Dschungel, weil beide Regionen ein geradezu optimales Rückzugsgebiet garantieren.
Immer ist die Guerilla dabei auf die Unterstützung der Landbevölkerung angewiesen. Diese erfolgt in zweierlei Art und Weise: durch Nahrungsmittelspenden und vor allem durch Informationen.
Je größer die politischen und sozialen Missstände, die den Grund für den Guerillakampf darstellen, desto freiwilliger und intensiver gestaltet sich die Unterstützung der Guerilla durch die Bevölkerung.
Fehlt jedoch die Unterstützung der Bevölkerung, so ist der Guerillakampf grundsätzlich zum Scheitern verurteilt.
Es ist jedoch auch möglich und zugleich legitim, dass die Guerilla Unterstützung aus einem anderen Land erhält.
Immer ist der Guerillakampf jedoch ein legitimes Mittel des Kampfes in einem Bürgerkrieg, der aus Verzweiflung und Hilflosigkeit gegen die eigene Regierung geführt wird.
Die Guerilla und weite Teile der Zivilbevölkerung müssen dabei eins sein. Die Zivilbevölkerung oder doch wenigstens ihr größter Teil, unterstützt den Guerillakampf aktiv oder billigt ihn zumindest.
Politische und militärische Ziele müssen im Guerillakampf stets eng miteinander verknüpft sein. Waffen werden aus den Beständen des jeweiligen militärischen Gegners, also von den Regierungstruppen oder aus dem unterstützenden Ausland beschafft.
Ländliche Gebiete bilden Basis und Hauptstützpunkte des Guerillakampfes. Erst in einem sehr weit fortgeschrittenen Stadium werden die Städte zu Orten der militärischen Auseinandersetzung mit dem Gegner.
Die traditionellen Kampfformen regulärer militärischer Einheiten erweisen sich als ungeeignet für den Guerillakrieg. Nur durch irreguläre Formen des bewaffneten Kampfes erweisen sich die Guerillas dem zahlenmäßig und militärtechnisch besser gerüsteten Feind als überlegen.
Der Guerillakrieg ist die traditionelle Kampfesform jeder Art der Befreiungsbewegung.
Die Guerillataktik besteht in ihrem Kern in der Vermeidung der direkten und offenen Auseinandersetzung mit dem Gegner. Der Gegner wird überfallartig und unerwartet attackiert, worauf sich die Guerilla sofort wieder zurück zieht, ehe wirksame militärische Gegenmaßnahmen des Feindes möglich werden.
Den Gegner gezielt treffen, dann sofort den Rückzug antreten. Dies beschreibt die Essenz der Guerillataktik am besten.
So schwimmt die Guerilla wie der Fisch im Wasser des Volkes, während der Feind der Guerilla darin ertrinken wird, weil er letztendlich zugleich der Feind des Volkes ist.
Immer sind die Phasen der Eskalation in den Guerillakriegen identisch.
Der Guerillakrieg beginnt als Empörung und Aufstand.
Anfangs ist die Guerilla daher gar nicht oder lediglich sehr schwach bewaffnet.
Meist verfügt die Guerilla nur über die typischen Infanteriewaffen, wie sie von den Fußtruppen im Gefecht getragen und geführt werden. Dies sind Pistolen und Gewehre der unterschiedlichsten Kaliber, Karabiner, Sturmgewehre, Handgranaten und mitunter leichte Granatwerfer.
Die Kämpfer der Guerilla sind keine Soldaten. Sie verfügen meist nicht einmal über eine einfache militärische Ausbildung, sondern sind Teil der empörten Zivilbevölkerung.
In der ersten Phase des Kampfes können die Guerillaeinheiten also keinerlei strategische Ziele verwirklichen. Sie können keine Gebiete besetzen, sondern müssen sich meist zurück ziehen.
Ist die Phase der Mobilität der gegnerischen Truppen schließlich durch den Umstand eingeschränkt, dass diese an feste Stützpunkte oder Orte gebunden sind und sich außerhalb dieser nur noch sehr stark eingeschränkt oder auch gar nicht mehr bewegen können, dann übernimmt die Guerilla die strategische Initiative und beginnt nun die offensive Phase des Guerillakampfes.
Die Guerilla kann sich nun in größeren militärischen Einheiten von dauerhafter Struktur organisieren.
Wenn die Guerilla strategische Ziele erreichen will, dann muss nun die Gestalt und Form einer zentral gelenkten und organisierten Streitmacht annahmen, sich also dahingehend transformieren.
Aus ihrer taktischen und defensiven Phase treten die Kämpfer der Guerilla dann in eine strategische und offensive Phase, indem sie zur Revolutionsarmee werden.
Die Guerilla muss vor allem jedoch die Probleme erkennen, vor die ihr Feind nun gestellt ist und die Grundzüge der Aufstandsbekämpfung erlernen.
Der Feind der Guerilla steht in der Regel in einem Guerillakrieg vor zwei großen Problemen.
Erstens: das Problem der Identifizierbarkeit, welches darin besteht, dass jede Person im Land entweder ständig oder zeitweilig selbst Guerilla sein kann oder die Guerilla militärisch, logistisch, politisch oder finanziell unterstützen kann. Männer, ob körperlich unversehrt oder behindert, selbst Greise, selbst Kinder und Frauen und Mädchen, können entweder Guerilla sein oder diese unterstützen.
Zweitens: das Problem der fehlenden Front, welche die Angehörigen der Regierungstruppen und die Angehörigen der Guerilla voneinander trennen würde. Es gibt keine Front und es gibt keine von einer der beiden kämpfenden Parteien eindeutig kontrollierten Gebiete. Ein Gebiet kann tagsüber von den Regierungstruppen und nachts von der Guerilla kontrolliert werden. Es gibt auch keine Kontrolle über die Menschen in diesen Gebieten. So mag es immer wieder Geschäftsleute geben, die sowohl die Regierungstruppen wie die Guerilla mit ihrem Geld unterstützen.
Hüten soll sich die Guerilla vor den sogenannten Kontraguerilla-Einheiten. Dies sind irreguläre Einheiten, die nicht an humanitäre Mindeststandards gebunden sind und die der Feind gern im Rahmen eines Konzeptes zur flexiblen Kriegsführung einsetzt, um die Guerilla auf diese Weise aufzuspüren und sie zu liquidieren.
Versucht die reguläre Armee jedoch, die Zivilbevölkerung gezielt unter Druck zu setzen, um sie auf diese Weise von der Guerilla zu trennen, so führt dies in der Regel zur Stärkung der Guerillabewegung, da die Armee oft zu Mitteln des Zwanges, der Folter, der Erschießung von Zivilisten oder deren Zwangsaussiedung greift.
Es kann sinnvoll sein, dass die Guerilla selbst Zwangsmaßnahmen gegenüber der Zivilbevölkerung anwendet, um diese durch das Arsenal dieser Mittel gefügig zu machen. Solche Zwangsmaßnahmen können sein: gezielter Terror durch Erschießung, Folter und Vergewaltigung, erzwungene Unterstützung durch Geld, Nahrung, Medikamente und Material sowie durch Zwangsrekrutierungen für die Guerilla.
Es ist nicht gut, wenn die Bevölkerung eines Gebietes neutral bleibt, weil sie dadurch den Regierungstruppen die Möglichkeit zur Anwendung massiver Kriegsmittel gibt oder womöglich sogar mit den Regierungstruppen kooperiert.
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