Großstadtgesichter begleiten uns täglich. Wir begegnen ihnen auf dem Weg zur Arbeit, im Café und im Park.
Sie machen das Leben in der Großstadt vielfältig und bunt. Vielleicht erscheinen sie uns manchmal ärgerlich oder traurig, oft aber fröhlich und herzlich. Nur, wenn wir genau hinsehen, entdecken wir, dass wir doch immer in einen Spiegel schauen. Denn das, was wir sehen, ist ein Teil von uns.
Es lohnt sich, mit offenen Augen und Ohren durch die Straßen zu gehen und diesem Spiegel unser freundliches Lächeln zu schenken.
Großstadtgesichter
… wie du und ich
Elke von Normann
Impressum
Großstadtgesichter … wie du und ich
Elke von Normann
Copyright: © 2014 Elke von Normann
Illustrationen: Elke von Normann
http://www.grossstadtgesichter.berlin
Layout, Korrektorat: Iris van Beek
published by: epubli GmbH, Berlin
www.epubli.de
Printed in Germany
ISBN: 978-3-8442-9169-8
Dieses E-Book, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt und darf ohne Zustimmung der Autorin Elke von Normann nicht vervielfältigt, wiederverkauft oder weitergegeben werden.
„Tee oder Kakao? Ein großes oder ein kleines Glas? Magst du lieber auf diesem oder auf jenem Stuhl sitzen? ...“ Es ist nicht etwa der um seine Kundschaft besorgte Kellner, der die Fragen stellt, sondern ein etwa dreißigjähriges Ehepaar, das seine dreijährige Tochter zum Frühstück ausführt.
So wird die liebe Kleine bereits jetzt auf das Treffen von Entscheidungen vorbereitet.
Auch ich kenne die Situation. Mein umherschweifender Blick beim Betreten des Cafés. Wo setze ich mich hin? Am Fenster, wo es zum Lesen am hellsten ist, ich mich aber wie ein Ausstellungsstück im Schaufenster fühle? Oder lieber ganz hinten, wo ich meine Ruhe habe und alles gut beobachten kann? Aber der Platz ist dunkel und liegt gleich neben den Toiletten.
Kaum habe ich einen Platz gewählt, fordert der Kellner schon meine zweite Entscheidung bei der Wahl der Getränke.
Oh ich bedauere das kleine Mädchen am Nachbartisch. Wie gut hatten wir es doch, als unsere Eltern für uns die Entscheidungen trafen. Wir wurden auf einen Stuhl gesetzt, bekamen einen Tee und waren zufrieden. Mir wäre damals nie in den Sinn gekommen, meine Eltern würden die falsche Entscheidung für mich treffen.
Nun, der Preis ist wohl, dass ich mich heute dreimal umsetze, bevor ich im Café den richtigen Platz gefunden habe.
Erzwungener Lauschangriff
Sicher kennen Sie das. Sie wollen mit Ihrem Liebsten hübsch essen gehen und dabei einen netten vertrauten Abend verbringen oder auch nur mit Ihrer besten Freundin bei einem gepflegten Glas Wein mal wieder den neuesten Klatsch und Tratsch austauschen.
Doch bereits bei der Wahl der Getränke merken Sie, dass Sie nicht ganz bei der Sache sind. Vielmehr sind Sie in das Gespräch am Nachbartisch eingebunden, wenn auch nur passiv. Denn eine der vier Personen neben Ihnen spricht so laut und deutlich, dass sämtliche Gäste im Umkreis von zehn Tischen deren Gesprächsinhalt genau verfolgen können. So eben auch Sie und Ihre Begleitung.
Immer wieder versuchen Sie krampfhaft, sich auf das Gespräch mit Ihrem Liebsten oder Ihrer Freundin zu konzentrieren und spüren diesen kleinen Triumph, wenn Ihnen dies tatsächlich gelingt. Aber bereits drei Minuten später merken Sie, dass Ihnen niemand zuhört. Denn Ihrer Begleitung geht es wie Ihnen. Auch ihr ist es unmöglich, sich dem Bannkreis des Nachbartischs zu entziehen.
Was bleibt Ihnen also, als es hinzunehmen, gemeinsam mit Ihrem Gegenüber dem fremden Gespräch zu folgen und dieses abwechselnd zu kommentieren. So wenigstens wird dieser Abend, wenn schon keiner in trauter Zweisamkeit, doch wenigstens ein gemütlicher und unterhaltsamer Abend. Und vielleicht war ja das genau der Plan.
Derart einbindende Nachbartischgespräche erlebe ich übrigens nie, wenn ich allein im Restaurant oder Café sitze. Vielleicht fallen mir diese dann auch nur nicht auf, weil mir die passende Begleitung für die entsprechenden Kommentare fehlt. Und diese sind wohl unsere Würze in fremden Gesprächen.
„Karten mit Vogelstimmen“ Die großen bunten Buchstaben lenken meinen Schlenderschritt zu dem Schaufenster, in dem ich die Grußkarten betrachte. Jeweils ein heimischer Singvogel – wie ich vermute – ist auf ihnen abgebildet. Beim Öffnen der jeweiligen Karte soll die Stimme des darauf abgebildeten Vogels ertönen. Nun, den Spatzen erkenne ich. Daneben, das ist wohl eine Amsel. Aber die anderen? Mein Blick schweift über die Reihe von etwa zehn verschiedenen Karten. Weder weiß ich, wie die ganzen Vögel heißen, noch wie sie singen. Mein Blick stockt. Das ist kein Vogel. Das ist Jesus. Zwischen die Vögel hat ein Witzbold eine Karte mit dem Bild von Jesus geschmuggelt. Oder ein Versehen? Soll ich raten, welche Stimme diese Karte enthält? Vielleicht ein Murren, dass ich nicht einmal die Vögel meiner nahen Umgebung kenne. Sogleich nehme ich mir vor, künftig etwas aufmerksamer durch Natur und Leben zu gehen.
Auf dem Weg nach Hause entdecke ich nur Spatzen und Amseln. Als ich jedoch die Haustür öffne, begegnet mir mein kauziger Nachbar, von dem ich dachte, er sei vor einem halben Jahr ausgezogen. Nun, da habe ich heute schon mal einen seltenen Vogel entdeckt, freue ich mich und denke an das Jesusbild.
Während ich die Üppigkeit der Blumenbeete bestaunte, hatte meine Mutter bereits die Liege in den Schatten gestellt und mit Decken und Kissen bestückt. „Möchtest du etwas trinken? Brauchst du ein größeres Kissen?“ Die Stunden, bevor ich wieder fahren musste, sollte ich es bei ihr so bequem wie möglich haben. Hier bei meiner Mutter war ich ihr umsorgtes Kind. Da spielte es keine Rolle, dass ich die Vierzig bereits weit überschritten hatte.
Mir blieben also noch zwei Stunden, bevor ich in meinen Alltag zurückkehren und zuvor meinen Sohn vom Flughafen abholen würde. Ich werde ihn bei der Begrüßung freudig umarmen, ihm beim Tragen des Gepäcks helfen und ihn im Auto fragen, ob er auch genügend Platz hat. Mein zwanzigjähriger Sohn wird auf dieser Fahrt irgendwann die Augen verdrehen und mir zu verstehen geben, dass er erwachsen sei und schon zurechtkomme.
Dann werde ich lächeln, mich an die jetzigen Stunden im Garten meiner Mutter erinnern und denken, dass auch mein Sohn es sicher irgendwann – wenn auch vielleicht erst in ein paar Jahren – genießen wird, wieder einmal von mir umsorgt zu werden.
Bis dahin lasse ich mir von meiner Mutter gern noch ein Stück selbstgebackenen Kuchen bringen und genieße die Rolle des behüteten Kindes.
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